Dichterlesung mit Basim Alansar
Gespräch 0Der irakische Autor liest vier seiner Gedichte im arabischen Original. Eine deutsche Übersetzung finden Sie weiter unten auf dieser Seite.
Das Interview mit Basim Alansar wird zu einem späteren Zeitpunkt verfügbar sein.
Gedichte von Basim Alansar
Der Regen des Fremden
Eines Nachts trat der Satan in mein Leben ein. Da erstrahlte die
Sonne. Damals schwanden die geballten Wolken in meinem
Zimmer und an ihrer Stelle erblühten Lieder. Der Fluch dieser
Entdeckung trieb mir seine Geheimnisse ins Gesicht und erfüllte
meine Tage mit Wind.
Wie freute ich mich über die Nachtsonne!
Erinnere dich, Seele, dass die Sonne in meinem Himmel alt ist.
Als ich ein Kind war, schwebte der Satan über meinem Kopf, und
ich weinte.
Und nun bin ich hier und begegne dem Fluch aufs Neue.
Ich, der ich hin und herschwang zwischen Lärm und Leere,
ich, der ich nicht alles sah.
Oft bat ich die, die mich beunruhigten, mir auch Ungehorsam und
Widerstand beizubringen und Zerstörung in meinem alten Leben
zu verbreiten. Oft folgte ich den Schritten eines Nachdenkenden
und vollstreckte seinen Letzten Willen. Da brachen alle Vulkane
los. Die Ehrerbietung schwand, die mein Herr
und meine Erlösung gewesen war. Mittlerweile folge ich keinen
ausgetretenen Pfaden mehr.
Im Überschwang meines Rausches mit der ersten Zerstörung
wurde der Nachdenkliche zum Engel. Ich vertrieb ihn aus meinem
Königreich.
Nun bin ich kein Gastmahl mehr für die Zuversicht,
Moral gehört nicht mehr zu meinen Gewohnheiten. Ich werde
mich nicht mehr der Vergangenheit aufs Neue unterwerfen, ich
werde nicht die mit Ungewissheit beladene Zeit zurücklassen. Ich
füllte meine Schatzkammern mit Zweifeln und ließ die Fragen
mir ihre Tore öffnen. Als ich meine Hand auf den Leib des Lebens
legte, griff das Unbekannte mein Herz wild an. Ich werde gehen
ohne Blick zurück, denn die Vulkane des Zorns
erwarten mich.
Und nun!
Nachdem ich mich in die Trauer des Winters gestürzt hatte, mit
dem Frühling und dem Sommer im Gepäck, siehst du mich nun ins
Freie treten wie mein Bruder Enkidu in den ersten Tagen, du siehst mich im Angesicht des Herbstes.
Ein Fremder bin ich!
Nehmt meine Fragen, die am Anfang meiner merkwürdigen Reisen standen, nehmt den Rest meiner Sprache, die von wunderlichen Geschichten aufgerieben wurde …
Nichts bleibt mir mehr als meine Blätter aufzulesen und zu gehen,
nichts bleibt mir mehr als meine Rufe ins Verborgene zu schicken:
Du! Träger des Schlüssels zur Ewigkeit!
Ich flehe dich an, ich, beraubt aller Dinge außer den Fragen und Wünschen, mir dein Antlitz zu enthüllen an deinen unergründlichen Abenden, mir ein kleines Heim in deinem Herzen einzurichten, mich nach meinem Tod zu einem Baum zu machen,
zu einer Sonne oder gar zu einer Taube, und meine Träume zu einer Fackel, die nach mir den Liebenden und Verirrten leuchten soll.
Ich werde gehen
und mein Herz zur Empore machen, die den See des Schweigens
überschaut.
Ich werde gehen
und die Stufen erklimmen, die dem Leuchten entgegenführen.
Ich werde in die ersten Jahrhunderte aufbrechen
Ich,
der ich Gott schaute in den Regentropfen,
der ich die schneebedeckten Berge erklomm
auf der Suche nach einem Frühling, der noch nicht kam.
Ich werde aufbrechen zu den Feierlichkeiten der Sonne
und der alten Welt zum Abschied winken.
Hauch
Wann immer ich dem Leben zustrebte,
hielt mich das Kriegsgetrommel auf.
Wann immer ich den Zipfel der Wahrheit erhaschte,
durchbohrten mich die Schwerter der Geschichte.
Wann immer ich den Leib der Freiheit umarmte,
beschimpften mich die Despoten.
Wann immer ich der Stimme des Exils lauschte,
ergriffen mich Erinnerungen an die Heimat.
Immer wieder tat ich kund,
ich suche nicht nach Ruhm,
noch nicht einmal nach einem guten Ruf.
Ich wünschte mir im Leben nur,
den Hauch zu fassen, der
mir den Kummer wegweht, der in meinem Herzen bohrt
von Kindheit an bis heute.
Alter
In dem Jahr, als die Länder mit Blut besudelt wurden,
versteckte ich mein Bild in der untersten Welt meiner Kindheit
und floh vom Fenster der Fabeln in die neue Welt.
Ich floh, beladen mit tausend Tonnen schwarzer Flaggen.
Und dort
verbarg ich sie im Haar einer betrübten Frau,
und sie verbarg ihre Jahre in meinem Körper.
Aus meinem Herzen schuf ich eine Heimat für Vertriebene
und machte die Entdeckung zu meiner Wunderbrille.
Ich füllte meine Blicke mit Staub, in den ich mein Bild
gemalt hatte,
als das Exil mich mit Vergeblichkeit ausfüllte.
Europa pflanzte mich in den Garten der Vernunft,
zugleich pflanzte das Sein eine Blume, deren Duft in meinem
Kopf ein Traum ist.
Verflucht bin ich!
Ich begrub die Mythen im Exil.
Es legte mir Minen in den Mund.
Ich bedeckte sein Haar mit Kriegen.
Es zerriss meine Seele mit Stille.
Ich verletzte es mit meinen wundersamen Reisen.
Es verletzte mich mit Sehnsucht nach meinem Bild.
Um da zu sein, suche ich Zuflucht im Verborgenen.
Um ewig zu sein, mache ich das Fragen zu meinem
ständigen Umhang.
Als ich glaubte, die Länder seien nicht mehr blutbesudelt,
kehrte ich zurück,
eilte zu meinem Haus,
und suchte mein Bild.
Doch als ich es fand,
fiel mir das Herz in den Brunnen,
denn mein Gesicht darauf
war alt geworden!
Ein Leben von Bäumen umgeben
Da rollt deine Zeit dem Schneeberg zu.
Da sehe ich dich in sicheren Zeiten.
Da sind deine Wünsche, bunt vom Honig in den Höhlen.
Da sehe ich dich schlafen mit dem alten Schmerz.
Du wolltest dem Vergangenen nachweinen
und die Zukunft beklagen.
Du wolltest Herbst und Ewigkeit zugleich umarmen!
Nie hast du dich für Dichter interessiert
und ranntest nur toten Geschichten hinterher.
Ich sagte dir, mit mir zu gehen, den flüchtigen Träumen zu,
doch du gingst allein dem ewigen Begehren entgegen.
Ich sagte dir, das Grün des Grases in den Koffer zu packen,
doch du legtest die Himmelsfarbe ins Zimmer.
Denk dran, du und die Freude, ihr seid Zwillinge.
Denk dran, der Himmel schläft nicht unter deinen Wünschen.
Denk dran, dein Leben ist von Bäumen umgeben.
Ich wünschte, du zögest in den Krieg gegen das Verbotene,
doch du warfst mir nur Theorien an den Kopf.
Ich wünschte, du protestiertest gegen die Ewigkeit,
doch du hast mich verletzt mit alten Melodien.
Ich sah, wie du dem Aufstand beitratst durch sein rotes Tor,
nachdem du mir geschworen hattest, ihm durch das weiße
beizutreten.
Warum sagtest du Lebwohl zur aufziehenden Dämmerung?
Warum sagtest du Hallo zum Abend?
Nachdem du lange Zeit verschwunden warst,
klopfte ich so oft an deine Tür,
bis sich mein Herz am Pflock des Erstaunens aufhing.
Als ich den Postboten vorübergehen sah,
ohne dein Leben zu beachten,
umgaben mich die Bäume mit Stille.
Panorama der Verwunderung
Die Jugendlichen schleichen sich verstohlen an die Witwen
durch die Löcher des Tages hindurch,
die Männer lecken die Hände der Wahrsagerinnen.
Aha!
Die Soldaten fressen ihre Gewehre auf.
Die fahrenden Händler legen die Sterne
auf ihre Karren.
Aha!
Die silberne Frau tritt in den Spiegel ein
und packt die Wolken in die Koffer.
Aha!
Der Satan schafft aus Staub die Schmetterlinge
die Natter schlingt sich um den Turm,
erstickt dabei das Kind in ihrem Maul.
Aha!
Ich sehe den Krieg um unsre Häuser spielen
Er wird zum Wesen der Kämpfer, zum Blut der Gedanken.
Aha!
Ich sehe die Unendlichkeit mit dem Sehenden
durch das Fenster der alten Kneipe.
Aha!
Meine Mutter kauft einige Jahre beim Bäcker in der Gasse,
meine Brüder stopfen ihre Seelen aus mit der Idee von Identität.
Aha!
Mein Vater trennt dem Krieg den Kopf mit einem Messer ab
und strebt dem Tod zu, ohne es zu wollen.
Aha!
Ich sehe fünf Blumen auf dem Gehweg,
daneben einen blutverschmierten Dolch.
Aha!
Ich sehe einen Jungen aus dem Friedhof kommen,
er singt ein schwermütiges Lied.
Aha!
Dann entschwindet er plötzlich meinen Blicken,
als das Lied verklang.
Aha!
Der letzte Vogel
Am Anfang meines Lebens
erschienen mir die Vögel der Freiheit,
als könnten sie nie sterben.
Doch
nachdem ich mein halbes Leben
mit wundersamen Abenteuern zubrachte,
halbierte sich die Anzahl meiner Vögel,
an ihrer Stelle wuchsen Bäume des Verlangens.
Jedes Mal, wenn ich mich in einem neuen Abenteuer
eines Wunsches bediente,
verlor ich einen meiner Freiheitsvögel,
obwohl ich stets darauf bedacht war,
ans Ende meines Lebens zu gelangen
unter den Bäumen des Verlangens,
in der Hand den letzten Vogel meiner Freiheit.
Übersetzungen aus dem Arabischen von Leslie Tramontini
Arabic Music Days
Musik, bildende Kunst, Poesie und Film