Isabelle Faust Violine
Kristian Bezuidenhout Cembalo
Kristin von der Goltz Barockvioloncello
Werke von Johann Sebastian Bach, Johann Georg Pisendel, Christian Ritter und Louis Couperin
Johann Sebastian Bach (1685–1750)
Sonate für Violine und Basso continuo e-moll BWV 1023 (1714–17?)
I. [ohne Bezeichnung] –
II. Adagio ma non tanto
III. Allemanda
IV. Gigue
Johann Georg Pisendel (1687–1755)
Sonate für Violine und Basso continuo c-moll (um 1710–40)
I. Adagio
II. Presto
III. Affettuoso
IV. Vivace
Johann Sebastian Bach
Sonate für Viola da gamba und Cembalo g-moll BWV 1029 (um 1740?)
Bearbeitung für Violine und Cembalo
I. Vivace
II. Adagio
III. Allegro
Pause
Johann Sebastian Bach
aus der Sonate für Violine und Cembalo G-Dur BWV 1019a (vor 1725)
III. Cantabile ma un poco adagio
IV. Adagio
V. Violino solo e basso accompagnato
Fuge für Violine und Basso continuo g-moll BWV 1026 (um 1714–17)
Allegro
Christian Ritter (um 1645 – nach 1717)
aus der Suite für Cembalo c-moll (1697?
Allemanda in dicessum Caroli XI regis Sveciae – Sarabande
Louis Couperin (um 1626 – 1661)
Passacaille für Cembalo C-Dur
Johann Sebastian Bach
Sonate für Violine und Cembalo G-Dur BWV 1019 (vor 1725/um 1740)
I. Allegro
II. Largo
III. Allegro
IV. Adagio
V. Allegro
Zugaben:
Johann Sebastian Bach
aus der Sonate für Violine und Basso continuo G-Dur BWV 1021
I. Adagio
Georg Friedrich Händel (1685–1759)
aus der Sonate für Violine und Basso continuo D-Dur HWV 371
II. Allegro
Als Virtuose auf den Tasteninstrumenten interessierte sich Johann Sebastian Bach glühend für deren technische Weiterentwicklung. Immer wieder hat er neue Instrumente ausprobiert und so direkte Anregungen für seine Kompositionen gewonnen. Nicht nur das Solorepertoire profitierte von Bachs Vorliebe für das Clavier. Auch in seinen Ensemblekompositionen gestand er dem Tasteninstrument eine neue, emanzipierte Rolle als Partner des Melodieinstruments zu. Isabelle Faust und Kristian Bezuidenhout stellen gemeinsam mit Kristin von der Goltz Werke alten und neuen Stils einander gegenüber.
Essay von Kerstin Schüssler-Bach
„Bach kannte die Möglichkeiten dieses Instruments“
Werke für Violine und Cembalo
Kerstin Schüssler-Bach
Als Virtuose auf den Tasteninstrumenten interessierte sich Johann Sebastian Bach glühend für deren technische Weiterentwicklung. Immer wieder hat er neue Instrumente ausprobiert und so direkte Anregungen für seine Kompositionen gewonnen. Aber auch für deren Wartung und Stimmung war er während seiner Amtszeiten in Weimar und Köthen zuständig. Der zu Bachs Zeit gebräuchliche Begriff „Clavier“ bezeichnete dabei eine ganze Palette der damals gängigen, mit Manual ausgestatteten Instrumente wie Cembalo, Clavecin, Clavichord oder Hammerflügel. In Bachs Nachlass sind fünf Clavecins, zwei Lautencembali und ein Spinett verzeichnet. Über den relativ neuen Typus des Hammerflügels („Piano-Fort“) soll er sich wenig lobend geäußert haben, da er die Mechanik als „zu plump“ empfand. So überliefert es jedenfalls sein Schüler und erster Biograph Johann Nikolaus Forkel.
„Die Violinstimme erfordert einen Meister…“
Nicht nur das Solorepertoire profitierte von Bachs Vorliebe für das Clavier. Auch in seinen Ensemblekompositionen gestand er dem Tasteninstrument eine neue, emanzipierte Rolle als Partner des Melodieinstruments zu. In den sechs Violinsonaten BWV 1014–1019 definiert Bach das Verhältnis von Geige und Cembalo neu: Letzteres tritt aus dem Schatten als bloßer Generalbass heraus und führt einen echten Dialog mit der Violine. Bach war übrigens mit beiden Instrumenten gut vertraut – immerhin führte ihn 1703, im Alter von 18 Jahren, eine Anstellung als Geiger nach Weimar. Hier arbeitete er mit dem Komponisten und Violinvirtuosen Johann Paul von Westhoff zusammen, dessen Solosonaten einen wichtigen Einfluss auf seine eigene Violinmusik haben sollten. Über Bachs sechs Sonaten urteilt Forkel: „Die Violinstimme erfordert einen Meister. Bach kannte die Möglichkeiten dieses Instruments und schonte es eben so wenig, als er sein Clavier schonte.“ Es brauchte nicht erst die zusätzliche Gambenstimme, die sich erhalten hat, um das Ideal des wohlausgewogenen Triosatzes zu verwirklichen. Denn da der Cembalist in der rechten Hand eine der Oberstimmen übernimmt, während die linke die Basslinie spielt, ist der Effekt einer Triosonate auch mit nur zwei Instrumenten hergestellt.
Die Violinsonate G-Dur BWV 1019 ist in drei Versionen überliefert, die sich in der Anzahl und der Anordnung der Sätze unterscheiden. Isabelle Faust und Kristian Bezuidenhout ermöglichen uns also gewissermaßen einen Blick in Bachs Werkstatt, wenn sie im heutigen Konzert verschiedene Fassungen vorstellen. Sie musizieren die dritte Version letzter Hand aus den 1740er Jahren, wie sie in einer Abschrift von Bachs Schüler und Schwiegersohn Johann Christoph Altnickol erhalten ist. Und sie stellen uns drei Sätze aus der ersten und zweiten Fassung BWV 1019a vor, die auf jeden Fall vor 1725 entstanden sind. In jenem Jahr nämlich hat Bach seinen Neffen Johann Heinrich eine Stimmabschrift anfertigen lassen, für die er selbst die letzten Sätze ergänzte. Forkel behauptet, die sechs Violinsonaten seien „zu Cöthen verfertiget“, was auf ein Entstehungsdatum zwischen 1717 und 1723 schließen lassen würde. Selbstbewusst lässt sich der Cembalist sogar in einem solistischen Satz hören. Der moderne italienische konzertante Stil prägt die raschen Figurationen der Violine.
Für zwei der drei Sätze aus BWV 1019a, die Bach nicht in die Endfassung übernommen hat, fand er eine andere Verwertung. Das bezaubernd innige Cantabile ging später als Sopranarie in die Kantaten BWV 120 und 120a ein. Das Violinsolo mit Begleitung des Basso continuo taucht in der Partita Nr. 6 der Clavierübung als Gavotte wieder auf. Dass der Austausch von weltlicher Instrumental- und geistlicher Vokalmusik auch in die andere Richtung funktionierte, zeigt der Schlusssatz der Sonate in der letzten Fassung: Das federnde Sechsachtelthema ist in der vermutlich etwa zehn Jahre zuvor geschriebenen Hochzeitskantate „Weichet nur, betrübte Schatten“ vorgebildet.
Meisterliche Fuge und französische Modetänze
Die Violinsonate e-moll trägt zwar eine spätere Nummerierung (BWV 1023), ist aber wohl vor der G-Dur-Sonate BWV 1019 entstanden. Vermutlich schrieb Bach sie bereits zwischen 1714 und 1717 in Weimar. Mit seinem langen Liegeton zu Beginn stellt sich der Basso continuo noch ganz in die zweite Reihe, während die Violine mit Sechzehntel-Figurationen brillieren darf. Erst im empfindsamen Andante greift der Cembalist Akkorde. Mit der graziös ausschreitenden Allemande und der raschen Gigue sind zwei französische Modetänze vertreten. Überliefert ist die e-moll-Sonate nur in einer einzigen Abschrift, die in einer Dresdner Sammlung enthalten ist (weshalb ihre Echtheit auch gelegentlich angezweifelt wurde). Dorthin kam sie möglicherweise aus dem Nachlass von Johann Georg Pisendel. Mit dem berühmten Geiger der Dresdner Hofkapelle war Bach befreundet – vielleicht ließ er für ein gemeinsames Musizieren mit Pisendel die oben erwähnte Abschrift der Sonate BWV 1019 von seinem Neffen anfertigen.
Aus der frühen Zeit der e-moll-Sonate stammt vermutlich auch die Fuge g-moll BVW 1026 – wenn sie denn ein Werk aus Bachs Feder ist. Da sie nur in einer Handschrift des Weimarer Organisten Johann Gottfried Walther erhalten ist, gibt es Spekulationen über ihre Authentizität. Doch die Meisterschaft des Fugensatzes spricht wohl dafür. Und die anspruchsvolle Behandlung der Violine nebst zweistimmigem und akkordischem Spiel sowie einer Kadenz verrät, was der junge Bach dem Streichinstrument alles zutraute.
Neben den Werken für Violine sind drei Sonaten Bachs für Viola da gamba und obligates Cembalo sind überliefert. Das zwischen den Knien gehaltene Instrument mit seiner melancholisch-sonoren Klangfarbe setzte der Thomaskantor auch gerne als Begleitung zur menschlichen Stimme ein – besonders eindrucksvoll in der Alt-Arie „Es ist vollbracht“ aus der Johannespassion. Bei den drei Gambensonaten handelt es sich vermutlich um Bearbeitungen von Vorlagen in anderer Besetzung. Sicher weiß man das von der Sonate BWV 1027, die ursprünglich für zwei Flöten und Basso continuo bestimmt war. Von diesem Werk existieren autographe Stimmen, die sich auf die 1740er Jahre datieren lassen; das Manuskript der Stimmen zur Sonate g-moll BWV 1029 ist dagegen seit 1945 verschollen. Schon zu Bachs Lebzeiten wurden Transkriptionen der Gambensonaten für Violine, Viola oder Orgel von verschiedenen Kopisten angefertigt, und da Bach selbst wohl auf Fassungen für andere Instrumente zurückgegriffen hatte, ist diese Bearbeitungspraxis durchaus nicht als „Majestätsbeleidigung“ zu verstehen. Die g-moll-Sonate scheint mit ihrer lebhaften, „italienischen“ Stimmung auf die konzertanten Musiken der Zeit in Weimar oder Köthen zu verweisen, und auch die glanzvolle höfische Welt der Brandenburgischen Konzerte ist nicht weit. Zwischen den virtuosen Ecksätzen steht ein meditatives Adagio nach Sarabanden-Art – eine Oase der versunkenen Stille, umrahmt von Brillanz und Energie.
Pisendel, Couperin und Ritter
Die vielen Fragezeichen und Leerstellen, die uns in der Entstehungsgeschichte von Bachs Violinwerken begegnen, führten und führen immer wieder zu neuen Diskussionen über die Autorschaft. Johann Georg Pisendel spielt hier eine wichtige Rolle: Die heute ihm zugeschriebene c-moll-Sonate wurde früher im Bach-Werke-Verzeichnis als BWV 1024 geführt. Der Geiger Ferdinand David publizierte sie 1867 erstmals als Bach’sches Original. Doch die Sonate ist nur in Handschriften ohne Angabe des Autors überliefert, und eine dieser Quellen wurde wahrscheinlich von Pisendel selbst notiert. Stilkritische Untersuchungen stehen der eindeutigen Zuweisung an Bach entgegen. Die musikalische Schönheit des Werks, vor allem des expressiven ersten Satzes, lässt sich davon unabhängig genießen. Vielleicht war das Stück gar eine Gemeinschaftsarbeit im Sinne gegenseitiger Inspiration? Pisendel, der auch mit Antonio Vivaldi und Georg Philipp Telemann gut bekannt war, lernte Bach schon 1709 in Weimar kennen. Ihn konnte Pisendel als Schüler von Giuseppe Torelli mit dem neuesten italienischen Konzertstil vertraut machen. Bach wiederum schrieb dem Dresdner Virtuosen und gebürtigen Franken später das filigrane Violinsolo des „Laudamus te“ aus der h-moll-Messe auf den Leib.
Auf seinen Konzertreisen nach Frankreich und Italien lernte Pisendel viele bedeutende Komponisten kennen, darunter auch François Couperin. Dessen Onkel Louis Couperin schuf in seinem kurzen Leben großartige Musik für Tasteninstrumente. Damit stellte er sich in die junge Tradition der Clavecinisten – nach dem französischen „clavecin“ für Cembalo –, die am Hofe Ludwigs XIV. ein neues Genre erfanden. Als Komponist fast ein Spätzünder, blieb Louis Couperin nur wenig Zeit für seine anmutigen Cembalowerke, die zu seinen Lebzeiten nicht veröffentlicht wurden. Seine Tanzsätze und Passacaglien in schwebender Melancholie und gediegenem Kontrapunkt haben nicht nur die Ohren in Versailles begeistert. Couperins Passacaille in C entfaltet über einem Grundbass eine reich verzierte Melodie.
Eine Generation jünger als Louis Couperin war der norddeutsche Organist und Komponist Christian Ritter. Auch er diente einem Monarchen, nämlich dem Schwedenkönig Carl XI. Wohl kurz nach dessen Tod im Jahr 1697 schrieb Ritter seine Suite c-moll. Ihr erster Satz, eine dunkle Allemande mit schwermütig absinkenen Punktierungen, verweist mit dem Untertitel „in dicessum Caroli XI regis Sveciae“ („zum Fortgang Carls XI, König von Schweden“) auf den Tod des Regenten. Aus der viersätzigen Suite ist im heutigen Programm außerdem die Sarabande, ein langsamer Schreittanz, zu hören. Nur sehr wenige Werke von Ritters Hand sind auf uns gekommen, doch sie zeugen von individuellem Reiz und formaler Eigenwilligkeit. Der Einfluss Johann Jakob Frobergers, des „Erfinders“ der Cembalo-Suite um 1650, ist ebenso spürbar.
Mit Froberger hatte sich auch Bach intensiv beschäftigt. Und, wie Forkel uns berichtet, schätzte er ebenfalls die Musik François Couperins, „so wie die Werke mehrerer französischer Clavierkomponisten aus jenem Zeitraum, weil man eine nette und zierliche Spielart aus ihnen lernen kann“. Auch der Tasten-Titan setzte sich manchmal zur Erholung ans Instrument.
Dr. Kerstin Schüssler-Bach arbeitete als Opern- und Konzertdramaturgin in Köln, Essen und Hamburg und hatte Lehraufträge an der Musikhochschule Hamburg und der Universität Köln inne. Beim Musikverlag Boosey & Hawkes in Berlin ist sie als Head of Composer Management tätig. Sie schreibt regelmäßig für die Berliner Philharmoniker, die Elbphilharmonie Hamburg, das Lucerne Festival und das Gewandhausorchester Leipzig. 2022 erschien ihre Monographie über die Dirigentin Simone Young.
Bachs Autograph des dritten Satzes aus der Sonate für Violine und Cembalo BWV 1019 (© Staatsbibliothek Berlin)
Johann Sebastian Bach was the first composer to bring the violin and harpsichord into equal partnership by transforming the traditional trio sonata into a new, modern duo setup. Isabelle Faust and Kristian Bezuidenhout are joined by Kristin van der Goltz in a program that combines works of both types, including a sonata by Dresden violin virtuoso Johann Georg Pisendel long attributed to Bach.
Program Note by Richard Wigmore
From Trio to Duo
Richard Wigmore
Johann Sebastian Bach was the first composer to bring the violin and harpsichord into equal partnership in his set of violin sonatas published as “Six Sonatas for concerted Harpsichord and Violin Solo” BWV 1014–1019. The balance is rather tilted back to the violin in Bach’s two “continuo sonatas” BWV 1021 and 1023, probably composed in Leipzig in the late 1720s. While the violin part is fully written out, the harpsichordist, reinforced by a cello or viola da gamba, must complete the harmonies from a figured bass line.
The sole source of the E-minor Sonata BWV 1023 is a Dresden manuscript from around 1730. Bach sets all four movements in the home key, in the process creating a fusion of sonata and suite. In the prelude, the violin unfurls flamboyant toccata-like figuration, like a written-out improvisation, over a sustained bass pedal E. This leads without a break into an Adagio ma non tanto (implying a flowing tempo) whose eloquent cantabile lines are spiced by characteristic Bachian chromaticism. Bringing the sonata into the orbit of the suite, the two final movements are a graceful Allemande and a sportive Gigue with witty touches of imitation between violin and continuo.
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Questions of authenticity have long been a minefield for Bach scholars. Even two centuries after his death, the compilers of the Bach Catalogue (Bach-Werke-Verzeichnis, or BWV) generously included many doubtful or spurious works. One such example is the C-minor Violin Sonata, once confidently attributed to Johann Sebastian as BWV 1024 but now known to be the work of the Dresden-based violinist-composer Johann Georg Pisendel, whose unaccompanied violin sonatas may have been a spur for Bach’s solo violin works.
In fairness to the compilers of the BWV, on a blind taste Pisendel’s fine work could easily be mistaken for Bach. The opening Adagio has the air of a tragic procession, with the violin weeping over an inexorable bass tread. It is followed by a densely woven Presto fugue that culminates, majestically, in a long-held pedal. In the third movement, Affettuoso, the violin spins its dreamy song over another walking bass line. Rounding off the Sonata is a Vivace in which a grimly energetic refrain alternates with four contrasting episodes, each in a different key.
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During Bach’s lifetime the viola da gamba, or viol, was gradually being superseded by the cello. No matter—evidently attracted to its veiled, dusky sonority, Bach composed for both the six-string and seven-string viola da gamba throughout his career, most famously in the Sixth Brandenburg Concerto and the alto aria “Es ist vollbracht" in the St. John Passion.
Again, we cannot be sure when or for whom Bach wrote his three viola da gamba sonatas. They may have been composed in Köthen for the viol player Christian Ferdinand Abel, or for Christian’s son Carl Friedrich, who studied for a time with Bach in Leipzig. More than its two companions, the G-minor Sonata BWV 1029 treats the viola da gamba and the harpsichord’s right hand as absolute equals, resulting in some delightful, rapid-fire give and take in the fast movements. Some scholars have even suggested the work started life as a double concerto.
The G-minor Sonata is heard tonight in an arrangement for violin and harpsichord that transposes the viola da gamba line up an octave. There are three movements: a sinewy Vivace, a vocally inspired Adagio in the style of a sarabande, with the violin initially providing a descant to the harpsichord’s soulful song, and a jig-like Allegro that trades on free canonic imitation.
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Once again, we can only speculate exactly when Bach composed his famous set of six sonatas BWV 1014–1019. Like so many of his instrumental works, they may have originated during his years as Kapellmeister at the court of Prince Leopold of Anhalt-Köthen (1717–23). They must have been completed by 1725, when Bach’s nephew Johann Heinrich made his own copy of the harpsichord parts. We also know that Johann Sebastian revised the sonatas some time before 1741, when a complete copy was prepared by his pupil Johann Friedrich Agricola. In the meantime, we can guess that Bach played them at home, en famille, perhaps also at the concerts of the Leipzig Collegium Musicum that he directed from 1729. In 1774 his second son, Carl Philipp Emanuel, wrote that his father’s violin sonatas “still sound excellent, and give me great pleasure … even though they are over fifty years old.” He had a point.
"This music has nothing to do with a large concert hall. It's all about intimacy and the beauty of what seems like opposing sonorities working together. When you dim the spotlight and bring the whole scale of the thing into the right framework it becomes something unbelievably vivid and conversational."—Kristian Bezuidenhout
Whereas Bach’s revisions to the first five sonatas were minor, he made three distinct versions of the last one, in G major. The final version is played complete at the end of tonight’s program. Here we have three movements from the second version: a gently lilting Cantabile ma un poco adagio that unfolds as a florid duet between violin and harpsichord left hand; a tortuously chromatic B-minor Adagio in which the two instruments sing their sorrowful song over a falling lamento bass pattern; and a bouncy gigue marked “Violino solo e basso accompagnato”—i.e., with string bass rather than harpsichord accompaniment.
It is safe to say that a higher proportion of Bach’s music—including around 100 cantatas—has been lost than that of any other major composer. Transmitted in a copy by the composer’s distant relative Johann Gottfried Walther, the G-minor Fugue for violin and continuo probably belonged to a larger work from Bach’s early Weimar years, around 1710–2. As Bach’s biographer Christoph Wolff has suggested, this sternly imposing movement, challenging for the violin and replete with double stopping, may be his earliest surviving piece of chamber music.
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Among so many obscure German Baroque composers, Christian Ritter is one of the most shadowy. We do not even know exactly where and when he was born and died. The first source of information about him is a manuscript copy of a work dated 1666 with the superscription “chamber organist in Halle.” Other known facts of his life are that he became vice-kapellmeister and organist in Dresden in 1683 and served at the court of Charles XI of Sweden from 1688. Around 1700, Ritter settled in Hamburg, where he probably lived until death. Here he must have encountered the young Handel, who was active in Hamburg from 1703 to 1706.
Ritter’s Harpsichord Suite in C minor, from which Kristian Bezuidenhout plays the Allemanda and Sarabande, is preserved in a 1705 collection known as the Möller Manuscript. The Allemanda was written in commemoration of Charles XI, who died in April 1697. Belying the dance’s lively folk origins, this is music of dignified sorrow, with something of the stately formality of a Baroque French Overture. Like the Allemanda, the Sarabande was originally a fast, even lusty, folk dance. By the late 17nth century, though, it had been refined for courtly society and, as here, acquired a soulful, melancholy cast.
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Thuringia and Saxony had their Bachs, France its Couperins: a dynasty of outstandingly gifted musicians working in and around Paris from the late-16th to the mid-19th centuries. The greatest of them, after François (known as “Le Grand”), was the short-lived Louis Couperin, harpsichordist, organist and one of the most admired keyboard composers of his generation. After settling in Paris, in 1653 he became organist of the church of St. Gervais, the first of many in his family to occupy this prestigious post, and entered Louis XIV’s service as treble viol player.
Louis Couperin’s most celebrated work is this majestic C-major Passacaille (Passacaglia—a term virtually interchangeable with Chaconne). Like most of his compositions, it is preserved in an anthology known as the Bauyn Manuscript. Typically, the Passacaille takes the form of a rondeau, in which a stately refrain (or grand couplet) alternates with ten episodes (couplets). Unfolding over a chromatic descending bass, the refrain immediately proclaims the harmonic and textural richness that characterizes the whole piece. The episodes, built on the same bass pattern, are inventively varied in texture. There is a gradual increase in excitement towards the close, where the grand couplet is dramatically transformed from C major to C minor.
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Tonight’s program concludes with the final version of the sonata which we sampled in an earlier incarnation in the first half of the concert. It is preserved in a manuscript by Bach’s pupil and future son-in-law, Johann Christoph Altnickol. The sonata opens with an Allegro in boldly extrovert “Brandenburg” style that alternates statements of its main theme with two fugal episodes. At the start Bach creates a riot of cross-rhythms. As the listener hears it, the violin sounds in 3/4 time, the harpsichord right hand in 3/8, and the left hand in 4/4. The second movement is a doleful E-minor Largo with French-style dotted rhythms, the third, an energetic Allegro for keyboard solo, also in E minor.
This is followed by a B-minor Adagio replete with twisting chromaticism—just the kind of music that disconcerted Bach’s more conservative-minded contemporaries. Sentiment is then banished in the jig-like final Allegro, a characteristic Bachian fusion of dancing exuberance and lightly worn fugal mastery.
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Isabelle Faust
Violine
Isabelle Faust
Nach frühen Erfolgen beim Violinwettbewerb Leopold Mozart in Augsburg und beim Paganini Wettbewerb in Genua gastierte Isabelle Faust schon bald bei renommierten Orchestern, darunter die Berliner Philharmoniker, das Boston Symphony Orchestra, das NHK Symphony Orchestra, das Chamber Orchestra of Europe und das Freiburger Barockorchester. Eine enge Zusammenarbeit verband und verbindet sie mit Dirigenten wie Sir Simon Rattle, Andris Nelsons, Giovanni Antonini, François-Xavier Roth, Sir John Eliot Gardiner, Daniel Harding, Philippe Herreweghe, Jakub Hrusa, Klaus Mäkelä und Robin Ticciati. Ihr Repertoire umfasst Musik aller Epochen, von den Werken Bibers und Bachs über die großen klassisch-romantischen Violinkonzerte bis zu Kompositionen unserer Zeit. Zuletzt brachte sie Werke von Peter Eötvös, Brett Dean, Ondřej Adámek und Rune Glerup zur Uraufführung. Isabelle Fausts zahlreiche Einspielungen, darunter die Bachs Solo-Sonaten und -Partiten, die Violinkonzerte von Berg und Beethoven mit Claudio Abbado und den Berliner Philharmonikern sowie Violinsonaten von Mozart, Beethoven und Brahms mit dem Pianisten Alexander Melnikov, wurden mit Preisen wie dem Gramophone Award, dem Diapason d’or und dem Choc de l’année ausgezeichnet. In der aktuellen Spielzeit ist sie Artist in Residence beim SWR Symphonieorchester.
Stand: Oktober 2023

Kristian Bezuidenhout
Cembalo
Kristian Bezuidenhout
Der südafrikanische Pianist Kristian Bezuidenhout tritt als Interpret gleichermaßen erfolgreich am Cembalo, Hammerklavier und modernen Flügel auf. Er erhielt seine Ausbildung zunächst in Australien, später an der Eastman School of Music in Rochester (New York) und lebt heute in London. Zu seinen Lehrern zählen Rebecca Penneys, Arthur Haas, Malcolm Bilson und Paul O’Dette. Als Gewinner des Hammerklavier-Wettbewerbs beim Early Music Festival in Brügge machte er im Alter von 21 Jahren erstmal international auf sich aufmerksam. Seitdem gastiert er bei bedeutenden Orchestern wie dem Concertgebouworchester Amsterdam, dem Chicago Symphony Orchestra, dem Gewandhausorchester Leipzig, dem Freiburger Barockorchester, dem Orchestra of the Age of Enlightenment, Les Arts Florissants und vielen anderen. Außerdem leitete er vom Klavier aus Konzerte mit dem Ensemble Tafelmusik, dem Collegium Vocale Gent, Juilliard415, der Kammerakademie Potsdam sowie The English Concert, dessen Principal Guest Conductor er ist. Zu seinen regelmäßigen künstlerischen Partner zählen u.a. Sir John Eliot Gardiner, Philippe Herreweghe, Trevor Pinnock, Giovanni Antonini, Isabelle Faust, Alina Ibragimova, Jean-Guihen Queyras, Mark Padmore und Matthias Goerne.
Stand: Oktober 2023

Kristin von der Goltz
Violoncello
Kristin von der Goltz
Kristin von der Goltz absolvierte ihr Cellostudium bei Christoph Henkel in Freiburg und bei William Pleeth in London. Dort war sie Mitglied des New Philharmonia Orchestra unter der Leitung von Giuseppe Sinopoli und der Hanover Band. Von 1991 bis 2004 gehörte sie dem Freiburger Barockorchester an, mit dem sie zahlreiche Aufnahmen vorlegte und weltweit konzertierte. Im Jahr 2006 wechselte sie zu den Berliner Barock Solisten; von 2009 bis 2011 war sie außerdem Solocellistin des Münchener Kammerorchesters. Dabei arbeitete sie mit bedeutenden Interpret:innen der Alten Musik zusammen, darunter Ton Koopman, Mark Minkowski und Nikolaus Harnoncourt. Ihre Diskographie umfasst u.a. Werke von Jakob Klein, Evaristo Felice Dall’Abaco, Antoine Dard, Andrea Caporale und Johann Ernst Galliard. Nach verschiedenen Lehraufträgen übernahm Kristin von der Goltz Professuren für Barockcello an den Musikhochschulen in München und Frankfurt am Main.
Stand: Oktober 2023