Georg Friedrich Händels dramatische Serenata aus dem Jahr 1708 wird in der unverwechselbaren Bildsprache der südafrikanischen Regisseurin und Puppentheaterkünstlerin Janni Younge zur hochaktuellen Reflexion auf die fragile und prekäre Beziehung zwischen Mensch und Natur. Mit Roberta Mameli, Sophie Rennert, Luigi De Donato und der Akademie für Alte Musik Berlin übernehmen weltweit gefeierte Barockspezialist:innen den musikalischen Part dieser einzigartigen, speziell für den Pierre Boulez Saal entwickelten Musiktheaterproduktion.
Galatea, eine Tochter des Meeresgottes Nereus, und Aci, Sohn von Faunus, dem Gott der Wälder und Wiesen, sind ein Liebespaar. Ihre Liebe wird durch den Riesen Polifemo bedroht, der leidenschaftlich von Galatea besessen ist. Als sie ihn verspottet und zurückweist, warnt er, dass er seinen Willen mit Gewalt durchsetzen wird. Aci verteidigt Galatea tapfer, doch als Polifemos Zorn wächst, müssen die beiden erkennen, dass ihr Zusammensein zu unerträglichem Leid für den anderen führen wird. Galatea flieht zurück ins Meer, doch auch dort findet sie keinen Weg, die drohende Katastrophe abzuwenden und kehrt zu Aci zurück. Vom Anblick des verliebten Paares in Rage versetzt, das im Angesicht des unausweichlichen Unglücks vereint ist, erschlägt Polifemo Aci mit einem Felsbrocken. Galatea bittet ihren Vater, Aci in einen Fluss zu verwandeln. Dann muss Polifemo mit ansehen, wie das Paar im Meer wieder zusammenfindet, und wird sich des Ausmaßes seines Verlustes und der eigenen Einsamkeit bewusst.
MYTHISCHE URSPRÜNGE
Die Ursprünge von Händels Figuren reichen weit über die Barockzeit hinaus bis zu den Anfängen des Geschichtenerzählens selbst zurück. Lernen Sie sie kennen und erfahren Sie mehr darüber, wie ihre mythologischen Hintergründe Janni Younges Inszenierung beeinflusst haben.
Aci lebt als Hirte am Fuße des Ätna und ist Galateas Partner. Er selbst ist der Sohn des Wald- und Hirtengottes Faunus und der sizilianischen Flussnymphe Symaithis (von ihr stammt der heutige Name des Flusses Simeto auf Sizilien), trägt aber sehr menschliche Züge. Nach seiner von Ovid in den Metamorphosen (um 1–8 n. Chr.) beschriebenen Ermordung durch Polifemo und der anschließenden Verwandlung in einen Fluss wurde er auf Sizilien mit dem fiume di Jaci identifiziert, der am Ätna entsprang und bei Catania ins Meer mündete. Aufgrund zahlreicher Vulkanausbrüche ist der ursprüngliche Flusslauf heute nicht mehr zu rekonstruieren. Bis erinnern viele Ortsnamen rund um den Ätna an Aci, etwa Acireale, Aci Castello oder Aci Sant’Antonio.
Galatea gilt als schönste der Nereiden, der 50 Töchter des Meeresgottes Nereus. Ihr Name kann sowohl für „Göttin der ruhigen See“ (galene = ruhig + theia = Göttin) als auch „die Milchweiße“ (galaktos) stehen, was auf den weißen Schaum der Wellen ebenso wie die Milch von Schafen und anderen Tieren anspielt, als deren Behüterin sie rund um den Ätna verehrt wurde. Während Galatea in Ovids Version der Geschichte den Kyklopen Polifemo zurückweist, werden die beiden in anderen Überlieferungen ein Paar und haben einen gemeinsamen Sohn, Galates.
Polifemo ist der Sohn des Meeresgottes und „Erderschütterers“ Poseidon und der Meeresnymphe Thoosa. Der riesige Kyklop („Einauge“) tritt erstmals als menschenfressender Höhlenbewohner in Homers Odyssee auf, wo Odysseus und seine Männer nur dank einer List aus seiner Gefangenschaft entkommen. In seinen Metamorphosen erzählt Ovid von Polifemos vergeblichem Werben um Galatea. In früherer Überlieferung treten die Kyklopen auch als Schmiedegesellen des Feuergottes Hephaistos auf, die in feuerspeienden Bergen wie dem Ätna leben und dort Rüstungen und Waffen für die großen Helden herstellen.
Aci, Galatea und Polifemo werden von drei überlebensgroßen Figuren verkörpert, die die tiefe Verbundenheit der Menschheit mit unserer Umwelt zum Ausdruck bringen. Janni Younge, Regie
Frei nach Ovids Metamorphosen erzählt Händels Serenata mehr als eine pastorale Liebesgeschichte: Im Kräftemessen zwischen mythischen Mächten, Naturgewalt und menschlicher Leidenschaft legt Janni Younge, deren unverwechselbar poetische Bildsprache weltweit für Begeisterung sorgt, mit ihrer südafrikanischen Kompanie ebenso universelle wie aktuelle Fragen nach der fragilen Beziehung von Mensch, Natur und Lebensraum frei.
Akademie für Alte Musik Berlin
Georg Kallweit Konzertmeister
Roberta Mameli Aci
Sophie Rennert Galatea
Luigi De Donato Polifemo
Janni Younge Regie
Janni Younge with Luke Younge and Sean Mac Pherson Ausstattung
Elvis Sibeko Choreografie
Lize-Marie Wait Lichtdesign und Inspizienz
Illka Louw Kostüme
Mongiwekhaya, Lubabalo Pupu, Vuyolwethu Nompetsheni,
Roshina Ratnam, Sven-Eric Müller, Nathi Mngomezulu,
Sophie Joans, Keishia Solomon Szenische Darstellung
Unterstützt von der Kulturverwaltung des Landes Berlin