Denis Kozhukhin Klavier

Programm

Jörg Widmann
Idyll und Abgrund
Sechs Schubert-Reminiszenzen für Klavier

Franz Schubert
Klaviersonate G-Dur D 894

György Ligeti
L’Escalier du diable 
aus Études pour piano

Franz Liszt
Klaviersonate h-moll S 178

Jörg Widmann (*1973)
Idyll und Abgrund
Sechs Schubert-Reminiszenzen für Klavier (2009)

I. Irreal, von fern
II. Allegretto, un poco agitato
III. Wie eine Spieluhr
IV. Scherzando
V. Viertel = 50
VI. Traurig, desolat

 

Franz Schubert (1797–1828)
Klaviersonate G-Dur D 894 (1826)

I. Molto moderato e cantabile
II. Andante
III. Menuetto. Allegro moderato – Trio
IV. Allegretto

 


Pause

 


György Ligeti (1923–2006)
L’Escalier du diable 
aus Études pour piano (1988–94)

 

Franz Liszt (1811–1886)
Klaviersonate h-moll S 178 (1852–53)

Lento assai – Allegro energico – Grandioso – Allegro energico – Recitativo ritenuto –
Andante sostenuto – Quasi adagio –
Allegro energico – Più mosso – Stretta (quasi presto) – Prestissimo –
Allegro moderato – Lento assai

Jörg Widmann (*1973)
Idyll und Abgrund
Sechs Schubert-Reminiszenzen für Klavier (2009)

I. Irreal, von fern
II. Allegretto, un poco agitato
III. Wie eine Spieluhr
IV. Scherzando
V. Viertel = 50
VI. Traurig, desolat

 

Franz Schubert (1797–1828)
Klaviersonate G-Dur D 894 (1826)

I. Molto moderato e cantabile
II. Andante
III. Menuetto. Allegro moderato – Trio
IV. Allegretto

 


Pause

 


György Ligeti (1923–2006)
L’Escalier du diable 
aus Études pour piano (1988–94)

 

Franz Liszt (1811–1886)
Klaviersonate h-moll S 178 (1852–53)

Lento assai – Allegro energico – Grandioso – Allegro energico – Recitativo ritenuto –
Andante sostenuto – Quasi adagio –
Allegro energico – Più mosso – Stretta (quasi presto) – Prestissimo –
Allegro moderato – Lento assai


Jörg Widmann (© Marco Borggreve)

Idyll und Abgrund

„Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen: so unbildlich und real fällt sie in uns ein.“ Diese Worte Theodor W. Adornos stellte Jörg Widmann dem Werkkommentar zu seinen „Schubert-Reminiszenzen“ Idyll und Abgrund voran. In Denis Kozhukhins Soloabend ist dies nicht nur der Titel eines Klavierwerks, sondern auch das Motto für ein Programm, das emotionale Höhenflüge wie tiefe Einbrüche bietet.

Essay von Anne do Paço

Idyll und Abgrund
Klavierwerke von Schubert, Liszt, Ligeti und Widmann

Anne do Paço


„Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen: so unbildlich und real fällt sie in uns ein.“ Diese Worte Theodor W. Adornos stellte Jörg Widmann dem Werkkommentar zu seinen „Schubert-Reminiszenzen“ Idyll und Abgrund voran. Heute Abend ist dies nicht nur der Titel eines Klavierwerks, sondern auch das Motto für ein Programm, das emotionale Höhenflüge wie tiefe Einbrüche bietet.


„…in die entlegensten Regionen der Seele“


Jörg Widmann ist ein Musiker im umfassendsten Sinn des Wortes, wie es sie nicht oft gibt: Einer der herausragenden Klarinettisten unserer Zeit, als Komponist und seit einigen Jahren auch als Dirigent eine der wichtigen Stimmen in der internationalen Musiklandschaft. Als Pädagoge lässt er Menschen an seinem künstlerischen Kosmos teilhaben – u.a. als Professor für Komposition an der Barenboim-Said Akademie. Aber auch mit Komponisten der Vergangenheit tritt er immer wieder in einen imaginären Dialog: Mozart, Beethoven, Schumann, Brahms und gleich mehrfach Schubert widmete er eine ganze Serie an musikalischen Hommagen, zu denen auch die sechs Klavierstücke Idyll und Abgrund aus dem Jahr 2009 zählen, mit denen Widmann dem für Schubert so typischen, „stets gefährdeten Flug zwischen Himmel und Hölle, Paradies und dunkelsten Angstzuständen“ nachspürt. Anklänge an Schubert – an seine Lieder, seine Tänze, seine Harmonien, die selbst in der ausgelassensten Freude noch Melancholie durchzieht – erscheinen wie durch einen trüben Filter, in einem verblichenen Spiegel, wie Echos aus einer längst vergangenen Zeit, Erinnerungen, die kurz aufblitzen, sich aber zu keinem Gesamtbild mehr fügen. Eine Aura von Sehnsucht eignet Widmanns Miniaturen. Die Entfremdung ist dabei eine doppelte: Die Schuberts Musik so tief prägende Diskrepanz zwischen kalter Realität und dem Träumen von einer anderen Welt wird durch die historische Entrückung noch verstärkt.

„Irreal, von fern“ setzt das erste Stück ein. Zwischen tiefernsten, dissonanten Sekundclustern im Bass und dem oberen Register sucht sich eine chromatische Melodie zögernd ihren Weg, auf dem bereits eine Dur-Terz-Wendung ausreicht, um „Schubert“ zu evozieren. Voller dynamischer Kontraste geraten die Reminiszenzen im Allegretto un poco agitato dann in Störfelder hinein, aus denen die Melodie nur einmal freikommt und aufblühen kann. Im dritten Stück ist es eine Spieluhr, die schon zu lange gelaufen ist, die nur mehr einzelne, allem metrischen Maß enthobene Töne hervorbringt, bevor ein Scherzando sich voller Humor und Tanzrhythmen mitten hineinwirft in wienerische Ausgelassenheit. Heurigen-Musik klingt an, pfeifend folgt der Pianist einer Figuration wie einem Gassenhauer, doch auch hier bricht zwischen der Fröhlichkeit immer auch Nachdenklichkeit hervor. Emotionen wie Wut und Wahnsinn im fünften Stück weichen schlussendlich einem Gefühl von tiefer Tragik und Verlust. „Traurig, desolat“ beschließt Widmann Idyll und Abgrund mit einem Zitat des Beginns der Klaviersonate B-Dur D 960, zu der er seinen Zyklus ursprünglich als Vorspiel konzipiert hatte – und antwortet auf die Frage, wieso er so besessen von Schubert sei: „Vor Freud […], vor Mahler war Schubert derjenige, der am weitesten in die entlegensten Regionen unserer Seele vordrang. Es ist beängstigend, dort zu sein, aber er leitet uns mit der äußersten Schönheit und dem idyllischen Charakter seiner Musik – wobei der Abgrund jedoch stets präsent ist.“


Suche nach der befreiten Zeit


„Sind wir bei dieser Komposition länger verweilt, als es im Andrange von Novitäten bei anderen dieser Gattung gewöhnlich geschieht und geschehen kann: so halten wir uns für gerechtfertigt dadurch, dass sie selbst keine gewöhnliche ist“, war 1827 kurz nach Erscheinen von Schuberts Klaviersonate G-Dur D 894 in der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung zu lesen. Und wird die Sonate auch gerne als „heiter“ beschrieben, so handelt es sich in der Tat um ein ungewöhnliches Werk, was sich bereits in der Wahl des Titels zeigt, den der Verleger Tobias Haslinger für seine erste Druckausgabe wählte: Nicht wie in Schuberts Manuskript als „IV. Sonate fürs Pianoforte allein“ bezeichnet brachte er sie heraus, sondern als „Fantasie“ – eine irreführende Bezeichnung, denn nicht in ihrer Form zeigt die Partitur ihre Freiheiten, sondern im Hinblick auf ihre Themencharaktere, motivisch-thematische Arbeit und Schlusswirkungen.

Der Kopfsatz hebt zögernd in Doppelpunktierungen an. Das Seitenthema drängt zwar stärker nach vorne, bildet aber keinen wirklichen Kontrast, sondern erscheint als Ableitung aus dem ersten Gedanken. Der Schwerpunkt liegt hier nicht auf griffiger thematischer Formung, sondern auf der Öffnung eines Klangraums, in dem die schlichte Melodie „molto moderato e cantabile“ stufenweise auf- und absteigt. Erst in der Durchführung kommt es zu größerer dynamischer Entfaltung. Die Reprise greift das eingangs exponierte Klangfeld in einer loop-artigen Struktur wieder auf, beraubt es aber der Melodie und damit aller Energie. Dialektische Themenkonfrontation ist durch Kraftfelder ersetzt, die ihre Energie aus dem Prinzip der Wiederholung gewinnen. An die Stelle von Entwicklung tritt Reihung, durch Mikrovariationen und verschiedene harmonische Einfärbungen erscheint das musikalische Material in immer neuen Beleuchtungen. Bewusste Gestaltung von Zeit ersetzt Schubert – so der Komponist Dieter Schnebel – durch die „Suche nach der befreiten Zeit“.

Im liedhaft beginnenden Andante schaffen Abschnitte in h- und d-moll scharfe Kontraste, deren unversöhnlicher Charakter auch das Menuett prägt, das erst im Trio zu einer idyllischen Unbeschwertheit findet. Das Finale greift mit seinen Repetitionen zunächst die Atmosphäre des Menuetts auf. In einer weiträumigen harmonischen Anlage folgen von einer Ecossaise inspirierte tänzerische Episoden, deren Fröhlichkeit aber ebenfalls nicht von Dauer ist. Am Ende zieht sich die Musik in sich selbst zurück – in Dynamik und Tempo wie die vorangegangenen Sätze verklingend. Robert Schumann, der von Schuberts G-Dur-Sonate zutiefst fasziniert war, sprach über dieses Allegretto die Warnung aus: „Vom letzten Satz bleibe weg, der keine Fantasie hat, seine Rätsel zu lösen.“


Auf der Treppe des Teufels


Als Ergebnis seines eigenen „Unvermögens“ beschrieb György Ligeti seine 18 zwischen 1985 und 2001 entstandenen Klavieretüden: „Der auslösende Umstand war vor allem meine ungenügende pianistische Technik.“ Was der Ungar, der 1956 aus seiner Heimat zunächst nach Wien, dann nach Deutschland geflüchtet war und ein so vielfältiges, keiner Richtung der Nachkriegsavantgarde zuzuordnendes Œuvre geschaffen hatte, dann allerdings mit seinen Études vorlegte, waren sehr viel mehr als Fingerübungen. Ausgehend von Vorbildern wie Scarlatti, Chopin, Schumann und Debussy schuf Ligeti ein Kompendium des Klavierspiels im 20. Jahrhundert, Etüden nicht nur „im pianistischen“, sondern – so Ligeti – auch „im kompositorischen Sinne. […] Sie gehen stets von einem sehr einfachen Kerngedanken aus und führen vom Einfachen ins Hochkomplexe: Sie verhalten sich wie wachsende Organismen.“

Kerngedanke der Etüde Nr. 13 mit dem Titel L’Escalier du diable ist für Ligeti, der sich intensiv auch mit Mathematik und Geometrie auseinandersetzte, die mathematische Cantor-Funktion, die auch Teufelstreppe genannt wird – ein Fraktal, das durch nichtlineare dynamische Systeme demonstriert wird, in denen eine Veränderung in einem beliebigen Teil das Verhalten des gesamten Systems beeinflussen kann. Entsprechend bedient sich der Komponist einer chromatischen Gesamtmasse an Tönen, mit der er in Form einer Toccata und in aufsteigenden, immer wieder von Plateaus durchbrochenen Sequenzen nach und nach die gesamte Tastatur bespielt. Die Klangdichte nimmt dabei von einem einzelnen bis zu 15 gleichzeitig erklingenden Tönen immer weiter zu, der dynamische Bogen reicht vom vierfachen Pianissimo zum achtfachen Fortissimo, unterschiedlicher Pedaleinsatz führt zudem zu einer reichen Klanggestaltung.

Das Bezwingen des L’Escalier du diable gleicht einer Sisyphos-Arbeit – eine ebenso faszinierende wie erschöpfende pianistische Tour de force, wie gefangen in einem der ausgangslosen, labyrinthischen Räume Maurits Eschers.


Visionäre Fantasie einer Sonate


Aus abgründigen Tiefen zu hymnischer Verklärung und träumerischer Idylle steigt die einzige Klaviersonate Franz Liszts auf. Lange hatte der sonst so selbstbewusst auftretende Virtuose als Komponist einen Bogen um diese Gattung gemacht. Als er sich zwischen 1849 und 1853 dann schließlich der Herausforderung stellte, brachte das Resultat nicht nur den Widmungsträger Robert Schumann in Verlegenheit. „Das ist nur noch blinder Lärm – kein gesunder Gedanke mehr, alles verwirrt, eine klare Harmoniefolge ist da nicht mehr herauszufinden!“, notierte dessen Frau Clara am 25. Mai 1854. Und noch fast drei Jahrzehnte später schrieb Eduard Hanslick: „Nie habe ich ein raffinierteres, frecheres Aneinanderfügen der disparatesten Elemente erlebt – so wüstes Toben, einen so blutigen Kampf gegen alles, was musikalisch ist.“

Liszts h-moll-Sonate besteht aus nur einem einzigen Satz von 760 Takten und mehr als 30 Minuten Spieldauer. Man kann aus ihm eine dreisätzige Sonaten-Architektur ebenso herauslesen wie die Anlage eines gewaltigen Sonatenhauptsatzes. Immer wieder ist auch versucht worden, das musikalische Geschehen mit einem außermusikalischen Programm zu erklären: als zerrissenes Selbstportrait des Komponisten, als Faust-Sonate, deren Themen die Auseinandersetzungen zwischen der Faust, Gretchen und Mephisto nachzeichnen, oder als symphonische Dichtung nach Miltons Paradise Lost – Deutungsansätze, zu denen es von Liszt selbst keinerlei Hinweise gibt.

Ungewöhnlich ist bereits die Themenaufstellung. Ein erster Gedanke im ungeraden Umfang von sieben Takten eröffnet das Werk in zunächst klopfenden, dann absteigenden hohlen Oktaven (er wird die Sonate später mit einer ebenso gespenstisch-fahlen Klangwirkung beschließen). Das folgende Thema in Doppeloktaven stürzt zunächst mit einem kühnen Sprung abwärts und geht dann in ein dissonantes Septimen-Arpeggio über. Ein weiteres Klopfmotiv hämmert staccato im Bass. Aus diesen drei Themen knüpft Liszt im Folgenden, das Prinzip der Metamorphose nutzend, ein Netz an vielfältigen Beziehungen. Über einer aus pulsierenden Akkorden gewobenen Klangfläche erhebt sich schließlich eine einzelne Stimme wie eine hymnische Anrufung – und vermag im weiteren Verlauf selbst das düstere Hammerschlagmotiv, das auch in eine elaborierte Fuge verwickelt wird, in eine Kantabilität zu überführen, die einem weiteren, fünften Thema aufs Schönste zur Seite steht: dem Entwurf einer feinen Fis-Dur-Idylle, entsprungen der Welt von Liszts Liebesträumen. Es ist ein monumentales Gebäude, das Liszt mit seiner Sonate errichtet, für die er nicht zuletzt auch eine besondere Tonart wählte: in seiner Instrumentationslehre von 1856 beschrieb Hector Berlioz h-moll als „sehr vollklingend“, aber auch als „wild, herb, finster, brutal“.

Mit ihren immensen technischen Schwierigkeiten zählt das Werk nicht nur zu den größten Herausforderungen für alle Pianist:innen. In Form und Anspruch steht es in der Musiklandschaft des 19. Jahrhunderts singulär da – als künstlerisches Wechselbad der Emotionen zwischen Abgrund und Idyll, als visionäre Fantasie einer Sonate.


Anne do Paço studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Germanistik in Berlin. Nach Engagements am Staatstheater Mainz und der Deutschen Oper am Rhein ist sie seit September 2020 Chefdramaturgin des Wiener Staatsballetts. Sie veröffentlichte Aufsätze zur Musik- und Tanzgeschichte des 19. bis 21. Jahrhunderts und war als Autorin u.a. für die Kammerphilharmonie Bremen, das Wiener Konzerthaus und die Opéra National de Paris tätig.


Idyll und Abgrund
Klavierwerke von Schubert, Liszt, Ligeti und Widmann

Anne do Paço


„Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen: so unbildlich und real fällt sie in uns ein.“ Diese Worte Theodor W. Adornos stellte Jörg Widmann dem Werkkommentar zu seinen „Schubert-Reminiszenzen“ Idyll und Abgrund voran. Heute Abend ist dies nicht nur der Titel eines Klavierwerks, sondern auch das Motto für ein Programm, das emotionale Höhenflüge wie tiefe Einbrüche bietet.


„…in die entlegensten Regionen der Seele“


Jörg Widmann ist ein Musiker im umfassendsten Sinn des Wortes, wie es sie nicht oft gibt: Einer der herausragenden Klarinettisten unserer Zeit, als Komponist und seit einigen Jahren auch als Dirigent eine der wichtigen Stimmen in der internationalen Musiklandschaft. Als Pädagoge lässt er Menschen an seinem künstlerischen Kosmos teilhaben – u.a. als Professor für Komposition an der Barenboim-Said Akademie. Aber auch mit Komponisten der Vergangenheit tritt er immer wieder in einen imaginären Dialog: Mozart, Beethoven, Schumann, Brahms und gleich mehrfach Schubert widmete er eine ganze Serie an musikalischen Hommagen, zu denen auch die sechs Klavierstücke Idyll und Abgrund aus dem Jahr 2009 zählen, mit denen Widmann dem für Schubert so typischen, „stets gefährdeten Flug zwischen Himmel und Hölle, Paradies und dunkelsten Angstzuständen“ nachspürt. Anklänge an Schubert – an seine Lieder, seine Tänze, seine Harmonien, die selbst in der ausgelassensten Freude noch Melancholie durchzieht – erscheinen wie durch einen trüben Filter, in einem verblichenen Spiegel, wie Echos aus einer längst vergangenen Zeit, Erinnerungen, die kurz aufblitzen, sich aber zu keinem Gesamtbild mehr fügen. Eine Aura von Sehnsucht eignet Widmanns Miniaturen. Die Entfremdung ist dabei eine doppelte: Die Schuberts Musik so tief prägende Diskrepanz zwischen kalter Realität und dem Träumen von einer anderen Welt wird durch die historische Entrückung noch verstärkt.

„Irreal, von fern“ setzt das erste Stück ein. Zwischen tiefernsten, dissonanten Sekundclustern im Bass und dem oberen Register sucht sich eine chromatische Melodie zögernd ihren Weg, auf dem bereits eine Dur-Terz-Wendung ausreicht, um „Schubert“ zu evozieren. Voller dynamischer Kontraste geraten die Reminiszenzen im Allegretto un poco agitato dann in Störfelder hinein, aus denen die Melodie nur einmal freikommt und aufblühen kann. Im dritten Stück ist es eine Spieluhr, die schon zu lange gelaufen ist, die nur mehr einzelne, allem metrischen Maß enthobene Töne hervorbringt, bevor ein Scherzando sich voller Humor und Tanzrhythmen mitten hineinwirft in wienerische Ausgelassenheit. Heurigen-Musik klingt an, pfeifend folgt der Pianist einer Figuration wie einem Gassenhauer, doch auch hier bricht zwischen der Fröhlichkeit immer auch Nachdenklichkeit hervor. Emotionen wie Wut und Wahnsinn im fünften Stück weichen schlussendlich einem Gefühl von tiefer Tragik und Verlust. „Traurig, desolat“ beschließt Widmann Idyll und Abgrund mit einem Zitat des Beginns der Klaviersonate B-Dur D 960, zu der er seinen Zyklus ursprünglich als Vorspiel konzipiert hatte – und antwortet auf die Frage, wieso er so besessen von Schubert sei: „Vor Freud […], vor Mahler war Schubert derjenige, der am weitesten in die entlegensten Regionen unserer Seele vordrang. Es ist beängstigend, dort zu sein, aber er leitet uns mit der äußersten Schönheit und dem idyllischen Charakter seiner Musik – wobei der Abgrund jedoch stets präsent ist.“


Suche nach der befreiten Zeit


„Sind wir bei dieser Komposition länger verweilt, als es im Andrange von Novitäten bei anderen dieser Gattung gewöhnlich geschieht und geschehen kann: so halten wir uns für gerechtfertigt dadurch, dass sie selbst keine gewöhnliche ist“, war 1827 kurz nach Erscheinen von Schuberts Klaviersonate G-Dur D 894 in der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung zu lesen. Und wird die Sonate auch gerne als „heiter“ beschrieben, so handelt es sich in der Tat um ein ungewöhnliches Werk, was sich bereits in der Wahl des Titels zeigt, den der Verleger Tobias Haslinger für seine erste Druckausgabe wählte: Nicht wie in Schuberts Manuskript als „IV. Sonate fürs Pianoforte allein“ bezeichnet brachte er sie heraus, sondern als „Fantasie“ – eine irreführende Bezeichnung, denn nicht in ihrer Form zeigt die Partitur ihre Freiheiten, sondern im Hinblick auf ihre Themencharaktere, motivisch-thematische Arbeit und Schlusswirkungen.

Der Kopfsatz hebt zögernd in Doppelpunktierungen an. Das Seitenthema drängt zwar stärker nach vorne, bildet aber keinen wirklichen Kontrast, sondern erscheint als Ableitung aus dem ersten Gedanken. Der Schwerpunkt liegt hier nicht auf griffiger thematischer Formung, sondern auf der Öffnung eines Klangraums, in dem die schlichte Melodie „molto moderato e cantabile“ stufenweise auf- und absteigt. Erst in der Durchführung kommt es zu größerer dynamischer Entfaltung. Die Reprise greift das eingangs exponierte Klangfeld in einer loop-artigen Struktur wieder auf, beraubt es aber der Melodie und damit aller Energie. Dialektische Themenkonfrontation ist durch Kraftfelder ersetzt, die ihre Energie aus dem Prinzip der Wiederholung gewinnen. An die Stelle von Entwicklung tritt Reihung, durch Mikrovariationen und verschiedene harmonische Einfärbungen erscheint das musikalische Material in immer neuen Beleuchtungen. Bewusste Gestaltung von Zeit ersetzt Schubert – so der Komponist Dieter Schnebel – durch die „Suche nach der befreiten Zeit“.

Im liedhaft beginnenden Andante schaffen Abschnitte in h- und d-moll scharfe Kontraste, deren unversöhnlicher Charakter auch das Menuett prägt, das erst im Trio zu einer idyllischen Unbeschwertheit findet. Das Finale greift mit seinen Repetitionen zunächst die Atmosphäre des Menuetts auf. In einer weiträumigen harmonischen Anlage folgen von einer Ecossaise inspirierte tänzerische Episoden, deren Fröhlichkeit aber ebenfalls nicht von Dauer ist. Am Ende zieht sich die Musik in sich selbst zurück – in Dynamik und Tempo wie die vorangegangenen Sätze verklingend. Robert Schumann, der von Schuberts G-Dur-Sonate zutiefst fasziniert war, sprach über dieses Allegretto die Warnung aus: „Vom letzten Satz bleibe weg, der keine Fantasie hat, seine Rätsel zu lösen.“


Auf der Treppe des Teufels


Als Ergebnis seines eigenen „Unvermögens“ beschrieb György Ligeti seine 18 zwischen 1985 und 2001 entstandenen Klavieretüden: „Der auslösende Umstand war vor allem meine ungenügende pianistische Technik.“ Was der Ungar, der 1956 aus seiner Heimat zunächst nach Wien, dann nach Deutschland geflüchtet war und ein so vielfältiges, keiner Richtung der Nachkriegsavantgarde zuzuordnendes Œuvre geschaffen hatte, dann allerdings mit seinen Études vorlegte, waren sehr viel mehr als Fingerübungen. Ausgehend von Vorbildern wie Scarlatti, Chopin, Schumann und Debussy schuf Ligeti ein Kompendium des Klavierspiels im 20. Jahrhundert, Etüden nicht nur „im pianistischen“, sondern – so Ligeti – auch „im kompositorischen Sinne. […] Sie gehen stets von einem sehr einfachen Kerngedanken aus und führen vom Einfachen ins Hochkomplexe: Sie verhalten sich wie wachsende Organismen.“

Kerngedanke der Etüde Nr. 13 mit dem Titel L’Escalier du diable ist für Ligeti, der sich intensiv auch mit Mathematik und Geometrie auseinandersetzte, die mathematische Cantor-Funktion, die auch Teufelstreppe genannt wird – ein Fraktal, das durch nichtlineare dynamische Systeme demonstriert wird, in denen eine Veränderung in einem beliebigen Teil das Verhalten des gesamten Systems beeinflussen kann. Entsprechend bedient sich der Komponist einer chromatischen Gesamtmasse an Tönen, mit der er in Form einer Toccata und in aufsteigenden, immer wieder von Plateaus durchbrochenen Sequenzen nach und nach die gesamte Tastatur bespielt. Die Klangdichte nimmt dabei von einem einzelnen bis zu 15 gleichzeitig erklingenden Tönen immer weiter zu, der dynamische Bogen reicht vom vierfachen Pianissimo zum achtfachen Fortissimo, unterschiedlicher Pedaleinsatz führt zudem zu einer reichen Klanggestaltung.

Das Bezwingen des L’Escalier du diable gleicht einer Sisyphos-Arbeit – eine ebenso faszinierende wie erschöpfende pianistische Tour de force, wie gefangen in einem der ausgangslosen, labyrinthischen Räume Maurits Eschers.


Visionäre Fantasie einer Sonate


Aus abgründigen Tiefen zu hymnischer Verklärung und träumerischer Idylle steigt die einzige Klaviersonate Franz Liszts auf. Lange hatte der sonst so selbstbewusst auftretende Virtuose als Komponist einen Bogen um diese Gattung gemacht. Als er sich zwischen 1849 und 1853 dann schließlich der Herausforderung stellte, brachte das Resultat nicht nur den Widmungsträger Robert Schumann in Verlegenheit. „Das ist nur noch blinder Lärm – kein gesunder Gedanke mehr, alles verwirrt, eine klare Harmoniefolge ist da nicht mehr herauszufinden!“, notierte dessen Frau Clara am 25. Mai 1854. Und noch fast drei Jahrzehnte später schrieb Eduard Hanslick: „Nie habe ich ein raffinierteres, frecheres Aneinanderfügen der disparatesten Elemente erlebt – so wüstes Toben, einen so blutigen Kampf gegen alles, was musikalisch ist.“

Liszts h-moll-Sonate besteht aus nur einem einzigen Satz von 760 Takten und mehr als 30 Minuten Spieldauer. Man kann aus ihm eine dreisätzige Sonaten-Architektur ebenso herauslesen wie die Anlage eines gewaltigen Sonatenhauptsatzes. Immer wieder ist auch versucht worden, das musikalische Geschehen mit einem außermusikalischen Programm zu erklären: als zerrissenes Selbstportrait des Komponisten, als Faust-Sonate, deren Themen die Auseinandersetzungen zwischen der Faust, Gretchen und Mephisto nachzeichnen, oder als symphonische Dichtung nach Miltons Paradise Lost – Deutungsansätze, zu denen es von Liszt selbst keinerlei Hinweise gibt.

Ungewöhnlich ist bereits die Themenaufstellung. Ein erster Gedanke im ungeraden Umfang von sieben Takten eröffnet das Werk in zunächst klopfenden, dann absteigenden hohlen Oktaven (er wird die Sonate später mit einer ebenso gespenstisch-fahlen Klangwirkung beschließen). Das folgende Thema in Doppeloktaven stürzt zunächst mit einem kühnen Sprung abwärts und geht dann in ein dissonantes Septimen-Arpeggio über. Ein weiteres Klopfmotiv hämmert staccato im Bass. Aus diesen drei Themen knüpft Liszt im Folgenden, das Prinzip der Metamorphose nutzend, ein Netz an vielfältigen Beziehungen. Über einer aus pulsierenden Akkorden gewobenen Klangfläche erhebt sich schließlich eine einzelne Stimme wie eine hymnische Anrufung – und vermag im weiteren Verlauf selbst das düstere Hammerschlagmotiv, das auch in eine elaborierte Fuge verwickelt wird, in eine Kantabilität zu überführen, die einem weiteren, fünften Thema aufs Schönste zur Seite steht: dem Entwurf einer feinen Fis-Dur-Idylle, entsprungen der Welt von Liszts Liebesträumen. Es ist ein monumentales Gebäude, das Liszt mit seiner Sonate errichtet, für die er nicht zuletzt auch eine besondere Tonart wählte: in seiner Instrumentationslehre von 1856 beschrieb Hector Berlioz h-moll als „sehr vollklingend“, aber auch als „wild, herb, finster, brutal“.

Mit ihren immensen technischen Schwierigkeiten zählt das Werk nicht nur zu den größten Herausforderungen für alle Pianist:innen. In Form und Anspruch steht es in der Musiklandschaft des 19. Jahrhunderts singulär da – als künstlerisches Wechselbad der Emotionen zwischen Abgrund und Idyll, als visionäre Fantasie einer Sonate.


Anne do Paço studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Germanistik in Berlin. Nach Engagements am Staatstheater Mainz und der Deutschen Oper am Rhein ist sie seit September 2020 Chefdramaturgin des Wiener Staatsballetts. Sie veröffentlichte Aufsätze zur Musik- und Tanzgeschichte des 19. bis 21. Jahrhunderts und war als Autorin u.a. für die Kammerphilharmonie Bremen, das Wiener Konzerthaus und die Opéra National de Paris tätig.



Beginn von Liszts h-moll-Sonate im Autograph des Komponisten

Affinities and Echoes

“Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust / Die eine will sich von der andern trennen…” In several of his compostions, Franz Liszt was drawn to the legend of Faust and the struggle of “two souls” within the same personality. But his music overall resonates with mirror states of idyll and abyss. In his solo recital, Denis Kozhukhin explores connections between works of Liszt and Schubert, as well as contemporaries György Ligeti and Jörg Widmann.

Program Note by Thomas May

Affinities and Echoes
Music by Schubert, Liszt, Ligeti, and Widmann

Thomas May


“Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust / Die eine will sich von der andern trennen…” Goethe’s famous image of “two souls” that struggle in conflict within the same personality conveys the agonizing experience his protagonist Faust undergoes as a result of perceiving his inner contradictions. Awareness of this tension—the essence of Romantic self-consciousness—was an inexhaustible source of fascination for Franz Liszt.

The polarizing public image of the pianist-composer fed off paradox. For many, his virtuosity as a keyboard superstar implied a pact with the devil, yet Liszt abandoned his touring career relatively early. When he took minor orders in the Catholic Church in 1865, the diarist Ferdinand Gregorovius remarked that he resembled “Mephistopheles disguised as an Abbé.”

In several key compositions, Liszt was drawn to the Faust legend in particular, with its profound exploration of the contradictoriness of human nature, but his music overall resonates with mirror states of idyll and abyss. It is no surprise that Liszt proved to be instrumental in promulgating Franz Schubert’s legacy to the Romantic generation, deeming him “the most poetical musician that ever was.” Liszt responded strongly to the contradictions—the sense of “two souls”—that he found in Schubert’s music. Denis Kozhukhin has chosen sonatas by these two composers as the pillars for his program, hinting at the affinities that captivated Liszt and that are further explored in the pieces by Jörg Widmann and György Ligeti that serve as provocative commentaries.


A Constantly Precarious Flight


“On hearing Schubert’s music, tears pour out of the eyes without ever having moved the soul, so literally and real does his music enter us,” observed Theodor W. Adorno in 1928. The observation is quoted by Widmann in the preface to his 2009 work Idyll and Abyss, an homage to Schubert that has parallels with similar compositions he has written in homage to Schumann and Brahms. Adorno’s statement “conveys the essential phenomenon of Schubert’s music in a nutshell,” according to Widmann. Two earlier pieces—Lied für Orchester and his Octet—likewise engage with Schubert’s legacy. All of these homages, Widmann writes, share the objective of trying “to capture this constantly precarious flight between heaven and hell, paradise and the very depths of anxiety, between idyll and abyss, in my own personal fashion.”
 
The subtitle, “Six Schubert Reminiscences,” points to the awareness of a “then and now” perspective in Widmann’s project. Far from attempts to emulate or ironize Schubert’s style, these compact miniatures paint a surreal collage of points of contact between his predecessor and the anxieties of our own playlist-curated era. Even Widmann’s quotes from across Schubert’s all-too-short career—including references to the Andante of the G major Sonata in No. 2—are filtered through dreamlike opacities. In the first piece, he already instructs the pianist to play in a manner that is “unreal, as if from afar.” There is an intensity even in the most playful, dance-inflected moments (in Nos. 2 and 4); the idyllic music-box innocence of No. 3 is mirrored by the violent clusters of No. 5, the abyss that stares back. The last part of the suite “recalls” the final Sonata in B-flat major as if unable to clear away the distortions separating us—and Schubert himself—from the idyll the music was meant to promise.


Sleepwalking with Schubert


In October 1826, several months after writing his last and most glorious String Quartet D 887 in G major, Schubert composed a large-scale piano sonata in the same key, returning to the genre after a hiatus of a little over a year. The G-major Sonata D 894 appeared in print during the composer’s lifetime, unlike the vast bulk of his music. In fact, this was only the third (and last) piano sonata Schubert succeeded in getting published; his final essays in the genre, the great trilogy of 1828 (D 958–960), would have to wait until after his death to be discovered—and a good deal longer to be properly appreciated.

When the G-major Sonata did appear in 1827, the first movement carried the publisher’s added-on title “Fantasie”—whether as an honest response to Schubert’s seemingly associative unfolding of musical ideas or as a marketing ploy to attract more interest from the public. This detail of its reception brings to mind the famous metaphor Alfred Brendel once conjured of Schubert as a musical “sleepwalker” whose compositions evoke “a passive state, a series of episodes communicating mysteriously with one another”—in contrast to his fellow Viennese Beethoven as the consummate architect in absolute control of his materials. Schubert, according to Brendel, “strides across harmonic abysses as though by compulsion, and we cannot help remembering that sleepwalkers never lose their step.”

The G-major Sonata has exercised a particularly magnetic hold on its admirers. Robert Schumann—like Liszt, an important early champion of Schubert—declared D 894 to be “the most perfect in form and substance” of the younger composer’s sonatas. Sviatoslav Richter cherished it as his favorite Schubert sonata; his extraordinary 1978 recording expands the already expansive first movement to unprecedented new limits. Schubert dedicated D 894 to Josef von Spaun, a close friend who helped with financial and moral support.

The improvisatory leisure evoked by the strolling chords that open the Sonata anticipates the corresponding movement of Schubert’s final Sonata in B flat while at the same time suggesting a kind of fantasy on the G-major chords that begin Beethoven’s Piano Concerto No. 4. The musicologist William Kinderman noted in Schubert’s music the role of a “wandering archetype,” which he relates to another contradiction inherent in the human condition: “the polarity between impersonal nature and the introspective individual human being.” Contrasts serve to evoke “the dichotomy of harsh reality and beautiful dreams familiar from the world of Schubert’s lieder,” he writes.

The patient rephrasing of elements of the Andante’s melody generates a special poignancy. But Schubert confronts this idyllic introspection with descents into the abyss through agitated interruptions in the minor, phrased with vehemence. The minuet startles with its shift to B minor, though this turns out to be a strangely playful deceptive detour enclosing, in the central trio, another more dreamlike idyll. The closing Allegretto discloses passing outbursts of disturbance that could hardly be anticipated from the cheerful demeanor of the main theme.


Diabolical Virtuosity 


Lurking behind the pedagogical pedigree of the etude is an image of a kind of solitary confinement in pursuit of an idealistic goal, a lonely Gradus ad Parnassum that seeks to transcend human imperfection but risks Sisyphean frustration. Or so it might seem in the case of György Ligeti’s L’Escalier du diable, the longest of the cycle of 18 études he composed between 1985 and 2001—and (naturally) No. 13 in sequence.

Ligeti wrote that the impetus to contribute to the genre immortalized by the likes of Chopin and Debussy was simply “my own inadequate piano technique.” He compared this endeavor to the painter Paul Cézanne’s attempt to come to terms with his difficulties in rendering perspective. “That’s what I would like to achieve: the transformation of inadequacy into professionalism.”

The pianist Pierre-Laurent Aimard, to whom Ligeti dedicated two of the études, reported that the composer found his initial inspiration for “The Devil’s Staircase” when a violent storm suddenly burst out as he was trying to ride his bicycle uphill. With its complex rhythmic cycles, repeated chromatic ascents (as if attempting to scale a wall), and climax on an octuple forte (ffffffff), this étude is a study in extremities—including an exaggeration of the Romantic trope of diabolical virtuosity, which not even the imitation of ringing church bells at the end can exorcise.


A Metaphysical Drama for the Keyboard


A product of his Weimar period and one of only two works for solo piano that Franz Liszt published with the word “sonata” in the title (the other being the so-called “Dante” Sonata), the Sonata in B minor draws on the legacy of Beethoven’s late piano sonatas as probing metaphysical dramas. At the same time, Liszt adapted Classical form into a vehicle for the Romantic fixation on organic growth and metamorphosis. Using earlier sketches, he composed this Sonata in the winter of 1852–3 and dedicated the score to Robert Schumann.

From Liszt’s time up to today, a number of philosophical or literary narratives have been posited as the hidden program for the B-minor Sonata—Goethe’s Faust and humanity’s fall from Paradise being prime contenders—even though Liszt never explicitly offered one. But the interplay of his musical ideas traces its own cosmos of polarities, of idyll and abyss.

The work unfolds as one vast movement that can be parsed as encompassing a slow movement and a scherzo (in the form of a “diabolical” fugue) into its development section. A descending scalar theme in the slow prelude establishes an atmosphere of ominous brooding; this theme is used later to signal structural transitions. As the music accelerates, a restlessly striving theme is presented; later comes a majestic, soaring idea in D major. Through an ingenious alchemy, Liszt recombines and transforms the various themes across the Sonata, adding color and character through the variety of keyboard textures. The drama reaches cataclysmic extremes, but a serene coda allows for an ambiguous hint of redemption.


Thomas May is a writer, critic, educator, and translator whose work appears in The New York Times, Gramophone, and many other publications. The English-language editor for the Lucerne Festival, he also writes program notes for the Ojai Festival in California.


Affinities and Echoes
Music by Schubert, Liszt, Ligeti, and Widmann

Thomas May


“Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust / Die eine will sich von der andern trennen…” Goethe’s famous image of “two souls” that struggle in conflict within the same personality conveys the agonizing experience his protagonist Faust undergoes as a result of perceiving his inner contradictions. Awareness of this tension—the essence of Romantic self-consciousness—was an inexhaustible source of fascination for Franz Liszt.

The polarizing public image of the pianist-composer fed off paradox. For many, his virtuosity as a keyboard superstar implied a pact with the devil, yet Liszt abandoned his touring career relatively early. When he took minor orders in the Catholic Church in 1865, the diarist Ferdinand Gregorovius remarked that he resembled “Mephistopheles disguised as an Abbé.”

In several key compositions, Liszt was drawn to the Faust legend in particular, with its profound exploration of the contradictoriness of human nature, but his music overall resonates with mirror states of idyll and abyss. It is no surprise that Liszt proved to be instrumental in promulgating Franz Schubert’s legacy to the Romantic generation, deeming him “the most poetical musician that ever was.” Liszt responded strongly to the contradictions—the sense of “two souls”—that he found in Schubert’s music. Denis Kozhukhin has chosen sonatas by these two composers as the pillars for his program, hinting at the affinities that captivated Liszt and that are further explored in the pieces by Jörg Widmann and György Ligeti that serve as provocative commentaries.


A Constantly Precarious Flight


“On hearing Schubert’s music, tears pour out of the eyes without ever having moved the soul, so literally and real does his music enter us,” observed Theodor W. Adorno in 1928. The observation is quoted by Widmann in the preface to his 2009 work Idyll and Abyss, an homage to Schubert that has parallels with similar compositions he has written in homage to Schumann and Brahms. Adorno’s statement “conveys the essential phenomenon of Schubert’s music in a nutshell,” according to Widmann. Two earlier pieces—Lied für Orchester and his Octet—likewise engage with Schubert’s legacy. All of these homages, Widmann writes, share the objective of trying “to capture this constantly precarious flight between heaven and hell, paradise and the very depths of anxiety, between idyll and abyss, in my own personal fashion.”
 
The subtitle, “Six Schubert Reminiscences,” points to the awareness of a “then and now” perspective in Widmann’s project. Far from attempts to emulate or ironize Schubert’s style, these compact miniatures paint a surreal collage of points of contact between his predecessor and the anxieties of our own playlist-curated era. Even Widmann’s quotes from across Schubert’s all-too-short career—including references to the Andante of the G major Sonata in No. 2—are filtered through dreamlike opacities. In the first piece, he already instructs the pianist to play in a manner that is “unreal, as if from afar.” There is an intensity even in the most playful, dance-inflected moments (in Nos. 2 and 4); the idyllic music-box innocence of No. 3 is mirrored by the violent clusters of No. 5, the abyss that stares back. The last part of the suite “recalls” the final Sonata in B-flat major as if unable to clear away the distortions separating us—and Schubert himself—from the idyll the music was meant to promise.


Sleepwalking with Schubert


In October 1826, several months after writing his last and most glorious String Quartet D 887 in G major, Schubert composed a large-scale piano sonata in the same key, returning to the genre after a hiatus of a little over a year. The G-major Sonata D 894 appeared in print during the composer’s lifetime, unlike the vast bulk of his music. In fact, this was only the third (and last) piano sonata Schubert succeeded in getting published; his final essays in the genre, the great trilogy of 1828 (D 958–960), would have to wait until after his death to be discovered—and a good deal longer to be properly appreciated.

When the G-major Sonata did appear in 1827, the first movement carried the publisher’s added-on title “Fantasie”—whether as an honest response to Schubert’s seemingly associative unfolding of musical ideas or as a marketing ploy to attract more interest from the public. This detail of its reception brings to mind the famous metaphor Alfred Brendel once conjured of Schubert as a musical “sleepwalker” whose compositions evoke “a passive state, a series of episodes communicating mysteriously with one another”—in contrast to his fellow Viennese Beethoven as the consummate architect in absolute control of his materials. Schubert, according to Brendel, “strides across harmonic abysses as though by compulsion, and we cannot help remembering that sleepwalkers never lose their step.”

The G-major Sonata has exercised a particularly magnetic hold on its admirers. Robert Schumann—like Liszt, an important early champion of Schubert—declared D 894 to be “the most perfect in form and substance” of the younger composer’s sonatas. Sviatoslav Richter cherished it as his favorite Schubert sonata; his extraordinary 1978 recording expands the already expansive first movement to unprecedented new limits. Schubert dedicated D 894 to Josef von Spaun, a close friend who helped with financial and moral support.

The improvisatory leisure evoked by the strolling chords that open the Sonata anticipates the corresponding movement of Schubert’s final Sonata in B flat while at the same time suggesting a kind of fantasy on the G-major chords that begin Beethoven’s Piano Concerto No. 4. The musicologist William Kinderman noted in Schubert’s music the role of a “wandering archetype,” which he relates to another contradiction inherent in the human condition: “the polarity between impersonal nature and the introspective individual human being.” Contrasts serve to evoke “the dichotomy of harsh reality and beautiful dreams familiar from the world of Schubert’s lieder,” he writes.

The patient rephrasing of elements of the Andante’s melody generates a special poignancy. But Schubert confronts this idyllic introspection with descents into the abyss through agitated interruptions in the minor, phrased with vehemence. The minuet startles with its shift to B minor, though this turns out to be a strangely playful deceptive detour enclosing, in the central trio, another more dreamlike idyll. The closing Allegretto discloses passing outbursts of disturbance that could hardly be anticipated from the cheerful demeanor of the main theme.


Diabolical Virtuosity 


Lurking behind the pedagogical pedigree of the etude is an image of a kind of solitary confinement in pursuit of an idealistic goal, a lonely Gradus ad Parnassum that seeks to transcend human imperfection but risks Sisyphean frustration. Or so it might seem in the case of György Ligeti’s L’Escalier du diable, the longest of the cycle of 18 études he composed between 1985 and 2001—and (naturally) No. 13 in sequence.

Ligeti wrote that the impetus to contribute to the genre immortalized by the likes of Chopin and Debussy was simply “my own inadequate piano technique.” He compared this endeavor to the painter Paul Cézanne’s attempt to come to terms with his difficulties in rendering perspective. “That’s what I would like to achieve: the transformation of inadequacy into professionalism.”

The pianist Pierre-Laurent Aimard, to whom Ligeti dedicated two of the études, reported that the composer found his initial inspiration for “The Devil’s Staircase” when a violent storm suddenly burst out as he was trying to ride his bicycle uphill. With its complex rhythmic cycles, repeated chromatic ascents (as if attempting to scale a wall), and climax on an octuple forte (ffffffff), this étude is a study in extremities—including an exaggeration of the Romantic trope of diabolical virtuosity, which not even the imitation of ringing church bells at the end can exorcise.


A Metaphysical Drama for the Keyboard


A product of his Weimar period and one of only two works for solo piano that Franz Liszt published with the word “sonata” in the title (the other being the so-called “Dante” Sonata), the Sonata in B minor draws on the legacy of Beethoven’s late piano sonatas as probing metaphysical dramas. At the same time, Liszt adapted Classical form into a vehicle for the Romantic fixation on organic growth and metamorphosis. Using earlier sketches, he composed this Sonata in the winter of 1852–3 and dedicated the score to Robert Schumann.

From Liszt’s time up to today, a number of philosophical or literary narratives have been posited as the hidden program for the B-minor Sonata—Goethe’s Faust and humanity’s fall from Paradise being prime contenders—even though Liszt never explicitly offered one. But the interplay of his musical ideas traces its own cosmos of polarities, of idyll and abyss.

The work unfolds as one vast movement that can be parsed as encompassing a slow movement and a scherzo (in the form of a “diabolical” fugue) into its development section. A descending scalar theme in the slow prelude establishes an atmosphere of ominous brooding; this theme is used later to signal structural transitions. As the music accelerates, a restlessly striving theme is presented; later comes a majestic, soaring idea in D major. Through an ingenious alchemy, Liszt recombines and transforms the various themes across the Sonata, adding color and character through the variety of keyboard textures. The drama reaches cataclysmic extremes, but a serene coda allows for an ambiguous hint of redemption.


Thomas May is a writer, critic, educator, and translator whose work appears in The New York Times, Gramophone, and many other publications. The English-language editor for the Lucerne Festival, he also writes program notes for the Ojai Festival in California.


Der Künstler

Denis Kozhukhin
Klavier

Denis Kozhukhin, geboren als Sohn einer Musikerfamilie in Nischni Nowgorod in der damaligen Sowjetunion, studierte an der Reina Sofía Musikhochschule in Madrid bei Dmitri Bashkirov und Claudio Martínez Mehner und an der Musikhochschule in Stuttgart bei Kirill Gerstein. Seit seinem Ersten Preis beim Concours Musical Reine Elisabeth im Jahr 2010 in Brüssel ist er als Pianist und Kammermusiker international erfolgreich und gastierte bei renommierten Festspielen wie dem Verbier Festival, den BBC Proms, dem Klavier-Festival Ruhr und dem Rheingau Musik Festival sowie in der Berliner Philharmonie, im Leipziger Gewandhaus, dem Wiener Konzerthaus, dem Herkulessaal in München, der Carnegie Hall in New York und der Wigmore Hall in London. Als Solist ist er u. a. mit dem Concertgebouworchester Amsterdam, der Staatskapelle und dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin, dem Chicago Symphony Orchestra, dem Philadelphia Orchestra, dem London Symphony Orchestra, und dem Mahler Chamber Orchestra aufgetreten. Denis Kozhukin veröffentlichte ein Soloalbum mit Griegs Lyrischen Stücken und Mendelssohns Liedern ohne Worte, Einspielungen der Klavierkonzerte von Grieg, Tschaikowsky, Ravel und Gershwin, sowie zuletzt der Symphonischen Variationen von César Franck. Dem Pierre Boulez Saal ist er seit der Eröffnung eng verbunden.

Mai 2024

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