Levon Askenian Künstlerische Leitung
Norayr Gapoyan Duduk, Pku
Gagik Hakobyan Bass-Duduk, Pku
Avag Margaryan Blul
Armen Ayvazyan Kamantsche
Aram Nikoghosyan Oud
Meri Vardanyan Kanun
Vladimir Papikyan Santur, Gesang, Burvar
Davit Avagyan Tar
Mesrop Khalatyan Daf, Tmbuk, Glocken
Werke von
George Gurdjieff
Sayat-Nova
Jivani
Baghdasar Dbir
George Gurdjieff (um 1877–1949)
Pythia
No. 10
Prayer and Despair
Sayat-Nova (1712–1795)
Ashkharhes Me Panjara e
George Gurdjieff
Trembling Dervish
Introduction and Funeral Ceremony
Thirty Gestures
Sayat-Nova
Dard Mi Ani
Pause
George Gurdjieff
Chant from a Holy Book
Oriental Dance
Sayyid Chant and Dance No. 41
Armenian Melody
Jivani (Serob Stepani Levonian) (1846–1909)
Kankaravor Enker
George Gurdjieff
Caucasian Dance
Baghdasar Dbir (1683–1768)
Zartir
George Gurdjieff
The Great Prayer
Arrangements von Levon Eskenian
George Gurdjieff, 1924
George Ivanovich Gurdjieff war Komponist, Lehrer von „heiligen Tänzen“ und eine der einflussreichsten spirituellen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Seine Musik ist maßgeblich von den Kulturen und spirituellen Traditionen geprägt, denen er auf seinen Reisen begegnete. Wir präsentieren sie in Bearbeitungen für traditionelle Instrumente des Nahen und Mittleren Ostens sowie gemeinsam mit Werken der armenischen Aschug-Tradition, wodurch sie in neuem Licht und in ihrem ursprünglichen kulturellen und klanglichen Kontext wieder lebendig wird.
von Levon Eskenian
George Ivanovich Gurdjieff, dessen Geburtsort im russischen Zarenreich heute in Armenien liegt, war Komponist, Lehrer von „heiligen Tänzen“ und eine der einflussreichsten spirituellen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Auf der Suche nach einer Art von Wissen, das sich nicht aus Büchern lernen lässt, bereiste er ganz Armenien, den Kaukasus, den Nahen Osten, Iran, Ägypten, Zentralasien, Indien und Tibet. Unterwegs beschäftigte er sich intensiv mit der Musik, den Ritualen und den Traditionen unterschiedlichster Kulturen; seine Lehrer waren Fakire, Yogis und Mönche. Aus diesen tiefgreifenden Erfahrungen entwickelte Gurdjieff schließlich eine Methode, die von seinen Anhänger:innen „Das Werk“ genannt wird und als ganzheitliche Praxis die harmonische Entwicklung von Körper, Emotionen und Geist anstrebt. Sie soll die Menschen aus einem von Gurdjieff als „schlafähnliche Hypnose“ bezeichneten Zustand erwecken und zur vollen Entfaltung ihres Potenzials und Bewusstseins führen.
Gurdjieffs Musik ist maßgeblich von den Kulturen und spirituellen Traditionen geprägt, denen er auf seinen Reisen begegnete. Seine Kompositionen, die in den 1920er Jahren hauptsächlich für Klavier entstanden, diktierte er seinem Schüler, dem aus der heutigen Ukraine stammenden Pianisten und Komponisten Thomas de Hartmann. Wir präsentieren sie in Bearbeitungen für traditionelle Instrumente des Nahen und Mittleren Ostens, wodurch Gurdjieffs Musik in neuem Licht und in ihrem ursprünglichen kulturellen und klanglichen Kontext wieder lebendig wird.
Gurdjieffs Vater war ein sogenannter Aschug, ein Vertreter der jahrhundertealten Tradition von armenischen Barden, mit der auch sein Sohn aufwuchs. Neben dessen eigener Musik beleuchtet das heutige Programm auch das Schaffen der armenischen Aschugs. Werke berühmter Barden wie Jivani, Baghdasar Dbir und des legendären Sayat-Nova setzen Gurdjieffs Schaffen in Beziehung zu diesem reichen künstlerischen Erbe.
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Aschugs zeichnen sich traditionell durch ein tiefes Verständnis für die menschliche Natur und Existenz aus und bringen in ihren Gedichten und Liedern spirituelle Wahrheiten zum Ausdruck. Solche dichtenden Sänger waren bereits im vorchristlichen Armenien und im Mittelalter als „Gusans“ bekannt; im Spätmittelalter entwickelte sich daraus die Kunst der Aschugs, die seitdem einen bedeutenden Beitrag zum literarischen und musikalischen Erbe des Kaukasus und darüber hinaus geleistet haben. Sayat-Nova, ein großer Meister dieser Kunst, war ein vielseitiger Künstler, der die mittelalterliche armenische Lyrik mit dem entstehenden östlichen Balladengesang verband und so einen neuartigen, lebendigen poetischen Stil schuf. In seinen Gedichten finden sich Elemente alter bardischer Traditionen, volkstümlicher Erzählungen, epischer Dichtung sowie Anspielungen auf christlich-biblische, mythologische und sufistische Überlieferungen. Er war Hof-Aschug des Königs Erekle II. von Georgien, musste dann jedoch ins Exil nach Persien fliehen und wurde Priester und Mönch. Schließlich lebte er im Kloster Haghpat in Armenien. Sein Einfluss auf Kunst und Musik des Kaukasus über die Jahrhunderte hinweg ist kaum zu überschätzen.
Dard Mi Ani („Fürchte dich nicht“) ist ein Liebeslied, das Poesie, Erzählkunst und Musik miteinander vereint und während Sayat-Novas Zeit als Hofmusiker entstand. In Metaphern und Allegorien behandelt der Text universelle Themen wie Liebe, Verlust und die Suche nach spiritueller Erfüllung. In einigen Gedichten besingt Sayat-Nova die Vorstellung einer Annäherung von menschlicher an göttliche Liebe. Ashkharhes Me Panjara e („Die Welt ist ein Fenster“) bringt das Wesen von Sayat-Novas spiritueller Suche auf den Punkt und ist eine berührende Reflexion über die menschliche Existenz und die Suche nach dem Sinn des Lebens.
Jivani, fast eineinhalb Jahrhunderte nach Sayat-Nova geboren, war ein bekannter Sänger und Dichter, der mehr als 800 Lieder in armenischer Sprache schrieb und sich dabei stilistisch zwischen Romantik, Ironie und Realismus bewegte. Seine Kompositionen zeichnen sich durch ihren improvisatorischen Charakter und sein Gespür für das Erzählen von Geschichten aus. Kankaravor Enker („Freund von Talenten“) handelt in lebhafter Metaphorik von Neid und Eifersucht zwischen Freunden.
Baghdasar Dbir war nicht nur Dichter und Musiker, sondern auch Wissenschaftler, Herausgeber und Pädagoge. Er wurde zur Zeit der osmanischen Herrschaft in Konstantinopel geboren und wuchs als Teil der großen armenischen Gemeinschaft auf, die es damals in der Stadt gab. Seine Veröffentlichungen reichten von religiöser und theologischer Literatur bis hin zu Büchern über mittelalterliche Geschichte und soziale, religiöse und moralische Fragen. Zartir („Wach auf“) verbindet Elemente der Aschug-Tradition mit alter liturgischer Musik. Das Stück beginnt mit den aufrüttelnden Worten: „Aus deinem königlichen Schlummer, / Wach auf, meine Gnädige, wach auf. / Die Strahlen der Sonne haben dich erreicht, / Wach auf, meine Gnädige, wach auf“ – vielleicht ein metaphorischer Weckruf aus einem geistigen Schlaf oder einem Zustand der Unwissenheit. Diese Idee behandelt Dbir in allegorischer Form im gesamten Gedicht und schafft so ein Gefühl der Transzendenz.
Dieser Weckruf steht im Einklang mit Gurdjieffs Lehren über persönliche Entwicklung und Selbsterkenntnis. In der heutigen Welt, in der die verheerenden Auswirkungen von Kriegen und Umweltzerstörung durch unseren Mangel an Respekt gegenüber der Natur nicht mehr zu leugnen sind, müssen wir erkennen, wie oberflächlich die Prioritäten oft sind, die wir in unserem eigenen Leben setzen. Selbstreflexion ist der erste Schritt zum Erwachen.
Das Programm endet mit Gurdjieffs Great Prayer. Die Musik stammt ursprünglich aus einem Kloster in Kaschgar, einer der westlichsten Städte des heutigen China nahe der Grenze zu Kirgisistan. Dort trafen vier der großen Zivilisationen der Welt aufeinander: die altchinesische, die altindische, die christliche und die islamische. Jahrtausendelang war die Stadt ein wichtiger Knotenpunkt an der Seidenstraße, die die östliche und die westliche Welt miteinander verband.
Levon Eskenian
Ashugh Jivani (Mitte) mit Musikern, ca. 1897

Gurdjieff Ensemble
Das von Levon Eskenian ins Leben gerufene Gurdjieff Ensemble vereint führende Musiker:innen Armeniens, die sich auf die traditionellen Instrumente des Landes und des Nahen Ostens spezialisiert haben. Ursprüngliches Anliegen der Gruppe war die Aufführung der Musik George Gurdjieffs in musikethnologisch authentischen Bearbeitungen. Mittlerweile zählen aber auch Musik des Nahen Ostens, mittelalterliche armenische Volksmusik, kaukasische Troubadour-Gesänge sowie Werke von Komitas Vardapet, Béla Bartók und zeitgenössischen Komponist:innen zum Repertoire des Ensembles. Konzerte führten die Musiker:innen in rund 30 Länder auf der ganzen Welt. Die Aufnahmen des Ensembles wurden u.a. mit dem renommierten Edison Award ausgezeichnet.
Dezember 2024