Violine
Violine
Viola
Violoncello
Das zweite Konzert des JACK Quartet in dieser Spielzeit ist einem einzigen Werk gewidmet: In divisio spiralis entfaltet die amerikanische Komponistin Catherine Lamb, die seit 2013 in Berlin lebt, über eine Spieldauer von 90 Minuten einen multidimensionalen harmonischen Raum von äußerster Fragilität. In irisierender Schwerelosigkeit und scheinbarer Statik verschiebt Lambs spiralförmige Klangarchitektur nach und nach die Parameter unserer musikalischen Wahrnehmung.
Wenn man mit Catherine Lamb über ihr Streichquartett divisio spiralis spricht, dann wird es schnell kompliziert. Es geht um Obertonreihen, Zahlenverhältnisse, logarithmische Spiralen, Stimmungssysteme. Denn Lamb komponiert nicht mit dem vertrauten Material der zwölfstufigen Tonleiter, auch nicht mit Viertel-, Drittel- oder anderen Mikrotönen, sondern in reiner Stimmung. Das ganze Stück ist ein unendlich langsames, meditatives Ausschreiten dieses spiralförmigen harmonischen Raums – dessen komplexen mathematischen Hintergrund man nicht unbedingt kennen muss, um Lambs Harmoniespiralen einfach nur schön zu finden.
Als ich zum ersten Mal zählte, stellte ich mir einen langen Faden vor, der sich nach oben erstreckte, und beim Blick nach oben sah ich irgendwann eine Krümmung, die sich in der Linie bildete, bis sich die Linie schließlich in eine unendliche Spirale verwandelte, mit meinem Fuß auf der Zahl 1. Catherine Lamb
Auch Teil- oder Partialtonreihe; theoretisch unendliche Reihe von Tönen, die über jedem instrumental oder vokal erzeugten Grundton meist unhörbar mitschwingen und zum Grundton in ganzzahligen Schwingungsverhältnissen stehen, z.B. 2:1 für den ersten Oberton (= Oktave) oder 3:2 für den zweiten Oberton (= reine Quinte) usw. The Obertonreihe kann als logarithmische Spirale visualisiert werden: https://superparticular.com/spiralsynth/
Temperiertes Stimmungssystem, das sich in der westlichen Musik im 19. Jahrhundert durchgesetzt hat und heute am weitesten verbreitet ist. Es teilt die Oktave in 12 gleich große Halbtöne ein. Die reinen Schwingungsverhältnisse der natürlichen Obertonreihe gibt die gleichstufige Stimmung nur annäherungsweise wieder (statt im Verhältnis 3:2 steht z.B. die Quinte hier im Verhältnis 12√128: 1 zum Grundton). Dafür werden so für die westliche Dur-Moll-Tonalität sämtliche 24 Tonarten in gleichmäßiger Unreinheit verfügbar.
Im Gegensatz zu temperierten Stimmungen entsprechen Tonhöhen und Intervalle in reiner Stimmung den harmonischen Schwingungsverhältnissen der natürlichen Obertonreihe und werden in Beziehung auf einen festgelegten Grundton bestimmt. Auf einem Instrument mit fixierten Tonhöhen wie z.B. dem Klavier kann man deshalb grundsätzlich nur eine Tonart rein stimmen – die anderen bleiben unrein. Ein Kompromiss, der die Unreinheit gleichmäßig auf alle Tonarten verteilt, ist die gleichstufige Stimmung.