Christiane Karg Sopran
Malcolm Martineau Klavier
Helmut Mooshammer Rezitation
Lieder von
Henri Duparc
Hugo Wolf
Josephine Lang
Ludwig van Beethoven
Franz Schubert
Robert Schumann
Wolfgang Rihm
Roger Quilter
Johannes Brahms
Richard Strauss
Camille Saint-Saëns
Joachim Raff
Horatio Parker
Texte von
Hans Christian Andersen, Johann Wolfgang von Goethe, Selma Meerbaum-Eisinger, William Shakespeare, Clemens Brentano, Bertolt Brecht, Stefan Zweig, Ricarda Huch, Friedrich Schiller und Hilde Domin
nach Hans Christian Andersen (1805–1875)
Das hässliche Entlein
Henri Duparc (1848–1933)
Romance de Mignon op. 2 Nr. 3 (1869)
Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832)
Wilhelm Meisters Lehrjahre, Zweites Buch, 4. Kapitel
Hugo Wolf (1860–1903)
Mignon I „Heiß’ mich nicht reden“ (1888–89)
Johann Wolfgang von Goethe
Wilhelm Meisters Lehrjahre, Zweites Buch, 4. Kapitel
Josephine Lang (1815–1880)
Mignons Klage op. 10 Nr. 2 (um 1840)
Johann Wolfgang von Goethe
Wilhelm Meisters Lehrjahre, Zweites Buch, 14. Kapitel
Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Mignon op. 75 Nr. 1 (1809)
Johann Wolfgang von Goethe
Wilhelm Meisters Lehrjahre, Fünftes Buch, 16. Kapitel
Franz Schubert (1797–1828)
Lied der Mignon „So lasst mich scheinen“ D 877 Nr. 3 (1826)
Selma Meerbaum-Eisinger (1924–1942)
Märchen
Robert Schumann (1810–1856)
Herzeleid op. 107 Nr. 1 (1851–52)
William Shakespeare (1564–1616)
Hamlet, Erster Akt, Szene 3
Wolfgang Rihm (1952–2024)
Tomorrow Is Saint Valentine’s Day
aus Ophelia Sings (2012)
Clemens Brentano (1778–1842)
Nachtigall
Roger Quilter (1877–1953)
How Should I Your True Love Know op. 30 Nr. 3 (1927–33)
Johannes Brahms (1833–1897)
aus Fünf Ophelia-Lieder WoO 22 (1873)
Wie erkenn’ ich dein Treulieb
Clemens Brentano
Nachtigall
Johannes Brahms
Sein Leichenhemd weiß
William Shakespeare
Hamlet, Zweiter Akt, Szene 2
Richard Strauss (1864–1949)
Sie trugen ihn auf der Bahre bloß op. 67 Nr. 3 (1918)
William Shakespeare
Hamlet, Vierter Akt, Szene 7
Camille Saint-Saëns (1835–1921)
La Mort d’Ophélie (um 1857)
Bertolt Brecht (1898–1956)
Vom ertrunkenen Mädchen
Stefan Zweig (1881–1942)
Maria Stuart, 11. Kapitel
Robert Schumann
Gedichte der Königin Maria Stuart op. 135 (1852)
I. Abschied von Frankreich
II. Nach der Geburt ihres Sohnes
III. An die Königin Elisabeth
IV. Abschied von der Welt
V. Gebet
Ricarda Huch (1864–1947)
Was für ein Feuer
Joachim Raff (1822–1882)
aus Maria Stuart op. 172 (1872)
Klage III
Friedrich Schiller (1759–1805)
Maria Stuart, Fünfter Aufzug, 7. Auftritt
Joachim Raff
Klage IV
Friedrich Schiller
Maria Stuart, Fünfter Aufzug, 7. Auftritt
Joachim Raff
Klage I
Hilde Domin (1909–2006)
Magere Kost
Joachim Raff
Vor dem Gang zum Schafott
Johann Wolfgang von Goethe
Woher sind wir geboren?
Horatio Parker (1863–1919)
Lute Song
aus Two Songs from Tennyson’s “Queen Mary” (1904)
Keine Pause
Odilon Redon, Ophélia (1900-05)
In ihrem Programm mit Malcolm Martineau und Helmut Mooshammer beleuchtet Christiane Karg das Schicksal dreier Frauenfiguren, die in der Romantik intensiv rezipiert wurden: Goethes Mignon, die sich nach einer traumatischen Kindheit den Kategorien der Weiblichkeit verweigert; Ophelia, die sich in den Wahnsinn flüchtende, verstoßene Geliebte Hamlets; und die schottische Königin Mary Stuart. Verletzlichkeit und Fremdheit, Identitätssuche und Todeserfahrung vereinen die äußerlich so verschiedenen Charaktere.
Werkeinführung von Kerstin Schüssler-Bach
Der geheimnisvolle Zustand dieses Wesens
Lieder um Mignon, Ophelia und Maria Stuart
Kerstin Schüssler-Bach
„Seine Augen und sein Herz wurden unwiderstehlich von dem geheimnisvollen Zustand dieses Wesens angezogen.“ Mignon, die rätselhafte Kindfrau, bezaubert Johann Wolfgang von Goethes Romanfigur Wilhelm Meister in ihrer Androgynität und Reinheit inmitten eines obskuren Artistenmilieus. Als Wilhelm Meister später Shakespeares Hamlet für die Theatertruppe einrichtet, ist Mignon von der Wucht des Stückes hingerissen: „Ihre Haare flogen, und indem sie den Kopf zurück und alle ihre Glieder gleichsam in die Luft warf, schien sie einer Mänade ähnlich, deren wilde und beinah unmögliche Stellungen uns auf alten Monumenten noch oft in Erstaunen setzen.“
So berühren sich in Goethes Bildungsroman Wilhelm Meisters Lehrjahre die mitreißende Wirkmacht von Shakespeares Tragödie und die gesellschaftliche Außenseiterrolle der Mignon. Das Liedprogramm, das Christiane Karg gemeinsam mit Malcolm Martineau und Helmut Mooshammer präsentiert, rückt die beiden Figuren noch enger zusammen: Mignon, die sich nach einer traumatischen Kindheit den Kategorien der Weiblichkeit verweigert, und Ophelia, die sich in den Wahnsinn flüchtende, verstoßene Geliebte Hamlets. Verletzlichkeit und Fremdheit, Identitätssuche und Todeserfahrung vereinen die äußerlich so verschiedenen Charaktere.
„Die Mignon-Lieder von Schubert und Wolf waren schon früh sehr zentral in meinem Repertoire“, erzählt Christiane Karg. „Ophelia ist mir etwas später begegnet.“ Ergänzt werden die vielfach vertonten Verse Goethes und Shakespeares durch reflektierende Texte unterschiedlicher Autor:innen, vom Romantiker Clemens Brentano bis zu der in einem Arbeitslager umgekommenen jüdischen Lyrikerin Selma Meerbaum-Eisinger. „Helmut Mooshammer, den ich als Schauspieler in meiner Geburtsstadt Feuchtwangen erlebt habe, ist nicht nur sehr musikalisch“, ergänzt Karg, „wir lieben auch beide die Verbindung von Wort und Ton in Liederabenden – man kann die Figuren so noch einmal vielschichtiger charakterisieren.“
Mignons unbestimmte Sehnsucht findet ihren berührenden Ausdruck im Lied Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn. Goethes Roman schildert den Moment, als Wilhelm Mignon zur Begleitung einer Zither singen hört: „Melodie und Ausdruck gefielen unserm Freunde besonders, ob er gleich die Worte nicht alle verstehen konnte.“ Mignons Gesang ist „bald bittend und dringend, bald treibend und vielversprechend“. Wilhelm bezieht die Worte auf Italien, und Mignon bittet ihn, sie dorthin mitzunehmen: „Es friert mich hier“. Ihr zauberischer Gesang gehört zu den meistvertonten Texten deutscher Lyrik.
Den Blick nach innen gewendet
Henri Duparc komponierte Mignons Lied 1868 in der französischen Übersetzung des Belgiers Victor van Wilder mit schwebender Akkordbegleitung und einer ätherischen Melodie, die den Einfluss von Wagners Lohengrin verrät (den Wilder ebenfalls übersetzte). Auch wenn das Werkverzeichnis des überaus selbstkritischen Duparc schmal ist – es besteht im Wesentlichen aus 16 Liedern, die er vor seinem 35. Lebensjahr komponierte –, hat es das Genre der französischen „mélodie“ doch außerordentlich bereichert. „Duparcs Mignon-Vertonung verlangt einen großen Tonumfang und stimmliche Reife“, sagt Christiane Karg. „Seine Gestaltung ist sozusagen sehr erwachsen, während die Figur Mignon ja ganz jung ist. Darin liegt eine gewisse interpretatorische Herausforderung. Ich möchte sie so jung wie möglich anlegen.“
Ein ganz nach innen gewendetes Wesen und physisches Leiden ließen Duparc früh schöpferisch verstummen – ein Schicksal, das er mit dem deutschen Liedmeister Hugo Wolf teilt. Dieser freilich hinterließ mehr als 300 Lieder, und sein schubweises Schaffen entlud sich in einem wahren kreativen Rausch. Unter seinen 1890 veröffentlichten 51 Goethe-Vertonungen sind auch mehrere Verse aus Wilhelm Meister, darunter drei Lieder der Mignon. Heiß’ mich nicht reden zeichnet auf knappem Raum die Stimmungsschwankungen des jungen Mädchens nach: von der gespannten Ekstase der aufsteigenden Linie „Ich möchte dir mein ganzes Innre zeigen“ bis zum resignierenden „allein das Schicksal will es nicht“. In Goethes Roman markiert das Gedicht, das Mignon „mit großem Ausdruck einigemal rezitiert hatte“, den Abschied Wilhelms von der Schauspieltruppe. Ihre Traurigkeit, aber auch ihre Hoffnung auf einen helfenden Gott fängt Wolf mit psychologischer Meisterschaft in der schmerzhaften Chromatik und dem plötzlichen Umschwung zu schwebender Ruhe ein. Karg ergänzt: „Auch Wolf hat eine sehr dramatische Herangehensweisen für die Mignon-Figur gewählt. Mignon ist sehr fragil, eigentlich ein Kind, das auch krank ist. Stimmlich ist sie bei Wolf aber eine erwachsene Frau. Für mich ist es sehr hilfreich, den literarischen Kontext bei Goethe zu kennen und mir dieser Diskrepanz bewusst zu sein. So finde ich leichter einen Zugang.“
Ikone der Romantik
Josephine Lang, Tochter eines Münchner Hofmusikers und einer Hofsängerin, galt als musikalisches Wunderkind, brillierte früh als Pianistin und erhielt kurzzeitig Unterricht von Felix Mendelssohn. Dennoch teilte sie das übliche Schicksal komponierender Frauen im 19. Jahrhundert: Der Vater untersagte eine weitergehende Ausbildung, mit ihrer Heirat und Familiengründung musste sie ihre künstlerische Karriere ganz aufgeben. Nach dem frühen Tod ihres Mannes sicherte sie das Einkommen für ihre sechs Kinder mit Klavier- und Gesangsunterricht. Josephine Lang komponierte etwa 300 Lieder, von denen immerhin ein Drittel zu Lebzeiten veröffentlicht wurde. Mignons Klage, entstanden 1835 und 1841 im Druck erschienen, ist kein pathetischer Seufzer, sondern ein dunkel glühender, vorwärtstreibender Ausdruck der Leidenschaft, gipfelnd in den emphatisch wiederholten Versen „es brennt mein Eingeweide“. „Meine Lieder sind mein Tagebuch“ – Langs Aussage scheint hier ihren Widerhall zu finden. Christiane Karg sind ihre Lieder bereits im Studium begegnet. „Bei der Recherche für dieses Programm bin ich dann wieder auf sie gestoßen. Ich finde diese Mignon-Vertonung sehr wichtig – sie ist für mich neu im Repertoire, ebenso wie die von Beethoven.“
Ludwig van Beethovens und vor allem Franz Schuberts Mignon- Lieder zählen zu den bekanntesten musikalischen Versionen dieser Texte. Der freudig gelöste Refrain „Dahin, dahin“ in Beethovens 1810 komponiertem Strophenlied Kennst du das Land setzt sich von der sehnsüchtig aufsteigenden, punktierten Linie des Beginns deutlich ab. Schuberts So lasst mich scheinen gehört zu den 1826 entstandenen „Liedern der Mignon“, die ein Jahr später gedruckt wurden. Den Versen Goethes war Schubert regelrecht verfallen: Er komponierte sechs Versionen von Nur wer die Sehnsucht kennt, zwei von Heiß’ mich nicht reden und drei von So lasst mich scheinen, außerdem die Gesänge des Harfners aus Wilhelm Meister. Bekanntlich hat Goethe von Schuberts Vertonungen keine Notiz genommen. Die letzte Version von So lasst mich scheinen, ein Jahr vor der Winterreise geschrieben, ist bereits in der Schubert’schen Jenseitigkeit angekommen: berührend innig, mit jenem unerklärlich schwerelosen Schein der Verklärtheit. Mignons kindliche Unschuld trifft auf den Tod: „vor Kummer altert’ ich zu frühe“. In ihrem weißen Kleid tritt sie in Goethes Roman als engelhafte Gestalt auf, die dieses Lied „mit unglaublicher Anmut“ singt. Als solche wurde Mignon zur Ikone der Romantik, zu einem „göttlich lichten Punkt“ und zu einem jener Wesen, „welche dem Ganzen romantischen Zauber und Musik geben“ (Friedrich Schlegel).
Unglücksel’ge Träumerin
Auch Shakespeares Ophelia, die sich singend im Bach ertränkt, betörte – zumal in der Interpretation als sirenenhaftes Wassergeschöpf – die Romantiker. Robert Schumann wählte für Herzeleid allerdings keine Verse aus Hamlet, sondern ein Gedicht des schlesischen Lyrikers und Dramaturgen Titus Ullrich. Der belesene Schumann war ein großer Verehrer Ullrichs und traf ihn mehrfach in Berlin. Entstanden 1851, fängt Herzeleid im resignativ-grüblerischen Spätstil des Komponisten die letzten Momente Ophelias, der „unglücksel’gen Träumerin“, ein. Wolfgang Rihms Zyklus Ophelia Sings von 2012 folgt zwar der psychopathologischen Fin-de-siècle-Sichtweise der Figur als Hysterikerin, überrascht aber in Tomorrow Is Saint Valentine’s Day mit einem kabarett-nahen Tonfall, der an das Nebeneinander von Unterhaltung und Drama bei Shakespeare erinnert.
Von Roger Quilter stammen einige der schönsten englischen Kunstlieder. Seine Shakespeare Songs von 1933 beinhalten auch einen Text aus Hamlet: Ophelias How Should I Your True Love Know, das erste ihrer fünf „Wahnsinnslieder“. Den gleichen Text vertonte auch Johannes Brahms in deutscher Übersetzung als Wie erkenn ich dein Treulieb. Seine Ophelia-Lieder entstanden 1873 als zu Lebzeiten unveröffentlichtes Gelegenheitswerk für die österreichische Schauspielerin Olga Precheisen anlässlich einer Hamlet-Aufführung in Prag. Vermittler war der Burgschauspieler Josef Lewinsky, den Brahms durch Clara Schumann kennengelernt hatte. Lewinsky bat Brahms ausdrücklich um „parlando-Gesänge“ für die junge Schauspielerin. In ihrer Schmucklosigkeit lassen sie Anklänge an elisabethanische Lautenlieder aufscheinen. Brahms’ zurückhaltende Musikalisierung setzt sich deutlich ab von der Interpretation der Figur als Virtuosin des Wahnsinns, wie sie noch in Richard Strauss’ Drei Liedern der Ophelia von 1918 aufscheint: Ophelias sich verdüsternde geistige Verfassung schlägt plötzlich um in einen verrückten Walzer. Camille Saint-Saëns wählte für sein La Mort d’Ophélie die auch von Berlioz vertonten Verse des französischen Dramatikers Ernest Legouvé, dem man ein besonderes Einfühlungsvermögen für weibliche Charaktere nachsagte. Legouvé formt hier die Worte von Hamlets Mutter Gertrude nach, die von Ophelias Tod berichtet. Saint-Saëns’ Vertonung aus den 1850er Jahren ist von rastloser Bewegung im Klavierpart gekennzeichnet, die die Wellen des Wassers und die aufgewühlte Verfassung Ophelias widerspiegeln. „Saint-Saëns’ Version ist die perfekte Umsetzung des bekannten Bildes der im Wasser treibenden Ophelia“, sagt Karg. „Strauss dagegen kostet ihre Verrücktheit aus. Ich möchte das mit stimmlichen Mitteln akzentuieren, zum Beispiel mit sehr fahlen, bleichen Farben oder geraden Tönen ohne Vibrato.“
Als Märtyrerin verklärt
Mit Robert Schumanns Gedichten der Königin Maria Stuart wenden sich Christiane Karg und Malcolm Martineau einer dritten Frauenfigur zu, die in der Romantik intensiv rezipiert wurde. Schumanns letzter Liederzyklus ist von sparsamer Strenge gekennzeichnet. Entstanden im Dezember 1852, fällt die Komposition in die Zeit seiner zunehmenden Schwierigkeiten als Musikdirektor in Düsseldorf. Schumanns Gesundheit war angegriffen, er berichtete von einer „tiefen Nervenstimmung“. So mögen ihm die von Verbannung und Todesfurcht sprechenden Gedichte der Maria Stuart besonders nahe gewesen sein. Schumann entnahm sie einer Sammlung des Dichters und Shakespeare-Forschers Gisbert von Vincke. Nur zwei der Texte gehen direkt auf die schottische Königin zurück, deren Schicksal die Herzen entzündete und die als schöne Märtyrerin verklärt wurde: Nach dem frühen Tod ihres Gatten Franz II. nahm die junge Maria Abschied von Frankreich und kehrte in ihre Heimat Schottland zurück. Ihre neuen Ehen bewahrten sie nicht vor Intrigen. Sie suchte Hilfe bei ihrer Cousine, der englischen Königin Elisabeth I., obwohl sie deren Thron beanspruchte. Elisabeths Berater ließen Maria 18 Jahre lang einsperren und schließlich 1587 hinrichten. Das romantisch idealisierte Bild und die Frömmigkeit der katholischen Königin kommen in Schumanns choralhaften Vertonungen ebenso zum Ausdruck wie ihre resignative Abschiedsstimmung und die zwischen Gefasstheit und Verzweiflung schwankende Selbstreflexion. Veröffentlicht wurden die Lieder erst 1855, als Schumann bereits in der Nervenheilanstalt Endenich lebte.
Auf Vinckes Gedichtanthologie Rose und Distel: Poesien aus England und Schottland griff auch Joachim Raff für seinen 1872 entstandenen zehnteiligen Zyklus Maria Stuart zurück. Christiane Karg präsentiert daraus eine Auswahl, die die melodische Begabung des Komponisten wirkungsvoll zeigt. Der aus der Schweiz stammende Raff nahm eine Mittlerstellung zwischen den „Neudeutschen“ um Liszt und Wagner und den Bewahrern einer an Mendelssohn geschulten Tradition ein.
Die Gegenüberstellung der beiden Versionen zeigt verschiedene Facetten der Figur, erläutert Karg: „Bei Schumann erleben wir eine reife Frau, die auf ihr Leben zurückblickt. Dabei war Maria Stuart sehr jung, mit 17 wurde sie das erste Mal Witwe, mit 25 hatte sie ihr Leben eigentlich gelebt. Raff zeigt uns eine junge Frau mit großen Leidenschaften, in einer geradezu irrsinnigen Liebe, wobei sie trotzdem in einen Mord verwickelt ist. Sie ist nicht nur Opfer, sondern strebt nach Macht und hat Blut an ihren Händen. Diese Zerrissenheit beleuchten auch die Texte aus Stefan Zweigs Maria Stuart-Biografie, die Helmut Mooshammer liest.“
Eine andere Maria aus der englischen Geschichte stellt der Amerikaner Horatio Parker in seinen Two Songs from Tennyson’s „Queen Mary“ von 1904 vor: die „Bloody Mary“ genannte Tudor-Königin Maria I., eine Halbschwester ihrer Nachfolgerin Elisabeth I. Ihr widmete Alfred Lord Tennyson 1875 ein Drama, das nicht nur Parker, sondern auch Edward Elgar inspirierte. Der Herausgeber der deutschen Übersetzung verwechselte allerdings die Tudor-Monarchin mit Maria Stuart. Doch der elegische Lute Song passt auch gut zum Schicksal der hingerichteten schottischen Königin: „O low, my lute! we fade and are forsaken.“
Dr. Kerstin Schüssler-Bach arbeitete als Opern- und Konzertdramaturgin in Köln, Essen und Hamburg und hatte Lehraufträge an der Musikhochschule Hamburg und der Universität Köln inne. Beim Musikverlag Boosey & Hawkes in Berlin ist sie als Head of Composer Management tätig. Sie schreibt regelmäßig für die Berliner Philharmoniker, die Elbphilharmonie Hamburg, das Lucerne Festival und das Gewandhausorchester Leipzig. 2022 erschien ihre Monographie über die Dirigentin Simone Young.

Christiane Karg
Sopran
Die im bayerischen Feuchtwangen geborene Christiane Karg erhielt ihre Ausbildung am Mozarteum in Salzburg bei Heiner Hopfner und Wolfgang Holzmair. Noch während ihres Studiums debütierte sie bei den Salzburger Festspielen, wo sie seither regelmäßiger Gast ist. Weltweit gastiert sie an den bedeutendsten Bühnen wie der Wiener und der Bayerischen Staatsoper, der Mailänder Scala, dem Londoner Royal Opera House, der Lyric Opera Chicago, der Metropolitan Opera in New York und der Staatsoper Unter den Linden in Berlin, wo sie zuletzt in der Titelpartie von Dvořáks Rusalka zu erleben war. Zu ihren wichtigsten Partien zählen außerdem Mozarts Susanna, Gräfin Almaviva, Pamina und Fiordiligi, Strauss’ Sophie und Daphne, Debussys Mélisande, Micaela in Bizets Carmen und Blanche in Poulencs Dialogues des Carmélites. In der Oper und auf dem Konzertpodium arbeitete sie mit Dirigenten wie Daniel Barenboim, Christian Thielemann, Riccardo Muti, Zubin Mehta, Yannick Nézet-Séguin, Daniel Harding, Christoph Eschenbach, Semyon Bychkov, Herbert Blomstedt, Nikolaus Harnoncourt und Mariss Jansons zusammen. Einen besonderen Schwerpunkt ihrer Tätigkeit bilden Liederabende. Regelmäßig ist sie im Musikverein und Konzerthaus in Wien, in der Londoner Wigmore Hall, bei der Schubertiade in Schwarzenberg-Hohenems und auch im Pierre Boulez Saal zu erleben. Als künstlerische Leiterin des Festivals KunstKlang konzipiert und verantwortet Christiane Karg seit einigen Jahren eine eigene Konzertreihe in ihrer Heimatstadt. Außerdem engagiert sie sich in der Musikvermittlung für Kinder und Jugendliche.
April 2025

Malcolm Martineau
Klavier
Malcolm Martineau erhielt seine Ausbildung am St. Catharine’s College in Cambridge und am Royal College of Music in London. Zu seinen künstlerischen Partner:innen der Gegenwart und Vergangenheit zählen neben Christiane Karg u.a. Dame Janet Baker, Barbara Bonney, Ian Bostridge, Susan Graham, Thomas Hampson, Magdalena Kožená, Dame Felicity Lott, Anna Netrebko, Bryn Terfel und Anne Sofie von Otter. Er gastierte an der Carnegie Hall in New York, an der Mailänder Scala, im Concertgebouw Amsterdam, im Konzerthaus und der Philharmonie in Berlin, im Wiener Konzerthaus und Musikverein und vielen anderen bedeutenden Konzertsälen. In London gestaltete er an der Wigmore Hall mehrere eigene Konzertreihen, und beim Edinburgh Festival brachte er sämtliche Lieder Hugo Wolfs zur Aufführung. Er ist zudem regelmäßiger Gast bei den Festivals in Salzburg, Aix-en-Provence und Wien sowie bei der Schubertiade Schwarzenberg-Hohenems. Unter seinen zahlreichen Aufnahmen, die u.a. mit dem Gramophone Award, dem Grammy Award und dem BBC Music Magazine Award ausgezeichnet wurden, finden sich Gesamteinspielungen der Folk Songs von Benjamin Britten und der Lieder von Gabriel Fauré, Francis Poulenc und Henri Duparc. Malcolm Martineau ist Professor an der Royal Academy of Music in London sowie Ehrendoktor und International Fellow of Accompaniment am Royal Conservatoire of Scotland.
April 2025

Helmut Mooshammer
Rezitation
Helmut Mooshammer wurde in der Steiermark geboren und absolvierte zunächst ein Lehramtsstudium, bevor er 1977 seine Schauspielausbildung am Bruckner-Konservatorium in Linz begann. Nach Engagements an den Theatern in Münster, Konstanz, Kassel und Düsseldorf gehörte von 2000 bis 2009 dem Ensemble des Hamburger Thalia Theaters an, wo er mit Regisseuren wie Jürgen Gosch, Einar Schleef, Andreas Kriegenburg und Dimiter Gotscheff zusammenarbeitete. Im Anschluss wechselte er ans Deutsche Theater Berlin, dem er bis heute eng verbunden ist; zu seinen künstlerischen Partner:innen zählen hier Kirill Serebrennikov, Jette Steckel, Jorinde Dröse, Bastian Kraft, Hasko Weber, Jürgen Kuttner und andere. Mit der Produktion Väter und Söhne in der Regie von Daniela Löffner wurde er 2016 zum Berliner Theatertreffen eingeladen und gewann 2017 den Publikumspreis der Siegener Biennale. Bei den Salzburger Festspielen war Helmut Mooshammer in der Vergangenheit als Diomedes in Kleists Penthesilea (Regie: Stephan Kimmig), Cléante in Molières Tartuffe (Regie: Dimiter Gotscheff) und in Hugo von Hofmannsthals Jedermann zu Gast. Er unterrichtet an der Folkwang Universität der Künste in Essen, der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg und an der Universität der Künste in Berlin.
April 2025