Frei nach Ovids Metamorphosen erzählt Georg Friedrich Händels Serenata Aci, Galatea e Polifemo aus dem Jahr 1708 mehr als eine pastorale Liebesgeschichte: Im Kräftemessen zwischen mythischen Mächten, Naturgewalt und menschlicher Leidenschaft legt die Regisseurin und Figurentheater-Macherin Janni Younge, deren unverwechselbar poetische Bildsprache weltweit für Begeisterung sorgt, mit ihrer südafrikanischen Kompanie ebenso universelle wie aktuelle Fragen nach der fragilen Beziehung von Mensch, Natur und Lebensraum frei. Den musikalischen Part dieser einzigartigen, speziell für den Pierre Boulez Saal entwickelten Inszenierung übernehmen die Barockspezialist:innen der Akademie für Alte Musik Berlin und ein erstklassig besetztes Sänger:innenensemble.

Programm

Georg Friedrich Händel (1685–1759)
Aci, Galatea e Polifemo

Dramatische Serenata HWV 72 (1708)
Libretto von Nicola Giuvo

Aufführung in italienischer Sprache ohne Übertitel
Dauer: ca. 100 Minuten ohne Pause

Besetzung

Akademie für Alte Musik Berlin
Georg Kallweit Konzertmeister

Roberta Mameli Aci
Sophie Rennert Galatea
Luigi De Donato Polifemo

Janni Younge Regie
Janni Younge mit Luke Younge und Sean Mac Pherson Ausstattung
Elvis Sibeko Choreografie
Lize-Marie Wait Licht und Inspizienz
Illka Louw Kostüme

Mongiwekhaya, Lubabalo Pupu, Vuyolwethu Nompetsheni,
Roshina Ratnam, Sven-Eric Müller, Nathi Mngomezulu,
Sophie Joans, Keishia Solomon

Szenische Darstellung

JANNI YOUNGE PRODUCTIONS
Luke Younge Puppenkonstruktion und Hängung | Janni Younge, Luke Younge,
Sean Mac Pherson, Uys van der Merwe, Judy Wainey, Christopher Worthington-Smith,
Rudo Chiyangwa, Belson Malunga, Thokozani Nandolo, Samkelo Zihlangu,
Zuko Nxantsiya, Zubenathi Zide, Siyanda Mzantsi, Sivuyile Gatji
Puppenbau |
Linette van Rensburg Kostümassistenz |

Bridget Hines, Nitya Ramlogan, Annika Schaper, Laura Schulze,
Anastasiia Starodubova, Mayra Stergiou, Tara Younge
Assistenz szenische Darstellung

AKADEMIE FÜR ALTE MUSIK
Georg Kallweit Konzertmeister | Emmanuelle Bernard, Kerstin Erben,
Thomas Graewe, Barbara Halfter
Violine I | Dörte Wetzel, Edi Kotlyar, Erik Dorset,
Edburg Forck
Violine II | Clemens-Maria Nuszbaumer, Sabine Fehlandt Viola |
Jan Freiheit, Barbara Kernig Violoncello | Walter Rumer, Raivis Misjuns Kontrabass |
Xenia Löffler Oboe, Blockflöte | Christian Beuse Fagott | Ute Hartwich,
Sebastian Kuhn
Trompete | Michael Freimuth Laute | Raphael Alpermann Cembalo, Orgel

Teorem Berkay Aksu, Gosia Cnota, Arianna de la Cruz Lara Percussion

Uwe Schneider General Manager | Linus Bickmann Dramaturg und Assistenz General Manager |
Irene Deffner Projektmanagement

PIERRE BOULEZ SAAL
Kirsten Dawes Künstlerische Leitung | Christoph Schaller Dramaturgie |
Clara Marie Stangier Projektleitung | Hildegard de Stefano Projektassistenz |
Oliver Klühs Technische Leitung | Christian Klühs, Marius Adam Veranstaltungstechnik |
Helene Mönkemeyer Inspizienz

JANNI YOUNGE PRODUCTIONS
Luke Younge Puppenkonstruktion und Hängung | Janni Younge, Luke Younge,
Sean Mac Pherson, Uys van der Merwe, Judy Wainey, Christopher Worthington-Smith,
Rudo Chiyangwa, Belson Malunga, Thokozani Nandolo, Samkelo Zihlangu,
Zuko Nxantsiya, Zubenathi Zide, Siyanda Mzantsi, Sivuyile Gatji
Puppenbau |
Linette van Rensburg Kostümassistenz |

Bridget Hines, Nitya Ramlogan, Annika Schaper, Laura Schulze,
Anastasiia Starodubova, Mayra Stergiou, Tara Younge
Assistenz szenische Darstellung

AKADEMIE FÜR ALTE MUSIK
Georg Kallweit Konzertmeister | Emmanuelle Bernard, Kerstin Erben,
Thomas Graewe, Barbara Halfter
Violine I | Dörte Wetzel, Edi Kotlyar, Erik Dorset,
Edburg Forck
Violine II | Clemens-Maria Nuszbaumer, Sabine Fehlandt Viola |
Jan Freiheit, Barbara Kernig Violoncello | Walter Rumer, Raivis Misjuns Kontrabass |
Xenia Löffler Oboe, Blockflöte | Christian Beuse Fagott | Ute Hartwich,
Sebastian Kuhn
Trompete | Michael Freimuth Laute | Raphael Alpermann Cembalo, Orgel

Teorem Berkay Aksu, Gosia Cnota, Arianna de la Cruz Lara Percussion

Uwe Schneider General Manager | Linus Bickmann Dramaturg und Assistenz General Manager |
Irene Deffner Projektmanagement

PIERRE BOULEZ SAAL
Kirsten Dawes Künstlerische Leitung | Christoph Schaller Dramaturgie |
Clara Marie Stangier Projektleitung | Hildegard de Stefano Projektassistenz |
Oliver Klühs Technische Leitung | Christian Klühs, Marius Adam Veranstaltungstechnik |
Helene Mönkemeyer Inspizienz

Die Handlung

Galatea, eine Tochter des Meeresgottes Nereus, und Aci, Sohn von Faunus, dem Gott der Wälder und Wiesen, sind ein Liebespaar. Ihre Liebe wird durch den Riesen Polifemo bedroht, der leidenschaftlich von Galatea besessen ist. Als sie ihn verspottet und zurückweist, warnt er, dass er seinen Willen mit Gewalt durchsetzen wird. Aci verteidigt Galatea tapfer, doch als Polifemos Zorn wächst, müssen die beiden erkennen, dass ihr Zusammensein zu unerträglichem Leid für den anderen führen wird. Galatea flieht zurück ins Meer, doch auch dort findet sie keinen Weg, die drohende Katastrophe abzuwenden und kehrt zu Aci zurück. Vom Anblick des verliebten Paares in Rage versetzt, das im Angesicht des unausweichlichen Unglücks vereint ist, erschlägt Polifemo Aci mit einem Felsbrocken. Galatea bittet ihren Vater, Aci in einen Fluss zu verwandeln. Dann muss Polifemo mit ansehen, wie das Paar im Meer wieder zusammenfindet, und wird sich des Ausmaßes seines Verlustes und der eigenen Einsamkeit bewusst.

Lesen Sie das vollständige Libretto mit deutscher und englischer Übersetzung hier

Zutiefst menschlich und überlebensgroß

Aci, Galatea e Polifemo erzählt von Liebe, Sehnsucht und Verlangen, zerstörerischer Gewalt und schließlich von Veränderung. Drei Figuren, die in einem unheilvollen Beziehungsdreieck gefangen sind, sind dramaturgisch gesehen eine vertraute Konstellation. Hier geht es aber nicht einfach nur um Menschen. Aci, Galatea und Polifemo entstammen der Götterwelt der griechischen Mythologie, sie sind überlebensgroße und zeitlose Emanationen der Beziehung zwischen Mensch und Welt. Vielleicht provozieren sie deshalb immer wieder die künstlerische Fantasie, weil ihr Schicksal die emotionalen Tiefen unseres Daseins anspricht.

Essay von Janni Younge

Zutiefst menschlich und überlebensgroß
Händels Aci, Galatea e Polifemo als Figurentheater

Janni Younge

Aci, Galatea e Polifemo erzählt von Liebe, Sehnsucht und Verlangen, zerstörerischer Gewalt und schließlich von Veränderung. Drei Figuren, die in einem unheilvollen Beziehungsdreieck gefangen sind, sind dramaturgisch gesehen eine vertraute Konstellation. Hier geht es aber nicht einfach nur um Menschen.

Aci, Galatea und Polifemo entstammen der Götterwelt der griechischen Mythologie, sie sind überlebensgroße und zeitlose Emanationen der Beziehung zwischen Mensch und Welt und eng mit dem Meer, der lebendigen Natur und dem Urgrund der Erde verbunden. Sie sind sowohl menschlich als auch übermenschlich, sie verkörpern Mächte und Kräfte, die in uns und um uns herum wirken. Aci, Galatea und Polifemo sind über die Jahrhunderte hinweg in zahlreichen europäischen Kunstwerken dargestellt worden – vielleicht provozieren sie deshalb immer wieder die künstlerische Fantasie, weil ihr Schicksal die emotionalen Tiefen unseres Daseins anspricht.

Unsere Inszenierung ist von den monumentalen Zügen dieser Charaktere und ihren mythologischen Ursprüngen inspiriert. Galatea verkörpert sowohl das Meer als auch eine Figur, die sich daraus erhebt und sich fließend und flexibel an ihre Umgebung anpasst. Aci, der sich von einem Landlebewesen zum Menschen entwickelt, steht für das Leben auf der Erde. Polifemo repräsentiert die potenziell zerstörerische Gewalt der Natur, des Klimas, der Kräfte, die tief in der Erde schlummern. Im Verlauf des Stücks nimmt jede der drei Figuren unterschiedliche Gestalten an, die mit ihrer emotionalen Entwicklung korrespondieren.

Die Musik Händels fängt die vielschichtigen, intimen und ausgesprochen menschlichen Beziehungen, die in dieser Geschichte stecken, fantastisch ein. In ihr schwingt die individuelle und die kollektive Erfahrung von Liebe und Verlust, sie berührt die Zerstörung und die Ängste, die wir als Individuen in uns tragen, sie ruft den Schmerz wach, den wir als Gesellschaft und als Menschheit kennen und verantworten.

Der einzigartige Raum des Pierre Boulez Saals hat unsere Inszenierung geformt. Seine elliptische Struktur umarmt und umgibt uns und lässt uns individuelle Erfahrungen als Teil einer Gemeinschaft machen. Die Aufführung nutzt alle Dimensionen, über uns, vor uns und um uns herum. Galatea nimmt mit ihrem wogenden Meeresgewand das Zentrum ein, während Aci sich im Zuschauerraum bewegt und der riesige Polifemo die Szenerie von oben beherrscht.

Aci und Galatea finden durch die Metamorphose über den Tod hinaus zueinander. Das Figurentheater ist eine inhärent metaphorische Kunstform, da sie dem Unbelebten durch die Kraft der Darsteller:innen Leben verleiht. Tanz, physisch-körperliche Expressivität und Puppen verbinden sich während des Stücks in immer neuen Konstellationen. Wir atmen ein, atmen aus, atmen gemeinsam. Dem Atem zu lauschen wird zu einem Katalysator für Empathie. Unser Atem, die Grundlage des Lebens, bildet die innigste Verbindung zwischen unseren Körpern und unserer Umwelt. Über den Atem erwecken wir die verschiedenen Elemente unserer Produktion zum Leben. Über den Atem weben wir ein verbindendes Netz, dass die drei Hauptfiguren umspannt und ihre untrennbare Verflechtung ebenso wie unsere eigene Abhängigkeit voneinander und unserer Welt widerspiegelt.

Übersetzung: Christoph Schaller

Janni Younge ist preisgekrönte multimediale Theaterkünstlerin und Regisseurin mit Schwerpunkt Figurentheater. Diese Inszenierung von Händels Aci, Galatea e Polifemo im Pierre Boulez Saal ist ihre erste Zusammenarbeit mit der Akademie für Alte Musik Berlin.

Zutiefst menschlich und überlebensgroß
Händels Aci, Galatea e Polifemo als Figurentheater

Janni Younge

Aci, Galatea e Polifemo erzählt von Liebe, Sehnsucht und Verlangen, zerstörerischer Gewalt und schließlich von Veränderung. Drei Figuren, die in einem unheilvollen Beziehungsdreieck gefangen sind, sind dramaturgisch gesehen eine vertraute Konstellation. Hier geht es aber nicht einfach nur um Menschen.

Aci, Galatea und Polifemo entstammen der Götterwelt der griechischen Mythologie, sie sind überlebensgroße und zeitlose Emanationen der Beziehung zwischen Mensch und Welt und eng mit dem Meer, der lebendigen Natur und dem Urgrund der Erde verbunden. Sie sind sowohl menschlich als auch übermenschlich, sie verkörpern Mächte und Kräfte, die in uns und um uns herum wirken. Aci, Galatea und Polifemo sind über die Jahrhunderte hinweg in zahlreichen europäischen Kunstwerken dargestellt worden – vielleicht provozieren sie deshalb immer wieder die künstlerische Fantasie, weil ihr Schicksal die emotionalen Tiefen unseres Daseins anspricht.

Unsere Inszenierung ist von den monumentalen Zügen dieser Charaktere und ihren mythologischen Ursprüngen inspiriert. Galatea verkörpert sowohl das Meer als auch eine Figur, die sich daraus erhebt und sich fließend und flexibel an ihre Umgebung anpasst. Aci, der sich von einem Landlebewesen zum Menschen entwickelt, steht für das Leben auf der Erde. Polifemo repräsentiert die potenziell zerstörerische Gewalt der Natur, des Klimas, der Kräfte, die tief in der Erde schlummern. Im Verlauf des Stücks nimmt jede der drei Figuren unterschiedliche Gestalten an, die mit ihrer emotionalen Entwicklung korrespondieren.

Die Musik Händels fängt die vielschichtigen, intimen und ausgesprochen menschlichen Beziehungen, die in dieser Geschichte stecken, fantastisch ein. In ihr schwingt die individuelle und die kollektive Erfahrung von Liebe und Verlust, sie berührt die Zerstörung und die Ängste, die wir als Individuen in uns tragen, sie ruft den Schmerz wach, den wir als Gesellschaft und als Menschheit kennen und verantworten.

Der einzigartige Raum des Pierre Boulez Saals hat unsere Inszenierung geformt. Seine elliptische Struktur umarmt und umgibt uns und lässt uns individuelle Erfahrungen als Teil einer Gemeinschaft machen. Die Aufführung nutzt alle Dimensionen, über uns, vor uns und um uns herum. Galatea nimmt mit ihrem wogenden Meeresgewand das Zentrum ein, während Aci sich im Zuschauerraum bewegt und der riesige Polifemo die Szenerie von oben beherrscht.

Aci und Galatea finden durch die Metamorphose über den Tod hinaus zueinander. Das Figurentheater ist eine inhärent metaphorische Kunstform, da sie dem Unbelebten durch die Kraft der Darsteller:innen Leben verleiht. Tanz, physisch-körperliche Expressivität und Puppen verbinden sich während des Stücks in immer neuen Konstellationen. Wir atmen ein, atmen aus, atmen gemeinsam. Dem Atem zu lauschen wird zu einem Katalysator für Empathie. Unser Atem, die Grundlage des Lebens, bildet die innigste Verbindung zwischen unseren Körpern und unserer Umwelt. Über den Atem erwecken wir die verschiedenen Elemente unserer Produktion zum Leben. Über den Atem weben wir ein verbindendes Netz, dass die drei Hauptfiguren umspannt und ihre untrennbare Verflechtung ebenso wie unsere eigene Abhängigkeit voneinander und unserer Welt widerspiegelt.

Übersetzung: Christoph Schaller

Janni Younge ist preisgekrönte multimediale Theaterkünstlerin und Regisseurin mit Schwerpunkt Figurentheater. Diese Inszenierung von Händels Aci, Galatea e Polifemo im Pierre Boulez Saal ist ihre erste Zusammenarbeit mit der Akademie für Alte Musik Berlin.

Mythische Landschaften

Wer heute an der Ostküste Siziliens unterwegs ist, begegnet einem Namen immer wieder: Acireale, Acitrezza, Aci Castello, Aci Catena – all diese kleinen Städtchen und Ortschaften rund um Catania erinnern an den mythischen Hirtenjungen Acis (ital. Aci), der hier, an den fruchtbaren Hängen des Ätna, seine Schafe gehütet haben soll. Sein tragisches Schicksal, erzählt von Ovid, wurde wurde zur Inspiration für zahlreiche Künstler:innen. Unternehmen Sie einen Streifzug durch Händels mythische Landschaften.

Essay von Christoph Schaller

Mythische Landschaften
 

Christoph Schaller


Wer heute an der Ostküste Siziliens unterwegs ist, begegnet einem Namen immer wieder: Acireale, Acitrezza, Aci Castello, Aci Catena – all diese kleinen Städtchen und Ortschaften rund um Catania erinnern an den mythischen Hirtenjungen Acis (ital. Aci), der hier, an den fruchtbaren Hängen des Ätna, seine Schafe gehütet haben soll.

Von seinem Schicksal berichten die kurz nach der Zeitenwende entstandenen Metamorphosen des römischen Dichters Ovid: Acis erscheint dort als Geliebter der Nymphe Galatea, einer der als Nereiden bekannten 50 Töchter des Meeresgottes Nereus. Ihre idyllische Zweisamkeit stört der ebenfalls in Liebe zu Galatea entbrannte Riese Polyphem, der sie mit seinen Avancen zunehmend aggressiv bedrängt. Von Galatea abgewiesen, erschlägt der eifersüchtige Kyklop Acis mit einem Felsbrocken. Der strömt jedoch nach der titelgebenden Verwandlung in einen frischen Quellfluss Richtung Meer und wird so wieder mit seiner Galatea vereint.

Der Stoff wurde, wie so viele Erzählungen aus Ovids Metamorphosen, in der europäischen Renaissance und spätestens im Barock zu einer beliebten Vorlage für literarische und musikalische Adaptionen. Händel beschäftigte sich über mehrere Jahrzehnte immer wieder mit ihm – das bekannteste Ergebnis dürfte die dreiteilige Masque Acis and Galatea HWV 49b sein, die Händel 1732 für das King’s Theatre in London schrieb. Da lag seine erste Vertonung bereits 24 Jahre zurück: schon 1708 entstand, vermutlich für eine Hochzeit in neapolitanischen Adelskreisen, die dramatische Serenata Aci, Galatea e Polifemo HWV 72.


Provokant emphatisch

In Nicola Giuvo fand der junge Händel für diese erste Verarbeitung einen Librettisten mit außerordentlich feinem Gespür für die Vielschichtigkeit der ovidischen Vorlage und ihr psychologisches-emotionales Potenzial. Andere zeitgenössische Bearbeiter wie Pietro Metastasio (La Galatea, 1722) oder Attilio Ariosti (Polifemo, vertont 1703 von Giovanni Bononcini für den Berliner Hof) gestalteten den Stoff als Pastorale in arkadischem Setting, in dem die Tragik des Geschehens durch die Einführung weiterer Charaktere und Nebenhandlungen abgefedert und die Heiterkeit der Hirtenwelt durch den brutalen Gewaltakt Polifemos (der gerne hinter der Bühne stattfindet) nur kurz gestört wird. Polifemo selbst gerät dabei fast unweigerlich zur komischen Figur: Das Liebeswerben des ungepflegten Riesen um Galatea wirkt tölpelhaft, seine aggressiven Ausbrüche trotz aller Gewalttätigkeit fast lächerlich in ihrer ungelenken Grobheit.

Ganz anders Giuvo: er beschränkt sich – sicherlich auch dem Aufführungskontext im Rahmen eines Hochzeitsfestes geschuldet – auf die drei Hauptfiguren, die er dafür umso vielschichtiger zeichnet und dabei vor emotionaler Drastik nicht zurückschreckt. Pastorale Elemente sind natürlich auch bei ihm präsent, doch die idyllische Szenerie wird von Anfang an gebrochen: schon im ersten Duett von Aci und Galatea ist die friedliche Morgenstimmung der Verliebten getrübt vom Bewusstsein für den mit ihrer Liebe untrennbar verbundenen Schmerz, der sich im Verlauf des Stückes immer konkreter manifestieren wird und schließlich in die Katastrophe mündet. Dennoch spielen sie keineswegs nur die Rolle passiver Opfer, die sich wehklagend in ihr unausweichliches Schicksal ergeben. Mit jugendlichem Heldenmut (Acis Arie „Dell’aquila l’artigli“) und Selbstbewusstsein (etwa Galateas eindrucksvolles „Benché tuoni e l’etra avvampi“) stellen sie sich Polifemo entgegen.

Auch ihn gestaltet Giuvo alles andere als eindimensional: seinem Polifemo fehlt jede Plumpheit oder Komik; dadurch tritt die zerstörerische Brutalität seiner Aggression gegenüber Galatea und Aci umso schonungsloser zu tage. Schmetternde Trompeten kündigen in Händels Vertonung seinen Auftritt an, wenn sich der vor Eifersucht entbrannte Riese zum ersten Mal in all seiner Übermacht dem Liebespaar gegenüberstellt (Nr. 7 „Sibilar l’angui d’Aletto“). Überhaupt ist die Bass-Partie mit ihren hochvirtuosen Arien, rasanten Koloraturläufen, extremen Intervallsprüngen und einem gewaltigen Stimmumfang von zweieinhalb Oktaven eine einzige Demonstration vokaler Potenz.

Doch Polifemo bleibt kein monströser Unmensch. Sein Schmerz angesichts seiner unerwiderten Gefühle für Galatea ist genauso echt wie seine menschenfeindliche Gewalt. Händel gibt dieser Ambivalenz in Giuvos Libretto auch musikalisch viel Raum und findet für sie geniale klingende Entsprechungen: erneut von Galatea abgewiesen, die zwischenzeitlich Zuflucht bei ihrem Vater in den Fluten des Meeres sucht, bleibt Polifemo allein zurück – hoffnungslos und ohne Aussicht auf einen glücklichen Ausgang (Nr. 21 „Fra l’ombre e gl’orrori“). Die kantigen Sprungmotive, die noch wenige Minuten zuvor den Eindruck brodelnder, kurz vor der Eruption stehender Wut erweckt hatten (Nr. 15 „Precipitoso nel mar che freme“), werden jetzt zu verzweifelten Gesten eines tief Verletzten, der – wie ein Falter im Dunkeln – erfolglos nach Halt und Orientierung sucht. Nicht nur die Leidtragenden seiner barbarischen Gewalt, auch Polifemo selbst fordert zur Empathie heraus – dessen Verhalten dadurch natürlich kein bisschen an Rechtfertigung gewinnt.

 

Zwischen Idyll und Abgrund

Die Dreiecksbeziehung zwischen Acis, Galatea und Polyphem, die von Händel und Giuvo so facettenreich inszeniert wird, ist eine originäre erzählerische Erfindung Ovids. In ältere Überlieferungen führte er mit der Figur des Acis gewissermaßen erst den Motor für eine dramatische Handlung ein, während Galatea und Polyphem sowie ihre Beziehung zueinander auf weit frühere mythologische Schichten zurückgehen, deren Spuren seinen und in der Folge auch Giuvos Text durchziehen.

Polyphem hat seinen wahrscheinlich berühmtesten Auftritt bereits in einer Episode aus Homers im 8. Jahrhundert v. Chr. entstandenen Odyssee, in der der verirrte Troja-Heimkehrer Odysseus mit seiner Mannschaft im „Land der wilden gesetzelosen Kyklopen“ in Polyphems Gefangenschaft gerät. Nur dank seiner berühmten List gelingt ihm und dem Rest seiner Männer – sechs von ihnen hatte der gefräßige Riese bereits verspeist – schließlich die Flucht aus dessen bergiger Höhle. Die Felsformationen, die vor der sizilianischen Küste scharf aus dem Meer aufragen, werden noch heute Isole dei Ciclopi („Kyklopeninseln“) genannt – dem Homerischen Epos zufolge brach sie der geblendete Polyphem von den Berggipfeln und schleuderte sie vergeblich den davonsegelnden Schiffen des Odysseus hinterher.

Während sich Homers Kyklopenland – wie alle fantastischen Schauplätze der Odyssee – nicht eindeutig in der realen Geographie des Mittelmeerraums verorten lässt, identifiziert Euripides es in seinem rund 400 Jahre jüngeren Satyrspiel Der Kyklop, in dem er Homers Polyphem-Episode komödiantisch umarbeitet, klar mit Sizilien. Dort wurde auch Galatea als Behüterin des milchgebenden Viehs rund um den Ätna und als Garantin für eine ruhige, friedliche See kultisch verehrt. Etwa auf die gleiche Zeit geht auch das Motiv der unerwiderten Liebe Polyphems zu Galatea zurück – wobei die Nymphe, anders als später bei Ovid, dem Werben des Kyklopen durchaus nicht nur ablehnend gegenübersteht; manche Versionen erwähnen sogar einen gemeinsamen Sohn, Galates.

Einig sind sich die verschiedenen Quellen bei der Beschreibung von Polyphems Heimat als wundersamer und schrecklicher Ort zugleich: Zwischen den von den Riesen bewohnten Berggipfeln und der Brandung des Meeres gedeiht das Leben im Überfluss, ohne dass dafür irgendwelche Anstrengung nötig wäre; in der von Flussläufen durchzogenen Landschaft finden Schafe und Ziegen saftiges Grün in Hülle und Fülle, sodass sich Homers Polyphem einen ansehnlichen Vorrat auserlesenen Käses zulegen kann. Als sich der durchreisende Odysseus unerlaubt daran bedient, bekommt er die monströse Kehrseite des scheinbaren Idylls zu spüren. Auch Vergils Aeneas, der auf seiner Reise aus den Trümmern Trojas in die neue Heimat Italien ebenfalls an der sizilianischen Küste strandet und vor dem rasenden Polyphem fliehen muss, erlebt die Insel von ihrer menschenfeindlichen Seite: das Geschrei des Riesen versetzt das Meer in Aufruhr, erschüttert die Erde und dröhnt in den zerklüfteten Höhlen des Ätna, der Felsen und Flammen speit. Bei Ovid wird Polyphem schließlich direkt mit der Zerstörungskraft des Vulkans assoziiert, wenn nicht gar identifiziert: heiß brennt die Eifersucht in ihm, als trüge er den gewaltigen Ätna selbst in der Brust. Manche Kommentator:innen sehen in dieser Identifikation sogar den ätiologischen Ursprung der Polyphem-Sage: der unberechenbare, feuerspuckende Krater wurde demnach im Mythos als einäugiges Monstrum „rationalisiert“ – ganz so wie die mythische Vorstellungskraft die gefährlichen Meeresströmungen in der Straße von Messina mit den Seeungeheuern Scylla und Charybdis personifizierte.

Die realhistorischen Entwicklungen während der sog. archaischen Periode (etwa 800–500 v. Chr.) verleihen dieser Interpretation vielleicht einige Plausibilität: Um 800 entstanden im Zuge der griechischen Kolonisation des westlichen Mittelmeerraums an der Ostküste der Insel die ersten Siedlungen, darunter auch Katane, das eingangs erwähnte heutige Catania. Wie ihre mythischen Vorgänger mussten auch die Neuankömmlinge die Ambivalenz ihrer neuen Lebenswelt erfahren: ihre Böden versprachen nahezu grenzenlose landwirtschaftliche Erträge, gleichzeitig war dieses Paradies permanent von den unkontrollierbaren Mächten der Natur bedroht – in erster Linie durch den alles überragenden Ätna, dessen zerstörerische Ausbrüche dank der fruchtbaren Vulkanerde ironischerweise auch die Grundlage für den ökologischen Reichtum bildeten. Auch das griechische Katane wurde in seiner Geschichte mehrfach von Lavaströmen zerstört.


Parabel auf die Veränderung

Echos dieser mythischen „Naturphilosophie“ finden sich auch in Händels und Giuvos Serenata. Während Galatea mit „ihrem“ Element oft durch kreisende Wellenmotivik assoziiert wird, zucken aus Polifemos Auge feurige Blitze („lampi di fuoco“). Mächtiges Grollen kündigt sein Erscheinen an und lässt die Erde beben, von Händel immer wieder durch Sechzehntelrepetitionen musikalisch in Szene gesetzt. Doch Polifemo beschwört auch Stürme herauf und wird selbst, provoziert von Acis und Galateas Widerstand, zumindest bildlich gesprochen zum reißenden Fluss, der sich in rasanten Skalenkaskaden Bahn bricht. Er repräsentiert so etwas wie die elementare Naturgewalt schlechthin, gegen die letztlich auch die Meeresgöttin Galatea und noch weniger der Mensch Aci irgendetwas ausrichten können.

Das Schicksal des Hirtenjungen Aci, der an den fruchtbaren Hängen des Ätna seine Schafe gehütet haben soll und durch Polifemos Zorn den (vorübergehenden) Tod fand, erzählt nicht nur vom tragischen Ende einer hochemotionalen Dreiecksbeziehung. Es stellt auch die Frage nach der Möglichkeit menschlicher Existenz inmitten des Kräftespiels der überlebenswichtigen, aber manchmal eben auch chaotischen, gewaltsamen, ja feindseligen natürlichen Lebensumwelt – eine Frage, die heute weit über die griechische Sagenwelt und ihre Entstehungskontexte hinaus immer drängendere Relevanz bekommt. Seine letzten Worte nach der Verwandlung spricht Aci übrigens nicht selbst. Giuvo legt sie in einem recht schmucklosen Accompagnato Polifemo in den Mund. Die Metamorphose ist keine Rückkehr. „Wahre Liebe gibt die Hoffnung niemals auf“ heißt es danach im versöhnlichen Schlussterzett, das die Hochzeitsgäste in die Nacht entlässt. Auf welchen Wandel können wir hoffen?


Christoph Schaller studierte Musikwissenschaft und Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin. Nach freiberuflicher Tätigkeit als Programmheftautor für die Klangkörper des Bayerischen Rundfunks und andere Konzertveranstalter ist er seit 2017 Dramaturg am Pierre Boulez Saal. Seine Abschlussarbeit zur Rezeptionsgeschichte des Messias wurde 2023 mit dem Forschungspreis der Georg-Friedrich-Händel-Gesellschaft ausgezeichnet.

Mythische Landschaften
 

Christoph Schaller


Wer heute an der Ostküste Siziliens unterwegs ist, begegnet einem Namen immer wieder: Acireale, Acitrezza, Aci Castello, Aci Catena – all diese kleinen Städtchen und Ortschaften rund um Catania erinnern an den mythischen Hirtenjungen Acis (ital. Aci), der hier, an den fruchtbaren Hängen des Ätna, seine Schafe gehütet haben soll.

Von seinem Schicksal berichten die kurz nach der Zeitenwende entstandenen Metamorphosen des römischen Dichters Ovid: Acis erscheint dort als Geliebter der Nymphe Galatea, einer der als Nereiden bekannten 50 Töchter des Meeresgottes Nereus. Ihre idyllische Zweisamkeit stört der ebenfalls in Liebe zu Galatea entbrannte Riese Polyphem, der sie mit seinen Avancen zunehmend aggressiv bedrängt. Von Galatea abgewiesen, erschlägt der eifersüchtige Kyklop Acis mit einem Felsbrocken. Der strömt jedoch nach der titelgebenden Verwandlung in einen frischen Quellfluss Richtung Meer und wird so wieder mit seiner Galatea vereint.

Der Stoff wurde, wie so viele Erzählungen aus Ovids Metamorphosen, in der europäischen Renaissance und spätestens im Barock zu einer beliebten Vorlage für literarische und musikalische Adaptionen. Händel beschäftigte sich über mehrere Jahrzehnte immer wieder mit ihm – das bekannteste Ergebnis dürfte die dreiteilige Masque Acis and Galatea HWV 49b sein, die Händel 1732 für das King’s Theatre in London schrieb. Da lag seine erste Vertonung bereits 24 Jahre zurück: schon 1708 entstand, vermutlich für eine Hochzeit in neapolitanischen Adelskreisen, die dramatische Serenata Aci, Galatea e Polifemo HWV 72.


Provokant emphatisch

In Nicola Giuvo fand der junge Händel für diese erste Verarbeitung einen Librettisten mit außerordentlich feinem Gespür für die Vielschichtigkeit der ovidischen Vorlage und ihr psychologisches-emotionales Potenzial. Andere zeitgenössische Bearbeiter wie Pietro Metastasio (La Galatea, 1722) oder Attilio Ariosti (Polifemo, vertont 1703 von Giovanni Bononcini für den Berliner Hof) gestalteten den Stoff als Pastorale in arkadischem Setting, in dem die Tragik des Geschehens durch die Einführung weiterer Charaktere und Nebenhandlungen abgefedert und die Heiterkeit der Hirtenwelt durch den brutalen Gewaltakt Polifemos (der gerne hinter der Bühne stattfindet) nur kurz gestört wird. Polifemo selbst gerät dabei fast unweigerlich zur komischen Figur: Das Liebeswerben des ungepflegten Riesen um Galatea wirkt tölpelhaft, seine aggressiven Ausbrüche trotz aller Gewalttätigkeit fast lächerlich in ihrer ungelenken Grobheit.

Ganz anders Giuvo: er beschränkt sich – sicherlich auch dem Aufführungskontext im Rahmen eines Hochzeitsfestes geschuldet – auf die drei Hauptfiguren, die er dafür umso vielschichtiger zeichnet und dabei vor emotionaler Drastik nicht zurückschreckt. Pastorale Elemente sind natürlich auch bei ihm präsent, doch die idyllische Szenerie wird von Anfang an gebrochen: schon im ersten Duett von Aci und Galatea ist die friedliche Morgenstimmung der Verliebten getrübt vom Bewusstsein für den mit ihrer Liebe untrennbar verbundenen Schmerz, der sich im Verlauf des Stückes immer konkreter manifestieren wird und schließlich in die Katastrophe mündet. Dennoch spielen sie keineswegs nur die Rolle passiver Opfer, die sich wehklagend in ihr unausweichliches Schicksal ergeben. Mit jugendlichem Heldenmut (Acis Arie „Dell’aquila l’artigli“) und Selbstbewusstsein (etwa Galateas eindrucksvolles „Benché tuoni e l’etra avvampi“) stellen sie sich Polifemo entgegen.

Auch ihn gestaltet Giuvo alles andere als eindimensional: seinem Polifemo fehlt jede Plumpheit oder Komik; dadurch tritt die zerstörerische Brutalität seiner Aggression gegenüber Galatea und Aci umso schonungsloser zu tage. Schmetternde Trompeten kündigen in Händels Vertonung seinen Auftritt an, wenn sich der vor Eifersucht entbrannte Riese zum ersten Mal in all seiner Übermacht dem Liebespaar gegenüberstellt (Nr. 7 „Sibilar l’angui d’Aletto“). Überhaupt ist die Bass-Partie mit ihren hochvirtuosen Arien, rasanten Koloraturläufen, extremen Intervallsprüngen und einem gewaltigen Stimmumfang von zweieinhalb Oktaven eine einzige Demonstration vokaler Potenz.

Doch Polifemo bleibt kein monströser Unmensch. Sein Schmerz angesichts seiner unerwiderten Gefühle für Galatea ist genauso echt wie seine menschenfeindliche Gewalt. Händel gibt dieser Ambivalenz in Giuvos Libretto auch musikalisch viel Raum und findet für sie geniale klingende Entsprechungen: erneut von Galatea abgewiesen, die zwischenzeitlich Zuflucht bei ihrem Vater in den Fluten des Meeres sucht, bleibt Polifemo allein zurück – hoffnungslos und ohne Aussicht auf einen glücklichen Ausgang (Nr. 21 „Fra l’ombre e gl’orrori“). Die kantigen Sprungmotive, die noch wenige Minuten zuvor den Eindruck brodelnder, kurz vor der Eruption stehender Wut erweckt hatten (Nr. 15 „Precipitoso nel mar che freme“), werden jetzt zu verzweifelten Gesten eines tief Verletzten, der – wie ein Falter im Dunkeln – erfolglos nach Halt und Orientierung sucht. Nicht nur die Leidtragenden seiner barbarischen Gewalt, auch Polifemo selbst fordert zur Empathie heraus – dessen Verhalten dadurch natürlich kein bisschen an Rechtfertigung gewinnt.

 

Zwischen Idyll und Abgrund

Die Dreiecksbeziehung zwischen Acis, Galatea und Polyphem, die von Händel und Giuvo so facettenreich inszeniert wird, ist eine originäre erzählerische Erfindung Ovids. In ältere Überlieferungen führte er mit der Figur des Acis gewissermaßen erst den Motor für eine dramatische Handlung ein, während Galatea und Polyphem sowie ihre Beziehung zueinander auf weit frühere mythologische Schichten zurückgehen, deren Spuren seinen und in der Folge auch Giuvos Text durchziehen.

Polyphem hat seinen wahrscheinlich berühmtesten Auftritt bereits in einer Episode aus Homers im 8. Jahrhundert v. Chr. entstandenen Odyssee, in der der verirrte Troja-Heimkehrer Odysseus mit seiner Mannschaft im „Land der wilden gesetzelosen Kyklopen“ in Polyphems Gefangenschaft gerät. Nur dank seiner berühmten List gelingt ihm und dem Rest seiner Männer – sechs von ihnen hatte der gefräßige Riese bereits verspeist – schließlich die Flucht aus dessen bergiger Höhle. Die Felsformationen, die vor der sizilianischen Küste scharf aus dem Meer aufragen, werden noch heute Isole dei Ciclopi („Kyklopeninseln“) genannt – dem Homerischen Epos zufolge brach sie der geblendete Polyphem von den Berggipfeln und schleuderte sie vergeblich den davonsegelnden Schiffen des Odysseus hinterher.

Während sich Homers Kyklopenland – wie alle fantastischen Schauplätze der Odyssee – nicht eindeutig in der realen Geographie des Mittelmeerraums verorten lässt, identifiziert Euripides es in seinem rund 400 Jahre jüngeren Satyrspiel Der Kyklop, in dem er Homers Polyphem-Episode komödiantisch umarbeitet, klar mit Sizilien. Dort wurde auch Galatea als Behüterin des milchgebenden Viehs rund um den Ätna und als Garantin für eine ruhige, friedliche See kultisch verehrt. Etwa auf die gleiche Zeit geht auch das Motiv der unerwiderten Liebe Polyphems zu Galatea zurück – wobei die Nymphe, anders als später bei Ovid, dem Werben des Kyklopen durchaus nicht nur ablehnend gegenübersteht; manche Versionen erwähnen sogar einen gemeinsamen Sohn, Galates.

Einig sind sich die verschiedenen Quellen bei der Beschreibung von Polyphems Heimat als wundersamer und schrecklicher Ort zugleich: Zwischen den von den Riesen bewohnten Berggipfeln und der Brandung des Meeres gedeiht das Leben im Überfluss, ohne dass dafür irgendwelche Anstrengung nötig wäre; in der von Flussläufen durchzogenen Landschaft finden Schafe und Ziegen saftiges Grün in Hülle und Fülle, sodass sich Homers Polyphem einen ansehnlichen Vorrat auserlesenen Käses zulegen kann. Als sich der durchreisende Odysseus unerlaubt daran bedient, bekommt er die monströse Kehrseite des scheinbaren Idylls zu spüren. Auch Vergils Aeneas, der auf seiner Reise aus den Trümmern Trojas in die neue Heimat Italien ebenfalls an der sizilianischen Küste strandet und vor dem rasenden Polyphem fliehen muss, erlebt die Insel von ihrer menschenfeindlichen Seite: das Geschrei des Riesen versetzt das Meer in Aufruhr, erschüttert die Erde und dröhnt in den zerklüfteten Höhlen des Ätna, der Felsen und Flammen speit. Bei Ovid wird Polyphem schließlich direkt mit der Zerstörungskraft des Vulkans assoziiert, wenn nicht gar identifiziert: heiß brennt die Eifersucht in ihm, als trüge er den gewaltigen Ätna selbst in der Brust. Manche Kommentator:innen sehen in dieser Identifikation sogar den ätiologischen Ursprung der Polyphem-Sage: der unberechenbare, feuerspuckende Krater wurde demnach im Mythos als einäugiges Monstrum „rationalisiert“ – ganz so wie die mythische Vorstellungskraft die gefährlichen Meeresströmungen in der Straße von Messina mit den Seeungeheuern Scylla und Charybdis personifizierte.

Die realhistorischen Entwicklungen während der sog. archaischen Periode (etwa 800–500 v. Chr.) verleihen dieser Interpretation vielleicht einige Plausibilität: Um 800 entstanden im Zuge der griechischen Kolonisation des westlichen Mittelmeerraums an der Ostküste der Insel die ersten Siedlungen, darunter auch Katane, das eingangs erwähnte heutige Catania. Wie ihre mythischen Vorgänger mussten auch die Neuankömmlinge die Ambivalenz ihrer neuen Lebenswelt erfahren: ihre Böden versprachen nahezu grenzenlose landwirtschaftliche Erträge, gleichzeitig war dieses Paradies permanent von den unkontrollierbaren Mächten der Natur bedroht – in erster Linie durch den alles überragenden Ätna, dessen zerstörerische Ausbrüche dank der fruchtbaren Vulkanerde ironischerweise auch die Grundlage für den ökologischen Reichtum bildeten. Auch das griechische Katane wurde in seiner Geschichte mehrfach von Lavaströmen zerstört.


Parabel auf die Veränderung

Echos dieser mythischen „Naturphilosophie“ finden sich auch in Händels und Giuvos Serenata. Während Galatea mit „ihrem“ Element oft durch kreisende Wellenmotivik assoziiert wird, zucken aus Polifemos Auge feurige Blitze („lampi di fuoco“). Mächtiges Grollen kündigt sein Erscheinen an und lässt die Erde beben, von Händel immer wieder durch Sechzehntelrepetitionen musikalisch in Szene gesetzt. Doch Polifemo beschwört auch Stürme herauf und wird selbst, provoziert von Acis und Galateas Widerstand, zumindest bildlich gesprochen zum reißenden Fluss, der sich in rasanten Skalenkaskaden Bahn bricht. Er repräsentiert so etwas wie die elementare Naturgewalt schlechthin, gegen die letztlich auch die Meeresgöttin Galatea und noch weniger der Mensch Aci irgendetwas ausrichten können.

Das Schicksal des Hirtenjungen Aci, der an den fruchtbaren Hängen des Ätna seine Schafe gehütet haben soll und durch Polifemos Zorn den (vorübergehenden) Tod fand, erzählt nicht nur vom tragischen Ende einer hochemotionalen Dreiecksbeziehung. Es stellt auch die Frage nach der Möglichkeit menschlicher Existenz inmitten des Kräftespiels der überlebenswichtigen, aber manchmal eben auch chaotischen, gewaltsamen, ja feindseligen natürlichen Lebensumwelt – eine Frage, die heute weit über die griechische Sagenwelt und ihre Entstehungskontexte hinaus immer drängendere Relevanz bekommt. Seine letzten Worte nach der Verwandlung spricht Aci übrigens nicht selbst. Giuvo legt sie in einem recht schmucklosen Accompagnato Polifemo in den Mund. Die Metamorphose ist keine Rückkehr. „Wahre Liebe gibt die Hoffnung niemals auf“ heißt es danach im versöhnlichen Schlussterzett, das die Hochzeitsgäste in die Nacht entlässt. Auf welchen Wandel können wir hoffen?


Christoph Schaller studierte Musikwissenschaft und Philosophie an der Humboldt-Universität Berlin. Nach freiberuflicher Tätigkeit als Programmheftautor für die Klangkörper des Bayerischen Rundfunks und andere Konzertveranstalter ist er seit 2017 Dramaturg am Pierre Boulez Saal. Seine Abschlussarbeit zur Rezeptionsgeschichte des Messias wurde 2023 mit dem Forschungspreis der Georg-Friedrich-Händel-Gesellschaft ausgezeichnet.

Künstlerische Alchemie

Obwohl es auch in Europa eine lange Tradition des Puppenspiels gibt, wird die Kunstform hier oft eher mit Theateraufführungen oder Fernsehsendungen für Kinder assoziiert als mit der ernsthaften Welt der Oper. In Südafrika spielte Figurentheater dagegen eine zentrale Rolle in der Auseinandersetzung mit einigen der schwierigsten gesellschaftlichen Debatten der jüngeren Vergangenheit. Die Verbindung dieser spezifisch südafrikanischen Theatertradition mit der Musik des europäischen Barock verspricht ein einmaliges und atemberaubendes Erlebnis.

Essay von Mongiwekhaya

Künstlerische Alchemie
Die unwahrscheinliche Wahlverwandtschaft zwischen Musiktheater und Puppenspiel

Von Mongiwekhaya


Die atemberaubendsten und unvorhersehbarsten Erlebnisse entstehen in der Welt der Kunst oft aus dem Zusammentreffen von verschiedenen Disziplinen. Eine dieser ungewöhnlichen Verbindungen, die Kombination von Barockmusik und zeitgenössischem Figurentheater, haben wir während der letzten Wochen und Monate in Vorbereitung dieser Produktion von Händels Aci, Galatea e Polifemo erkundet, der ersten Zusammenarbeit zwischen Regisseurin Janni Younge und der Akademie für Alte Musik Berlin.

Zwar gibt es auch in Europa eine Puppenspieltradition, und auch in aktuellen Musiktheaterproduktionen kommen vereinzelt Elemente des Figurentheaters zum Einsatz, aber insgesamt bringt man diese Kunstform hier eher mit Theateraufführungen oder Fernsehsendungen für Kinder in Verbindung als mit der ernsthaften Welt der Oper. Stimmt, Puppentheater kann verspielt und spaßig sein. Doch in der jüngeren südafrikanischen Theatergeschichte spielte das Figurentheater eine zentrale Rolle in der Auseinandersetzung mit einigen der drängendsten und schwersten gesellschaftlichen Debatten und offenbarte dabei enormes Potenzial und Leidenschaft für die Ergründung essenzieller Fragen unseres Daseins. Diese sehr spezifische, südafrikanische Theatertradition ist in den vergangenen Jahrzehnten zu einer der wertvollsten kulturellen Visitenkarten des Landes geworden und entwickelt sich in der Arbeit von Regisseur:innen wie Janni Younge ständig weiter.


Krisenmoment: Figurentheater und die Transformation Südafrikas

Ich bin Künstler und Südafrikaner. Mit dem Puppenspiel kam ich erstmals 1997 in der Produktion Ubu and the Truth Commission (Ubu und die Wahrheitskomission) der Anfang der 1980er Jahre in Kapstadt gegründeten Handspring Puppet Company in Berührung, die das Genre Figurentheater in Südafrika neu definierte und heute als eines der führenden Puppenspielensembles der Welt gilt. Es ist schwer in Worte zu fassen, welchen Schock diese Inszenierung damals auslöste. Das Stück handelt von der südafrikanischen Kommission für Wahrheit und Versöhnung, einem Gremium, das kurz nach Ende des Apartheid-Systems mit dem Ziel eingesetzt wurde, Brücken zwischen politisch Verfeindeten zu bauen, zwischen Opfern und Täter, mit Vergebung als Waffe der Wahl.

Aus der Ferne betrachtet schien dieses Vorgehen edel: Um des Friedens willen nahmen wir keine Rache an unseren früheren „Herren“, sondern streckten die Hand aus und luden sie ein, mit uns in der neuen Republik zu koexistieren. Aber was war mit den vermissten Töchtern und Söhnen? Was mit den zerstörten Häusern, zerrissenen Familien? Wie stand es um die Gerechtigkeit? Wie um Wiedergutmachung für die jahrzehntelange politische und ökonomische Gewalt, die Gewalt im Bildungssystem? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Produktion der Handspring Puppet Company – Fragen, die in den Herzen aller Südafrikaner:innen nagten, die heimlich an Küchentischen im ganzen Land gestellt und nur zaghaft öffentlich diskutiert wurden. Handsprings Inszenierung sprach sie in aller Öffentlichkeit an, durch das Medium des Puppentheaters.

Ubu and the Truth Commission nach einem Buch von Jane Taylor und inszeniert von dem großartigen südafrikanischen Künstler William Kentridge war eine bahnbrechende Produktion, mit Puppen im Bunraku-Stil von Adrien Kohler und Basil Jones, den Mitbegründern von Handspring. In einem Balanceakt zwischen Tragik und Komik beleuchtete sie die Komplexität von Gerechtigkeit in einer Phase des Übergangs und der Wiedergutmachung ebenso wie die Zweideutigkeiten von Gleichheit und den Konflikt zwischen Vergebung und Vergeltung. Damit eröffnete sie dem Publikum einen Raum für echten gesellschaftlichen Dialog.

Und es war die spezifische Form des Figurentheaters, die diesen Dialog ermöglichte: die Avatare aus Holz und Stoff, die die menschlichen Gesichter ersetzten, erlaubten eine Betrachtung des Geschehens aus einer gewissen Distanz und gaben dem südafrikanischen Publikum eine Chance, sich mit seiner gemeinsamen Geschichte auseinanderzusetzen und sich Versagen und Schmerz einzugestehen.

Der Stil der Handspring Puppet Company ist vom japanischen Bunraku-Theater beeinflusst, das auf das 17. Jahrhundert zurückgeht. Typisch dafür ist die große Nähe zwischen den Puppenspieler:innen und den Puppen, die eine sehr präzise Manipulation erlaubt und den Figuren über den Atem der Darsteller:innen im wahrsten Sinne des Wortes Leben einhaucht. Doch während Bunraku-Puppen sehr detailliert bemalt und in aufwändige Kostüme gekleidet sind, schnitzte Handspring nur grobe Umrisse von Gesichtern, auf deren Oberflächen das Licht spielen konnte, und überließ es so der Fantasie des Publikums, sich das psychische Innenleben der Figuren vorzustellen. Wo es im Bunraku-Theater um markante und beeindruckende Posen geht, erweckte Handspring das Alltäglich zum Leben und hob es ins Mythische.

Das Meisterstück der Kompanie, das 2007 am National Theatre in London entstandene War Horse, brachte das Figurentheater auf ein neues Niveau der Ausdruckskraft und gastiere in der Folge weltweit. Die majestätischen Pferdeskulpturen, die mit nichts als Schilfrohr, Seide und Leder zum Leben erweckt wurden und von einer Gruppen von Puppenspieler:innen unsichtbar bewegt wurden, markierten in vielerlei Hinsicht den Höhepunkt einer Ära des südafrikanischen Figurentheaters.


Fließende Grenzen: Janni Younges künstlerischer Weg

Mit Janni Younge ging aus den Reihen der Handspring Puppet Company eine neue Regisseurin und Figurentheaterkünstlerin hervor. Ihren Lehrjahren bei Handspring verdankt sie viel – dennoch versucht sie unermüdlich, die Grenzen der Kunstform zu erweitern und ihr ein neues Gefühl der Durchlässigkeit und Flexibilität zu verleihen, die sich von den Fesseln der Körperlichkeit löst und sich dem Metaphysischen nähert. Younges innovative Herangehensweise an Figurentheater fängt ephemere Konzepte wie Zeit oder Veränderung in trügerisch einfachen materiellen Konstruktionen ein. In ihren Händen – und denen ihrer Darsteller:innen – werden Materialien wie Sackleinen, Seide oder Styropor zum Gewebe unseres Daseins. Mit ihrer Hilfe erkundet Younge die verschlungenen Fäden, die uns mit vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Inkarnationen unserer selbst verbinden und lädt uns ein, Freude und Melancholie unserer Existenz neu zu erfahren.

Das beste Beispiel dafür ist ihre jüngste Inszenierung, in der sie Shakespeares Hamlet in einer Version für Figurentheater zum Leben erweckte. Die Produktion war auch für mich persönlich eine prägende Erfahrung: ich übernahm die vorgewandte, aufgewühlte Hauptrolle, eine Rolle, in der ich mich selbst in meinen kühnsten Träumen nicht gesehen hätte. Hamlet ist Däne – ich kann auf der Bühne viele Gestalten annehmen, aber sogar mir erschien es etwas weit hergeholt, auf der Bühne einen skandinavischen Prinzen darzustellen. Aber im Ernst: Shakespeares Worte auszusprechen allein war beängstigend genug; seine Hauptfigur als Puppe zum Leben zu erwecken war ein Schritt ins Ungewisse.

Aber die Puppen „sprachen“ nicht einfach nur Shakespeares Text; sie brachten die poetische Dynamik seiner Figuren visuell zum Ausdruck, enthüllten das mythische Element der Geschichte. Mithilfe der Puppen erforschte Younge die Psyche Hamlets und ihre existenziellen Fragen, indem sie seine szenische Verkörperung unter mehreren Puppenspieler:innen aufteilte. Dadurch unterstrich sie die Komplexität seiner Gedanken und Gefühle und schuf ein vielschichtiges Bild seines Innenlebens. Materialien wie Leinen und Seide wurden zur Inspiration für die Darstellung der zentralen Themen des Stückes: Hamlets Wahnsinn, der ihm den Mord ins Ohr flüstert; Ophelias Trauer, die sie förmlich zerreißt; der Geist, der als leibhaftige Rache jede Szene durchdringt.

„O schmölze doch dies allzu feste Fleisch, / Zerging’ und löst’ in einen Tau sich auf! / Oder hätte nicht der Ewige sein Gebot / Gerichtet gegen Selbstmord! Oh Gott! O Gott!“ Diese Gedanken eine Puppe denken zu lassen und Hamlets berühmte Zeilen aus dem Mund eines leblosen Objekts zu hören, während die Puppenspieler:innen sich gerade darum bemühen, dessen Realität für das Publikum am Leben zu erhalten – Momente wie dieser machen Janni Younges Figurentheater so fesselnd.


Puppenspiel trifft auf barockes Musiktheater

Im flüchtigen Reich der Künste, in dem transzendente Emotionen reale Gestalt annehmen, sind Musiktheater und Puppenspiel zwei eigenständige, aber doch auf mysteriöse Weise verwandte Formen. In ihrer Vereinigung, wie in dieser Produktion von Händels Aci, Galatea e Polifemo, werden sie zu einem himmlischen Tanz aus Musik und Bewegung, der uns mit den grundlegenden Fragen des Menschseins konfrontiert.

Das wichtigste Instrument des Musiktheaters, um tiefgehende Emotionen wach zu rufen, ist die menschliche Stimme, deren technische Meisterleistungen und physische Kraft uns bis ins Mark erschüttern können. Im Puppenspiel transportieren dagegen leblose Objekte das Unausgesprochene. In der Manipulation des Unbelebten steht das Unaussprechliche vor uns. Das ist die geteilte Alchemie der beiden Kunstformen: Sie fesseln uns, indem sie die Sprache hinter sich lassen und nach dem Erhabenen greifen. Sie vermitteln das Unvermittelbare, entführen uns in eine Welt, in der Leidenschaft, Aufopferung und Erlösung wie Wachträume lebendig werden.

In unserer Inszenierung gehen Musiktheater und Puppenspiel eine magische Verbindung ein, die die Vielfalt menschlicher Erfahrung offenbart und uns einlädt, das Erhabene auf all seinen verschlungenen Pfaden zu erleben. Die kreative Reise, die wir unternommen haben, um dieses Stück zu erarbeiten, macht mich demütig und stolz, das Ergbebnis mit dem Berliner Publikum zu teilen.


Mongiwekhaya ist preisgekrönter Schauspieler, Puppenspieler, Regisseur und Autor. Ihn verbindet eine langjährige künstlerische Zusammenarbeit mit Janni Younge. Zuletzt übernahm er die Titelrolle in ihrer Inszenierung von Shakespeares Hamlet, die beim südafrikanischen National Art Festival 2022 Premiere feierte.

Künstlerische Alchemie
Die unwahrscheinliche Wahlverwandtschaft zwischen Musiktheater und Puppenspiel

Von Mongiwekhaya


Die atemberaubendsten und unvorhersehbarsten Erlebnisse entstehen in der Welt der Kunst oft aus dem Zusammentreffen von verschiedenen Disziplinen. Eine dieser ungewöhnlichen Verbindungen, die Kombination von Barockmusik und zeitgenössischem Figurentheater, haben wir während der letzten Wochen und Monate in Vorbereitung dieser Produktion von Händels Aci, Galatea e Polifemo erkundet, der ersten Zusammenarbeit zwischen Regisseurin Janni Younge und der Akademie für Alte Musik Berlin.

Zwar gibt es auch in Europa eine Puppenspieltradition, und auch in aktuellen Musiktheaterproduktionen kommen vereinzelt Elemente des Figurentheaters zum Einsatz, aber insgesamt bringt man diese Kunstform hier eher mit Theateraufführungen oder Fernsehsendungen für Kinder in Verbindung als mit der ernsthaften Welt der Oper. Stimmt, Puppentheater kann verspielt und spaßig sein. Doch in der jüngeren südafrikanischen Theatergeschichte spielte das Figurentheater eine zentrale Rolle in der Auseinandersetzung mit einigen der drängendsten und schwersten gesellschaftlichen Debatten und offenbarte dabei enormes Potenzial und Leidenschaft für die Ergründung essenzieller Fragen unseres Daseins. Diese sehr spezifische, südafrikanische Theatertradition ist in den vergangenen Jahrzehnten zu einer der wertvollsten kulturellen Visitenkarten des Landes geworden und entwickelt sich in der Arbeit von Regisseur:innen wie Janni Younge ständig weiter.


Krisenmoment: Figurentheater und die Transformation Südafrikas

Ich bin Künstler und Südafrikaner. Mit dem Puppenspiel kam ich erstmals 1997 in der Produktion Ubu and the Truth Commission (Ubu und die Wahrheitskomission) der Anfang der 1980er Jahre in Kapstadt gegründeten Handspring Puppet Company in Berührung, die das Genre Figurentheater in Südafrika neu definierte und heute als eines der führenden Puppenspielensembles der Welt gilt. Es ist schwer in Worte zu fassen, welchen Schock diese Inszenierung damals auslöste. Das Stück handelt von der südafrikanischen Kommission für Wahrheit und Versöhnung, einem Gremium, das kurz nach Ende des Apartheid-Systems mit dem Ziel eingesetzt wurde, Brücken zwischen politisch Verfeindeten zu bauen, zwischen Opfern und Täter, mit Vergebung als Waffe der Wahl.

Aus der Ferne betrachtet schien dieses Vorgehen edel: Um des Friedens willen nahmen wir keine Rache an unseren früheren „Herren“, sondern streckten die Hand aus und luden sie ein, mit uns in der neuen Republik zu koexistieren. Aber was war mit den vermissten Töchtern und Söhnen? Was mit den zerstörten Häusern, zerrissenen Familien? Wie stand es um die Gerechtigkeit? Wie um Wiedergutmachung für die jahrzehntelange politische und ökonomische Gewalt, die Gewalt im Bildungssystem? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Produktion der Handspring Puppet Company – Fragen, die in den Herzen aller Südafrikaner:innen nagten, die heimlich an Küchentischen im ganzen Land gestellt und nur zaghaft öffentlich diskutiert wurden. Handsprings Inszenierung sprach sie in aller Öffentlichkeit an, durch das Medium des Puppentheaters.

Ubu and the Truth Commission nach einem Buch von Jane Taylor und inszeniert von dem großartigen südafrikanischen Künstler William Kentridge war eine bahnbrechende Produktion, mit Puppen im Bunraku-Stil von Adrien Kohler und Basil Jones, den Mitbegründern von Handspring. In einem Balanceakt zwischen Tragik und Komik beleuchtete sie die Komplexität von Gerechtigkeit in einer Phase des Übergangs und der Wiedergutmachung ebenso wie die Zweideutigkeiten von Gleichheit und den Konflikt zwischen Vergebung und Vergeltung. Damit eröffnete sie dem Publikum einen Raum für echten gesellschaftlichen Dialog.

Und es war die spezifische Form des Figurentheaters, die diesen Dialog ermöglichte: die Avatare aus Holz und Stoff, die die menschlichen Gesichter ersetzten, erlaubten eine Betrachtung des Geschehens aus einer gewissen Distanz und gaben dem südafrikanischen Publikum eine Chance, sich mit seiner gemeinsamen Geschichte auseinanderzusetzen und sich Versagen und Schmerz einzugestehen.

Der Stil der Handspring Puppet Company ist vom japanischen Bunraku-Theater beeinflusst, das auf das 17. Jahrhundert zurückgeht. Typisch dafür ist die große Nähe zwischen den Puppenspieler:innen und den Puppen, die eine sehr präzise Manipulation erlaubt und den Figuren über den Atem der Darsteller:innen im wahrsten Sinne des Wortes Leben einhaucht. Doch während Bunraku-Puppen sehr detailliert bemalt und in aufwändige Kostüme gekleidet sind, schnitzte Handspring nur grobe Umrisse von Gesichtern, auf deren Oberflächen das Licht spielen konnte, und überließ es so der Fantasie des Publikums, sich das psychische Innenleben der Figuren vorzustellen. Wo es im Bunraku-Theater um markante und beeindruckende Posen geht, erweckte Handspring das Alltäglich zum Leben und hob es ins Mythische.

Das Meisterstück der Kompanie, das 2007 am National Theatre in London entstandene War Horse, brachte das Figurentheater auf ein neues Niveau der Ausdruckskraft und gastiere in der Folge weltweit. Die majestätischen Pferdeskulpturen, die mit nichts als Schilfrohr, Seide und Leder zum Leben erweckt wurden und von einer Gruppen von Puppenspieler:innen unsichtbar bewegt wurden, markierten in vielerlei Hinsicht den Höhepunkt einer Ära des südafrikanischen Figurentheaters.


Fließende Grenzen: Janni Younges künstlerischer Weg

Mit Janni Younge ging aus den Reihen der Handspring Puppet Company eine neue Regisseurin und Figurentheaterkünstlerin hervor. Ihren Lehrjahren bei Handspring verdankt sie viel – dennoch versucht sie unermüdlich, die Grenzen der Kunstform zu erweitern und ihr ein neues Gefühl der Durchlässigkeit und Flexibilität zu verleihen, die sich von den Fesseln der Körperlichkeit löst und sich dem Metaphysischen nähert. Younges innovative Herangehensweise an Figurentheater fängt ephemere Konzepte wie Zeit oder Veränderung in trügerisch einfachen materiellen Konstruktionen ein. In ihren Händen – und denen ihrer Darsteller:innen – werden Materialien wie Sackleinen, Seide oder Styropor zum Gewebe unseres Daseins. Mit ihrer Hilfe erkundet Younge die verschlungenen Fäden, die uns mit vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Inkarnationen unserer selbst verbinden und lädt uns ein, Freude und Melancholie unserer Existenz neu zu erfahren.

Das beste Beispiel dafür ist ihre jüngste Inszenierung, in der sie Shakespeares Hamlet in einer Version für Figurentheater zum Leben erweckte. Die Produktion war auch für mich persönlich eine prägende Erfahrung: ich übernahm die vorgewandte, aufgewühlte Hauptrolle, eine Rolle, in der ich mich selbst in meinen kühnsten Träumen nicht gesehen hätte. Hamlet ist Däne – ich kann auf der Bühne viele Gestalten annehmen, aber sogar mir erschien es etwas weit hergeholt, auf der Bühne einen skandinavischen Prinzen darzustellen. Aber im Ernst: Shakespeares Worte auszusprechen allein war beängstigend genug; seine Hauptfigur als Puppe zum Leben zu erwecken war ein Schritt ins Ungewisse.

Aber die Puppen „sprachen“ nicht einfach nur Shakespeares Text; sie brachten die poetische Dynamik seiner Figuren visuell zum Ausdruck, enthüllten das mythische Element der Geschichte. Mithilfe der Puppen erforschte Younge die Psyche Hamlets und ihre existenziellen Fragen, indem sie seine szenische Verkörperung unter mehreren Puppenspieler:innen aufteilte. Dadurch unterstrich sie die Komplexität seiner Gedanken und Gefühle und schuf ein vielschichtiges Bild seines Innenlebens. Materialien wie Leinen und Seide wurden zur Inspiration für die Darstellung der zentralen Themen des Stückes: Hamlets Wahnsinn, der ihm den Mord ins Ohr flüstert; Ophelias Trauer, die sie förmlich zerreißt; der Geist, der als leibhaftige Rache jede Szene durchdringt.

„O schmölze doch dies allzu feste Fleisch, / Zerging’ und löst’ in einen Tau sich auf! / Oder hätte nicht der Ewige sein Gebot / Gerichtet gegen Selbstmord! Oh Gott! O Gott!“ Diese Gedanken eine Puppe denken zu lassen und Hamlets berühmte Zeilen aus dem Mund eines leblosen Objekts zu hören, während die Puppenspieler:innen sich gerade darum bemühen, dessen Realität für das Publikum am Leben zu erhalten – Momente wie dieser machen Janni Younges Figurentheater so fesselnd.


Puppenspiel trifft auf barockes Musiktheater

Im flüchtigen Reich der Künste, in dem transzendente Emotionen reale Gestalt annehmen, sind Musiktheater und Puppenspiel zwei eigenständige, aber doch auf mysteriöse Weise verwandte Formen. In ihrer Vereinigung, wie in dieser Produktion von Händels Aci, Galatea e Polifemo, werden sie zu einem himmlischen Tanz aus Musik und Bewegung, der uns mit den grundlegenden Fragen des Menschseins konfrontiert.

Das wichtigste Instrument des Musiktheaters, um tiefgehende Emotionen wach zu rufen, ist die menschliche Stimme, deren technische Meisterleistungen und physische Kraft uns bis ins Mark erschüttern können. Im Puppenspiel transportieren dagegen leblose Objekte das Unausgesprochene. In der Manipulation des Unbelebten steht das Unaussprechliche vor uns. Das ist die geteilte Alchemie der beiden Kunstformen: Sie fesseln uns, indem sie die Sprache hinter sich lassen und nach dem Erhabenen greifen. Sie vermitteln das Unvermittelbare, entführen uns in eine Welt, in der Leidenschaft, Aufopferung und Erlösung wie Wachträume lebendig werden.

In unserer Inszenierung gehen Musiktheater und Puppenspiel eine magische Verbindung ein, die die Vielfalt menschlicher Erfahrung offenbart und uns einlädt, das Erhabene auf all seinen verschlungenen Pfaden zu erleben. Die kreative Reise, die wir unternommen haben, um dieses Stück zu erarbeiten, macht mich demütig und stolz, das Ergbebnis mit dem Berliner Publikum zu teilen.


Mongiwekhaya ist preisgekrönter Schauspieler, Puppenspieler, Regisseur und Autor. Ihn verbindet eine langjährige künstlerische Zusammenarbeit mit Janni Younge. Zuletzt übernahm er die Titelrolle in ihrer Inszenierung von Shakespeares Hamlet, die beim südafrikanischen National Art Festival 2022 Premiere feierte.

Die Künstler:innen

Janni Younge
Regie und Ausstattung

Janni Younge arbeitet als multimediale Theaterkünstlerin und Regisseurin mit Schwerpunkt Figurentheater. In der Verbindung von Puppenspiel und innovativer Theaterpraxis erforschen ihre Stücke die vielschichtige Schönheit des Menschseins. Besondere Aufmerksamkeit erlangten ihre Produktionen The Bluest Eye, die in den USA zu sehen war, und The Firebird, die u.a. in Ravinia und der Hollywood Bowl gastierte und derzeit wiederaufgenommen wird. Außerdem aktuell auf Tournee sind die Stücke Origins, eine Zusammenarbeit mit den Gitarristen Derek Gripper, und William Shakespeares Hamlet.

Mehrere Inszenierungen sind im Repertoire an Theatern in Polen, Deutschland und Ungarn zu sehen. Zu ihren jüngsten Regiearbeiten in Europa zählen Take Flight, Momo und The Neverending Story (nach Michael Ende), Wild Heart und Solus Amor, eine Kollaboration mit dem Ensemble Recirquel. Als Regisseurin der renommierten Handspring Puppet Company in Kapstadt realisierte sie u.a. die Produktion Ouroboros sowie Wiederaufnahmen von William Kentridges Woyzeck on the Highveld und Ubu and the Truth Commission. Für eine Produktion von Shakespeares The Tempest der Royal Shakespeare Company und des Baxter Theatre kreierte sie Puppenspiel. Janni Younge wurde u.a. mit dem Standard Bank Young Artist Award, fünf Fleur du Cap Theatre Awards, vier American College Theater Festival Kennedy Center Awards und dem polnischen Nagroda für Regie ausgezeichnet.

Janni Younge erhielt einen Master of Arts in Theater an der University of Cape Town (UCT), ein Diplôme des Métiers d’Art (DMA) an der ESNAM, der nationalen französischen Schule für Puppenspiel, sowie einen Bachelor of Fine Arts mit Auszeichnung an der UCT. Abseits der Bühne unterrichtet sie in Workshops und verfasst wissenschaftliche Artikel zum Figurentheater. Derzeit leitet sie neben ihrem eigenne Studio Janni Younge Productions auch UNIMA SA, die südafrikanischen Verband für Puppentheater.

November 2023


Akademie für Alte Musik Berlin

Die 1982 gegründete Akademie für Alte Musik Berlin zählt zu den führenden Kammerorchestern der historischen Aufführungspraxis und gibt jährlich etwa 100 Konzerte in ganz Europa, Asien sowie Nord- und Südamerika. Seit 1984 gestaltet das Ensemble eine eigene Konzertreihe im Konzerthaus Berlin, seit 2012 auch im Prinzregententheater in München. Zudem ist die Akademie für Alte Musik regelmäßiger Gast an der Staatsoper Unter den Linden. Eine enge künstlerische Partnerschaft verbindet das Ensemble mit René Jacobs; gemeinsame Produktionen von Opern und Oratorien sowie Einspielungen fanden international große Beachtung und wurden mit Preisen ausgezeichnet. Die Akademie musiziert unter der wechselnden Leitung ihrer beiden Konzertmeister Georg Kallweit und Bernhard Forck, daneben trat sie in jüngster Zeit gemeinsam mit Emmanuelle Haïm, Bernard Labadie, Paul Agnew, Diego Fasolis und Rinaldo Alessandrini auf. Das Ensemble arbeitet außerdem regelmäßig mit Solist:innen wie Isabelle Faust, Andreas Staier, Alexander Melnikov, Anna Prohaska, Werner Güra und Bejun Mehta zusammen. Im Jahr 2006 erhielt die Akademie den Georg-Philipp-Telemann-Preis der Stadt Magdeburg, 2014 die Bach-Medaille der Stadt Leipzig. Für ihre Einspielungen wurden die Musiker:innen u.a. mit dem Grammy, dem Diapason d’Or, dem Gramophone Award und dem ECHO Klassik ausgezeichnet.

November 2023


Roberta Mameli
Sopran

Die in Rom geborene Roberta Mameli studierte Gesang und Violine am Conservatorio di Musica Giuseppe Nicolini in Piacenza und vervollständigte ihre Ausbildung durch Meisterkurse bei Bernadette Manca di Nissa, Ugo Benelli, Konrad Richter, Claudio Desderi und Enzo Dara. Sie gastiert heute an den wichtigsten Konzertsälen und Opernhäusern, darunter das Konzerthaus Wien und das Theater an der Wien, das Concertgebouw Amsterdam, die Cité de la Musique in Paris, das Gran Teatre del Liceu in Barcelona und die Londoner Wigmore Hall. Dabei trat sie u.a. unter der Leitung von Jordi Savall, Christopher Hogwood, Fabio Biondi, Ton Koopman und Claudio Abbado auf. Als Spezialistin für Alte Musik arbeitet sie regelmäßig mit Ensembles wie der Accademia Bizantina, dem Concert des Nations, La Venexiana, Europa Galante und I Barocchisti zusammen. Gemeinsam mit der Akademie für Alte Musik und Diego Fasolis feierte sie 2018 einen großen Erfolg mit der Titelrolle in Monteverdis L’incoronazione di Poppea an der Staatsoper Unter den Linden in Berlin. Weitere Höhepunkte waren Auftritte als Belinda in Purcells Dido and Aeneas, in der Titelrolle von Leonardo Vincis Didone abbandonata sowie als Aci in Händels Aci, Galatea e Polifemo beim Bukarester George Enescu Festival und an der Wigmore Hall London.

November 2023


Sophie Rennert
Mezzosopran

Die Mezzosopranistin Sophie Rennert schloss ihre musikalische Ausbildung an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien mit Auszeichnung ab und besuchte außerdem Meisterkurse bei Brigitte Fassbaender, Ann Murray und Helmut Deutsch. Nach Stationen im Young Singers Project der Salzburger Festspiele, im Ensemble des Konzert Theater Bern und Auftritten im Rahmen der „Great Talent“-Reihe des Wiener Konzerthauses ist die Preisträgerin des Innsbrucker Cesti-Wettbewerbs und des Salzburger Mozart-Wettbewerbs seit Beginn der Spielzeit 2022/23 am Münchener Staatstheater am Gärtnerplatz engagiert, wo sie u.a. als Dorabella (Così fan tutte), Charlotte (Werther) und Nicklausse (Les Contes d’Hoffmann) zu erleben war. Darüber hinaus feiert Sophie Rennert regelmäßig mit großen Rollen des barocken Opernrepertoires Erfolge, so etwa in der Titelrolle von Vivaldis Juditha Triumphans bei den Festwochen der Alten Musik in Innsbruck, als Phèdre in Rameaus Hippolyte et Aricie unter der Leitung von Bernhard Forck am Nationaltheater Mannheim, in Händels Lotario bei den Göttinger Händel-Festspielen oder als Andronico in Vivaldis Tamerlano mit dem Ensemble Les Accents in Dortmund. 2022 gab sie in Mozarts Zauberflöte ihr Debüt bei den Salzburger Festspielen.

November 2023


Luigi De Donato
Bass

Luigi De Donato begann seine musikalische Ausbildung am Konservatorium seiner Heimatstadt Cosenza und studierte später bei Margaret Baker, Gianni Raimondi, Regina Resnik und Bonaldo Giaiotti. Er ist Preisträger zahlreicher Wettbewerbe und wurde beim renommierten Tosti-Wettbewerb als bester Bass ausgezeichnet. Er gilt als einer der führenden Interpreten für das Repertoire des 17. und 18. Jahrhunderts und arbeitet regelmäßig mit Ensembles und Dirigenten wie Les Arts Florissants und William Christie, Le Concert Spirituel und Hervé Niquet, Rinaldo Alessandrini, Jean-Christophe Spinosi, Diego Fasolis, Paul McCreesh, Ottavio Dantone und vielen weiteren zusammen. Neben den Basspartien in den Opern Claudio Monteverdis, die er u.a. in Robert Wilsons Inszenierungen an der Mailänder Scala (L’Orfeo und Il ritorno d’Ulisse in patria) und am Teatro Colón in Buenos Aires (L’incoronazione di Poppea) verkörperte, umfasst sein Repertoire zahlreiche Händel-Partien, mit denen er u.a. bei den Salzburger Festspielen (Polifemo unter Giovanni Antonini), am Teatro Real in Madrid (Leone in Tamerlano), am Bolschoi-Theater in Moskau (König von Schottland in Ariodante) und an der Londoner Wigmore Hall gastierte.

November 2023


Janni Younge Productions
Szenische Umsetzung

Luke Younge (Ausstattung, Puppenkonstruktion und Hängung)
Der Bildhauer und Designer Luke Younge arbeitet in den Bereichen Videoproduktion und Fotografie mit Schwerpunkt auf sozialen und ökonomischen Entwicklungsprojekten sowie als Konstrukteur von Puppen. Mit künstlerischer Kreativität und technischer Präzision entwarf er überlebensgroße Puppen für die renommierte Handspring Puppet Company und war für die Puppenkonstruktion in zahlreichen Produktionen von Janni Younge verantwortlich.

Elvis Sibeko (Choreografie)
Für seine Arbeit als Regisseur, Choreograf, Tänzer, Kurator und Komponist hat Elvis Sibeko weltweite Anerkennung und zahlreiche Preise erhalten. Er absolvierte sein Studium mit Schwerpunkt Tanz an der University of Cape Town und erhielt seine Ausbildung in zeitgenössischem Tanz, Afro-Fusion, Stepptanz, Ballett und indischem Tanz. Seine Spezialgebiete sind südafrikanische Tanzstile, afrikanisches Musiktheater und die Verbindung von afrikanischem Tanz mit klassischem zeitgenössischem Tanz. Am Jazzart Dance Theatre war er als Ensemblemitglied, Head of Outreach, Choreograf und Tanzlehrer tätig. Seit mehr als einem Jahrzehnt arbeitet er mit führenden Protagonist:innen der südafrikanischen Tanz- und Theaterszene zusammen, darunter neben Janni Younge auch Brett Bailey, Jay Pather, Gregory Maqoma, Sylvia Glasser, Mameli Nyamza und viele weitere. Er ist Gründer und Leiter von Elvis Sibeko Studios.

Sean Mac Pherson (Ausstattung und Puppenbau)
geboren 1994, studierte Bildende Kunst mit Schwerpunkt Druckgrafik an der Michaelis School of Fine Art der University of Cape Town und arbeitet in den Bereichen Design, Skulptur, Malerei, Illustration, Figurentheater und visuelles Storytelling an der Schnittstelle von bildender Kunst und Performance. Von 2014 bis 2020 war er Designer für den Cape Town Carnival, für den er zahlreiche Bühnen, Wagen und mobile Skulpturen entwarf. Seit 2020 entwirft und konstruiert er Puppen für das Education-Programm von Planet Puppet. Mit Janni Younge arbeitete er bereits für die Produktionen The Neverending Story und Solus Amor als Bildhauer, Puppenbauer und Designer zusammen.

Illka Louw (Kostüme)
begann ihre Laufbahn als Modedesignerin und entdeckte dann ihre Leidenschaft fürs Theater. Seit 25 Jahren entwirft und fertigt sie Kostüme und Bühnenbilder und ist als Regisseurin aktiv. Parallel unterrichtete sie Design an zahlreichen Bildungsinstitutionen hauptsächlich in Südafrika. Aci, Galatea e Polifemo ist ihre zweite Kollaboration mit Janni Younge, mit der sie bereits in einer Produktion von Shakespeares The Tempest für das Baxter Theatre in Kapstadt und die Royal Shakespeare Company zusammenarbeitete.

Lize-Marie Wait (Lichtdesign und Inspizienz)
schloss 2015 ihre Ausbildung mit Schwerpunkt Musiktheater an der Waterfront Theatre School in Kapstadt ab. Sie arbeitet als freiberufliche Lichtdesignerin, Inspizientin, Darstellerin und Stimmkünstlerin und war für das Lichtdesign in verschiedensten Produktionen verantwortlich, darunter Wasem von Terence Makapan, Othello an der Waterfront Theatre School, Vorstellungen der De Moyencourt School of Ballet, sowie Janni Younges Origins und Hamlet. Daneben wirkte sie als Inspizientin für zahlreiche Aufführungen. Ihre Erfahrung gibt sie in Workshops an jüngeren Generationen weiter.

Mongiwekhaya (Szenische Darstellung)
ist gleichermaßen als Schauspieler, Regisseur, Puppenspieler und Autor erfolgreich. Er war u.a. als Dramaturg für das Manchester International Festival tätig, schrieb Stücke für renommierte Schauspieler:innen wie Rose Leslie und Daniel Kaluuya und trat mit dem Royal Court Theatre und der Handspring Puppet Company auf. Außerdem ist er Drehbuchautor für verschiedene Produktionsfirmen im Bereich Film und Fernsehen. Im August 2023 feierte sein Stück Sinmunye in Victoria Falls in Simbabwe Premiere. Mit Janni Younge und Roshina Ratnam verbindet ihn eine besonders enge und langjährige künstlerische Partnerschaft. In diesem Jahr übernahm er die Titelrolle in Janni Younges Produktion von Shakespeares Hamlet.

Lubabalo Pupu (Szenische Darstellung)
entdeckte seine Leidenschaft für Tanz an der Chris Hani Arts and Culture High School in seiner Heimatstadt Kapstadt. Nach dem Schulabschluss erhielt er von 2013 bis 2015 seine Tanzausbildung bei Sbonakaliso Ndaba an der Indoni Dance, Arts and Leadership Academy, wo er an zahlreichen Aufführungen mitwirkte. 2019 schloss er sich dem Is’thatha Dance Project an und war als Tänzer und Choreograph an Produktionen wie Danger in the Dark am Baxter Theatre und beim National Arts Festival Fringe beteiligt. Als Ensemblemitglied des Sibonelo Dance Project trat er beim Intuthuko Dance Festival, bei Ubunye Dance und in der Produktion Ukuzinza auf. 2022 gründete er das Imbewu Dance Collective.  

Vuyolwethu Nompetsheni (Szenische Darstellung)
wurde 1996 in Johannesburg geboren und schloss 2018 eine dreijährige Tanzausbildung am Jazzart Dance Theatre in Kapstadt ab. Anschließend wurde sie als Tänzerin und Mentorin in das Ensemble übernommen, mit dem sie u.a. bei Dance Umbrella in Kapstadt auftrat. Für die Produktion An-Nur erarbeitete sie selbst die Choreografie. Wichtige Einflüsse für ihre Arbeit waren u.a. Kevin Muller, Hope Nonqonqo, Philip Boyd, und Bruno Wani. 2021 war sie in 35th Miner am Theatre in the Backyard und in In Corona Unit von Mandisi Sindo zu sehen.

Roshina Ratnam (Szenische Darstellung)
arbeitet als Darstellerin, Puppenspielerin, Theatermacherin und Sprecherin in verschiedenen Kontexten. Eine enge und langjährige Zusammenarbeit verbindet sie mit der Kompanie von Janni Younge. Sie war in den Produktionen Ouroboros, Lumka und Hamlet zu sehen, die in Europa, Russland und den USA gastieren; für letztere übernahm sie auch die Regieassistenz. Außerdem führte sie Regie in der Produktion Surge für das Magnet Theatre in Kapstadt und ist die führende Puppenspielerin in Life and Times of Michael K, einer Koproduktion des Baxter Theatre Kapstadt und der Handspring Puppet Company, die beim diesjährigen Edinburgh Festival mit einem Fringe First Award ausgezeichnet wurde und im Dezember am St. Ann’s Warehouse in New York zu sehen ist. Parallel zu ihrer künstlerischen Tätigkeit ist sie Head of Project and Communications Officer des südafrikanischen Verbands für Puppenspiel UNIMA.

Sven-Eric Müller (Szenische Darstellung)
Geboren und aufgewachsen in Namibia, begann Sven-Eric Müllers künstlerische Laufbahn am Theater und führte ihn über zeitgenössischen Tanz zunächst zum Musical, wo er u.a. an Produktionen von Cabaret, Funny Girl, West Side Story und Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat mitwirkte. Seit 2018 widmet er sich verstärkt der Choreografie und brachte sein zweites zeitgenössisches Tanzstück Aivilo auf die Bühne. Für fünf Jahre war er als Hauschoreograf am Theater Gate69 in Kapstadt engagiert. Während der Pandemie eröffnete er im namibischen Windhoek das Bewegungsstudio Oh Shift.

Nathi Mngomezulu (Szenische Darstellung)
erhielt seine Ausbildung im Rahmen des Trainingsprogramms des Jazzart Dance Theatre und arbeitet seit 2013 als freiberuflicher Tänzer und Puppenspieler. Eine enge Zusammenarbeit verbindet ihn mit dem Choreografen Mzokuthula Gasa. Seine ersten Erfahrungen im Bereich Figurentheater sammelte er in der international gefeierten Produktion War Horse der Handspring Puppet Company, die weltweit auf Tournee ging. Seit einigen Jahren ist er regelmäßig Teil des Ensembles in den Produktionen von Janni Younge, darunter The Firebird und Origins.

Sophie Joans (Szenische Darstellung)
ist Schauspielerin, Autorin und Comedian und arbeitet in den Bereichen Physical Theater, Clownerie, Maskentheater und Puppenspiel. Sie studierte Theater an der University of Cape Town und der Wits University und absolvierte Kurse an der Royal Academy of Dramatic Art, am Comedy Cellar New York, beim Mama City Improv Festival und UNIMA. Zu ihren Arbeiten zählen Do You Dream in Colour, das beim Zabalaza Theatre Festival 2018 als „Most Innovative Play“ ausgezeichnet wurde, die Sketch-Show The Flower Hunters (Standard Bank Ovation Award 2021), sowie die Solo-Show Île, die u.a. den Preis für das beste Buch beim Bitesize Festival 2023 in London erhielt. Ihr jüngstes Stück Dog Rose war beim diesjährigen südafrikanischen National Arts Festival zu sehen.

Keishia Solomon (Szenische Darstellung)
ist ausgebildete Tänzerin und Ballettlehrerin mit Erfahrung in zahlreichen unterschiedlichen Stilen, darunter neben klassischem Ballett auch zeitgenössischer Tanz, Hip-Hop, Salsa und viele mehr. Zehn Jahre lang was sie leitende Choreografin und Mentorin an der On Pointe School of Ballet. Sie war u.a. in Circe de Soir in Accra (Ghana), in der Produktion Minerva in Kapstadt, als Cheerleaderin bei der indischen Cricket-Premiere-League sowie als Tänzerin, Schauspielerin und Stuntfrau in den Netflix-Produktionen Resident Evil und The Power zu sehen.

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