Areta Zhulla Violine
Ronald Copes Violine
Molly Carr Viola
Astrid Schween Violoncello

Programm

Ludwig van Beethoven
Streichquartett B-Dur op. 130
Große Fuge B-Dur op. 133

Jörg Widmann
8. Streichquartett (Beethoven-Studie III)
Cavatina (10. Streichquartett - Beethoven-Studie V) (2020)

Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Streichquartett B-Dur op. 130 (1825)

I. Adagio ma non troppo – Allegro
II. Presto
III. Andante con moto ma non troppo
IV. Alla danza tedesca. Allegro assai
V. Cavatina. Adagio molto espressivo
VI. Finale. Allegro

 

Jörg Widmann (*1973)
8. Streichquartett (Beethoven-Studie III) (2020)*

I. Allegro con brio
II. Variationen über Beethovens „Alla danza tedesca op. 130/4“
III. Rondo. Prestissimo

 

Pause

 

Jörg Widmann
Cavatina  (10. Streichquartett – Beethoven-Studie V) (2020)*

 

Ludwig van Beethoven
Große Fuge B-Dur op. 133 (1825)

Overtura. Allegro – 
Fuga. Meno mosso e moderato – Allegro molto e con brio 

 

*Auftragswerke des Juilliard String Quartet, der Juilliard School of Music und der Arizona Friends of Chamber Music, unterstützt von Walter Swap zusammen mit den Auftraggebern Green Music Center at Sonoma State University, Meany Center for the Performing Arts, Chamber Music Society in Napa Valley und dem Royal Concertgebouw Amsterdam

Ludwig van Beethoven (1770–1827)
Streichquartett B-Dur op. 130 (1825)

I. Adagio ma non troppo – Allegro
II. Presto
III. Andante con moto ma non troppo
IV. Alla danza tedesca. Allegro assai
V. Cavatina. Adagio molto espressivo
VI. Finale. Allegro

 

Jörg Widmann (*1973)
8. Streichquartett (Beethoven-Studie III) (2020)*

I. Allegro con brio
II. Variationen über Beethovens „Alla danza tedesca op. 130/4“
III. Rondo. Prestissimo

 

Pause

 

Jörg Widmann
Cavatina  (10. Streichquartett – Beethoven-Studie V) (2020)*

 

Ludwig van Beethoven
Große Fuge B-Dur op. 133 (1825)

Overtura. Allegro – 
Fuga. Meno mosso e moderato – Allegro molto e con brio 

 

*Auftragswerke des Juilliard String Quartet, der Juilliard School of Music und der Arizona Friends of Chamber Music, unterstützt von Walter Swap zusammen mit den Auftraggebern Green Music Center at Sonoma State University, Meany Center for the Performing Arts, Chamber Music Society in Napa Valley und dem Royal Concertgebouw Amsterdam

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Beethovens Autograph des Streichquartetts op. 130 (Ausschnitt aus dem zweiten Satz)  (© Library of Congress, Washington, D.C.)

Ins Offene

Schon die ursprünglich als Einzelkompositionen konzipierten Streichquartette Nr. 1–5 von Jörg Widmann bildeten aus späterer Perspektive einen beziehungsreichen Werkzyklus – sowohl was ihre musikalische Gestalt als auch ihre historischen Bezugspunkte angeht. Solche Verästelungen prägen auch Widmanns Streichquartette Nr. 6–10 aus den Jahren 2019/20, die der Komponist nun selbst Beethoven-Studien nannte.

Werkeinführung von Michael Kube

Ins Offene
Streichquartette von Beethoven und Widmann

Michael Kube


I. Quartette im Zyklus

Ein Rückblick

Streichquartett-Zyklen begegnen einem heute allenthalben: in Konzerten, die in kompakter Form an wenigen Tagen oder über einige Wochen verteilt das Œuvre einzelner Komponist:innen präsentieren; oder als „Gesamteinspielungen“, verpackt als repräsentative CD-Boxen für Liebhaberinnen und Kenner. Dabei ist nicht immer ausgemacht, dass auch die Urheber:innen eine solch zyklische Vorstellung von ihrem Schaffen teilten: Die bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts übliche Gruppierung von je sechs Werken unter einer gemeinsamen Opuszahl entsprach schlicht einer alten Tradition, bei der man allenfalls auf die Reihenfolge der Tonarten achtete (vor allem hinsichtlich der raren Werke in Moll). Noch Beethoven legte in dieser Weise sein op. 18 an. Bei den Quartetten op. 59 hatte er (wie viele andere seiner Zeitgenossen) die Stückzahl schon auf drei reduziert, bevor das Einzelwerk in seiner schöpferischen Individualität mehr und mehr an Bedeutung gewann und als solches gezählt wurde. Allerdings fügten beispielsweise noch Schumann und Mendelssohn drei Quartette zu einem Opus zusammen, Brahms und Reger jeweils zwei.

Die Frage der zyklischen Gestaltung betraf damit nicht nur den motivisch-formalen Aufbau jedes einzelnen Werkes, sondern auch die übergeordnete Struktur der Werkgruppe. Für Beethovens späte Streichquartette steht ein solcher, sich auf wenige Grundmotive konzentrierender Ansatz seit vielen Jahrzehnten zur Diskussion. Deutlicher wird die übergreifende Konzeption dort, wo neutrale oder abstrakte Aspekte einen Zyklus ausmachen: Bei Haydn sind dies die schon im Titel seines op. 51 genannten Sieben letzten Worte des Erlösers am Kreuze, bei Schostakowitsch ist es der Durchgang durch alle 24 Tonarten (der allerdings unvollendet blieb). Einen weiteren Zyklus bilden die zwischen 1997 und 2005 entstandenen Streichquartette Nr. 1–5 von Jörg Widmann. Ursprünglich als einsätzige Einzelkompositionen gedacht, entwickelten sie sich aus späterer Perspektive betrachtet zu einem beziehungsreichen einzigen Werk – sowohl was die musikalische Gestalt als auch die darin reflektierten historischen Bezugspunkte angeht. Solche Verästelungen prägen auch Widmanns Streichquartette Nr. 6–10 aus den Jahren 2019/20, die der Komponist nun selbst Beethoven-Studien nannte. Im Rekurs auf Werke des Vorgängers öffnen sie den Blick auf neue Dimensionen einer auch im 21. Jahrhundert nicht alternden Gattung.


Auf der Suche nach Poesie

Er gilt unzweifelhaft als einer der führenden Komponisten seiner Generation, und doch ist Jörg Widmann auch weiterhin auf der Klarinette als Kammermusiker und Solist tätig. Mag diese konsequent umgesetzte Doppelbegabung heute verwundern, so steht sie doch in einer großen historischen Tradition, die es im Zeitalter einer immer weiter voranschreitenden Spezialisierung neu zu entdecken gilt. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein bestand eine nahezu obligatorische künstlerische Personalunion von Komponist und Interpret (vom Hofkapellmeister und Kantor bis hin zum späteren Virtuosen); erst das bürgerliche Mäzenatentum, vor allem aber die Urheberrechtsgesetze im vergangenen Jahrhundert haben die Begrenzung auf schöpferische Aktivitäten begünstigt. Neben zahlreichen komponierenden Dirigenten und Pianisten bzw. dirigierenden und klavierspielenden Komponisten (von Liszt und Brahms über Weingartner, Furtwängler und Bernstein bis hin zu Pierre Boulez und André Previn) ist die Kombination mit einem reinen Melodieinstrument nur selten anzutreffen – an herausragender Stelle wäre hier an Louis Spohr (Violine), Paul Hindemith (Viola) und Heinz Holliger (Oboe) zu erinnern. Auch bei Jörg Widmann hat die professionelle Verbindung mit der Klarinette zahlreiche Kompositionen für dieses Instrument hervorgebracht, eigene wie auch ihm gewidmete, vor allem aber eine schöpferische Ästhetik, die das „individuelle Wechselspiel zwischen strenger Formgebung und emotionaler Ent-Fesselung“ in den Mittelpunkt stellt (wie es die Musikwissenschaftlerin und Journalistin Meret Forster formulierte). Tatsächlich ist Widmanns Schaffen von einer Poesie durchdrungen, die vollkommen frei von Zwängen die Nähe sucht zu Robert Schumann (Es war einmal, 2015) oder zu antiken Mythen (Insel der Sirenen, Ikarische Klage und Teiresias, 1997–2009), sich mit verschiedentlichen Allusionen selbst im musikgeschichtlichen Kontinuum verankert (im Fall der Streichquartette) und mit unterschiedlichen Klangdichten neue Formen von Räumlichkeit erschafft (Implosion für Orchester, 2001).

Diesem auf weite Sicht reflektierenden Komponieren entstammen auch die beiden Serien der Streichquartette Nr. 1–5 und Nr. 6–10. Die ersten fünf (im Druck als Einzelwerke erschienen) bilden gemeinsam als groß angelegte Satzfolge mit all ihren charakteristischen Eigentümlichkeiten eine Art Meta-Quartett, und auch die Beethoven-Studien als zweite Serie folgen einer gemeinsamen Idee und mehr noch der Reflexion eines einzigen Werkes: Beethovens Streichquartett B-Dur op. 130 mit seinen beiden alternativen Finalsätzen. Hierzu erklärte Jörg Widmann: „Das Quartett der Quartette ist für mich Beethovens Streichquartett op. 130 mit der ‚Großen Fuge‘ [op. 133]. In jedem der Sätze erfindet Beethoven gleichsam die archetypischen Satzformen ganz neu – sie sind danach nicht mehr, was sie einmal waren. Meine Beethoven-Studien (Streichquartette 6–10) umkreisen den Kosmos dieses so speziellen Quartetts mal unausgesprochen, mal deutlicher […].“


II. Zu den Werken des Programms

Beethoven: Streichquartett B-Dur op. 130

Als der bekannte Violinist Ignaz Schuppanzigh im April 1823 nach Wien zurückkehrte, bemerkte er schon anlässlich seines ersten Besuchs bei Beethoven: „Auf dem Lande werde ich ihn besuchen, da wollen wir zusammen ein neues Quartett komponieren.“ Den entscheidenden Anstoß zur Komposition einer Reihe von Streichquartetten dürfte für Beethoven jedoch ein Brief des russischen Mäzens Fürst Nikolai Galitzin gegeben haben. Im November des Vorjahres hatte dieser ihn um „un, deux ou trois nouveaux Quatuors“ gebeten. Schon die Uraufführung des ersten aus dieser Reihe, des Es-Dur-Quartetts op. 127 am 6. März 1825 verlief allerdings enttäuschend – und machte deutlich, wie sehr Beethoven mit seinen späten Streichquartetten in die Zukunft ausgriff. Bemerkenswert hierzu ist ein Kommentar, den Schuppanzigh während eines Gesprächs in ein Konversationsheft des tauben Komponisten eintrug: „Mechanische Schwierigkeiten sind ja nicht darinn, nur die Originalität macht es schwer, welche man im ersten Augenblik nicht fassen kann.“

Beethoven selbst war sich des interpretatorischen wie intellektuellen Anspruchs durchaus bewusst. In einem Skizzenbuch findet sich der auf den Kopfsatz des Streichquartetts B-Dur op. 130 abzielende Plan: „letztes Quartett [für Galitzin] mit einer ernsthaften und schwergängigen Einleitung.“ Am Ende wurde dieses Adagio dann doch nicht so gewichtig, dafür aber erscheint es mit dem nachfolgenden Allegro kontrastierend verzahnt. Dem an dritter Stelle stehenden Andante wie auch dem fünften Satz, der berühmten Cavatina, geht dann jeweils ein knapp gefasstes Scherzo voraus. Den Abschluss bildete ursprünglich die sogenannte „Große Fuge“ – die später durch ein ausgedehntes Rondo-Finale ersetzt und separat veröffentlicht wurde. Die konzeptionell in sich geschlossene Erstfassung der Komposition bezeichnete Anton Schindler in seiner Beethoven-Biografie zumindest aus heutiger Sicht kaum verständlich als „Monstrum aller Quartett-Musik.“

Dass Komponist:in und Publikum neue Werke mitunter unterschiedlich wahrnehmen, ist nicht erst ein Phänomen des 20. Jahrhunderts. Karl Holz, Secundarius im Schuppanzigh-Quartett, erinnerte sich an die Uraufführung von Opus 130 am 21. März 1826: „Die Produktion [Aufführung] war nie im Beisein Beethovens. Das Publikum war nach Umständen begeistert, erstaunt, oder fragend, doch aus Ehrfurcht nie absprechend. Es begriff – oder es begriff auch nicht. Bei der 1. Produktion des B [Dur] Quartetts, als noch die Fuge das Finale bildete, mußten die kleinen Zwischensätze in B Moll und G Dur, auf stürmisches Verlangen, wiederholt werden […]. Die Fuge ging unverstanden vorüber. Beethoven erwartete mich nach der Uraufführung im nächstgelegenen Gasthause. Ich erzählte ihm, daß die beiden Stücke [hatten] wiederholt werden müssen. Ja! sagte er hierauf ärgerlich, diese Leckerbissen! Warum nicht die Fuge?“


Widmann: 8. Streichquartett (Beethoven-Studie III)

Dass Jörg Widmann in seinem zweiten Quartettzyklus nicht allein Beethovens Opus 130 schöpferisch reflektiert, sondern die gesamte Gruppe von dessen 16 Werken, zeigt der Beginn des Streichquartetts Nr. 8 auf eindrucksvolle Weise. Mit seinem Unisono verweist er auf Beethovens Opus 95, denkt aber bereits die ersten Töne neu, lenkt sie in ein andere Richtung und arbeitet sie aus. Diese Geste bildet das zentrale Motiv des knappen Kopfsatzes, dem sich frei formulierte Variationen über die ersten Takte des Alla danza tedesca aus Opus 130 anschließen. Wie in einer Folge von Charakterstücken greift der Satz unterschiedliche Aspekte des Themas als Material in einer Dichte auf, die zeigt, dass die von Anton Webern geprägte Art des kondensierten Komponierens noch immer Möglichkeiten bietet – einschließlich ironischer oder tonaler Aspekte. Beide Sätze werden vom weitläufigen Final-Rondo gleichsam aufgesogen, das in einigen Momenten sogar Allusionen an die Musik Robert Schumanns freisetzt.

Jörg Widmann stellte der Partitur folgenden Kommentar voran: „Das 8. Streichquartett ist dreisätzig und fast durchgehend in schnellem Tempo gehalten. Der extrem knappe Kopfsatz changiert zwischen schroffen Unisono-Passagen und akkordischen Kaskaden. Der Mittelsatz ist ein Variationen-Satz. Das Thema sind die ersten acht Takte des von mir innig verehrten Alla danza tedesca, diesem Rätsel-Tanzsatz aus Beethovens Streichquartett op. 130. Schon seit Jahren hatte ich keine expliziten Variationen mehr geschrieben. Das Beethoven-Thema selbst scheint mir schon durch eine Vielzahl von Umformungen gegangen zu sein, es wimmelt schon hier vor rhythmischen, melodischen und harmonischen Ausnahmen. Auf dieses permanente In-Frage-Stellen des Behaupteten stürze ich mich in meinen Variationen natürlich lustvoll. Obwohl es ein langgehegter Traum von mir war, einmal etwas mit diesem Beethoven-Thema zu machen, ist dennoch der zentrale und auch zeitlich ausgedehnteste der dritte, der Schlusssatz geworden. Ein Rondo-Presto, das sich in der eigenen atemlosen Spielfreude immer mehr verfängt und fast ad absurdum führt.“


Beethoven: „Große Fuge“ B-Dur op. 133

Ursprünglich als Finale zum B-Dur-Quartett op. 130 konzipiert, sorgte die Fuge schon nach den ersten Aufführungen durch das Schuppanzigh-Quartett für Unverständnis – nicht nur beim Publikum. Einem Rezensenten erschien sie „unverständlich, wie Chinesisch“, obgleich eingeräumt wurde, dass vielleicht noch die Zeit kommen werde, „wo das, was uns beym ersten Blicke trüb und verworren erschien, klar und in wohlgefälligen Formen erkannt wird.“ Beethovens Wiener Verleger Mathias Artaria jedenfalls war nicht geneigt, so lange zu warten, und trat an den Komponisten mit der Bitte heran, die Fuge durch einen konventioneller gestalteten Satz zu ersetzen. Es kostete einige Überredungskunst und ein Extrahonorar, bis Beethoven diesem Wunsch widerwillig entsprach. Karl Holz, der Cellist des Quartetts, erinnerte sich später: „Er hielt viel darauf [auf die Fuge] und war nur mit Mühe zu bewegen, sie davon [dem Rest des Werks] zu trennen.“

Der übliche Name dieses in jeglicher Hinsicht fraglos „großen“ Satzes täuscht allerdings: Es handelt sich weder um eine Komposition im Sinne des stile antico noch um eine in der Art, wie sie Beethoven zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den verfügbaren Ausgaben von Bachs Wohltemperiertem Klavier in vielerlei stilistischer und formaler Ausprägung vorfinden und studieren konnte. Abgesehen von den beträchtlichen spieltechnischen Schwierigkeiten geht es hier vielmehr um eine radikale, revolutionäre Weiterentwicklung, so dass Beethoven zu Recht behaupten konnte, diese Fuge sei „tantôt libre tantôt recherchée“ (manchmal frei und manchmal gebunden). Igor Strawinsky hielt sie gar für „ein absolut zeitgenössisches Musikstück, das für immer zeitgenössisch sein wird.“


Widmann: Cavatina (10. Streichquartett – Beethoven-Studie V)

Um die Cavatina aus Beethovens Streichquartett op. 130 legt sich bei wohl jeder Aufführung die seltsame Aura eines sanften Schmerzes voller Hoffnung. Bereits Beethoven soll ähnlich gefühlt haben – obwohl er (längst nahezu vollständig ertaubt) den Satz lediglich „lesend“ hören konnte. Karl Holz überliefert jedenfalls: „Für ihn war die Krone aller Quartettsätze und sein Lieblingsstück die Cavatine […] aus dem B-Quartett. Er hat sie wirklich unter Tränen der Wehmut komponiert, und gestand mir, dass noch nie seine eigene Musik einen solchen Eindruck auf ihn hervorgebracht habe, und dass selbst das Zurückempfinden dieses Stückes ihn immer neue Thränen koste.“ Über die sich in dieser Musik entfaltende Ausdrucksintensität kompositorisch neu nachzudenken, einzelne Motive, Linien und Harmoniefolgen aufzugreifen, zu zitieren und in die Gegenwart zu übertragen, sie gleichsam noch einmal vor einem anderen, weiter gespannten klanglichen Erfahrungshorizont frei und neu zu erzählen – dies gelingt in Jörg Widmanns letzter Beethoven-Studie durch hohe Seriosität und eine wunderbare Art des Hineinhörens, bis zum gegenseitigen Loslassen am Ende. Der Komponist schreibt: „Obwohl manches Material daraus deutlich in meiner eigenen Cavatina auftaucht, scheint es mir doch der persönlichste und freieste Satz in meinem Quartett-Zyklus zu sein. Es ist ein freies Sich-Aussingen und Verströmen, das meinen Zyklus beendet, der sich in den vorangegangenen Quartetten so vehement und lustvoll an dem Beethoven’schen Quartettkosmos abgearbeitet hatte. Alles schwebt. Ins Offene, ins Freie.“


Prof. Dr. Michael Kube ist Mitglied der Editionsleitung der Neuen Schubert-Ausgabe, Herausgeber zahlreicher Urtext-Ausgaben und Mitarbeiter des auf klassische Musik spezialisierten Berliner Streaming-Dienstes Idagio. Seit 2015 konzipiert er die Familienkonzerte der Dresdner Philharmonie. Er ist Juror beim Preis der Deutschen Schallplattenkritik und lehrt Musikgeschichte an der Musikhochschule Stuttgart sowie Musikwissenschaft und Musikvermittlung an der Universität Würzburg.

 

Ins Offene
Streichquartette von Beethoven und Widmann

Michael Kube


I. Quartette im Zyklus

Ein Rückblick

Streichquartett-Zyklen begegnen einem heute allenthalben: in Konzerten, die in kompakter Form an wenigen Tagen oder über einige Wochen verteilt das Œuvre einzelner Komponist:innen präsentieren; oder als „Gesamteinspielungen“, verpackt als repräsentative CD-Boxen für Liebhaberinnen und Kenner. Dabei ist nicht immer ausgemacht, dass auch die Urheber:innen eine solch zyklische Vorstellung von ihrem Schaffen teilten: Die bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts übliche Gruppierung von je sechs Werken unter einer gemeinsamen Opuszahl entsprach schlicht einer alten Tradition, bei der man allenfalls auf die Reihenfolge der Tonarten achtete (vor allem hinsichtlich der raren Werke in Moll). Noch Beethoven legte in dieser Weise sein op. 18 an. Bei den Quartetten op. 59 hatte er (wie viele andere seiner Zeitgenossen) die Stückzahl schon auf drei reduziert, bevor das Einzelwerk in seiner schöpferischen Individualität mehr und mehr an Bedeutung gewann und als solches gezählt wurde. Allerdings fügten beispielsweise noch Schumann und Mendelssohn drei Quartette zu einem Opus zusammen, Brahms und Reger jeweils zwei.

Die Frage der zyklischen Gestaltung betraf damit nicht nur den motivisch-formalen Aufbau jedes einzelnen Werkes, sondern auch die übergeordnete Struktur der Werkgruppe. Für Beethovens späte Streichquartette steht ein solcher, sich auf wenige Grundmotive konzentrierender Ansatz seit vielen Jahrzehnten zur Diskussion. Deutlicher wird die übergreifende Konzeption dort, wo neutrale oder abstrakte Aspekte einen Zyklus ausmachen: Bei Haydn sind dies die schon im Titel seines op. 51 genannten Sieben letzten Worte des Erlösers am Kreuze, bei Schostakowitsch ist es der Durchgang durch alle 24 Tonarten (der allerdings unvollendet blieb). Einen weiteren Zyklus bilden die zwischen 1997 und 2005 entstandenen Streichquartette Nr. 1–5 von Jörg Widmann. Ursprünglich als einsätzige Einzelkompositionen gedacht, entwickelten sie sich aus späterer Perspektive betrachtet zu einem beziehungsreichen einzigen Werk – sowohl was die musikalische Gestalt als auch die darin reflektierten historischen Bezugspunkte angeht. Solche Verästelungen prägen auch Widmanns Streichquartette Nr. 6–10 aus den Jahren 2019/20, die der Komponist nun selbst Beethoven-Studien nannte. Im Rekurs auf Werke des Vorgängers öffnen sie den Blick auf neue Dimensionen einer auch im 21. Jahrhundert nicht alternden Gattung.


Auf der Suche nach Poesie

Er gilt unzweifelhaft als einer der führenden Komponisten seiner Generation, und doch ist Jörg Widmann auch weiterhin auf der Klarinette als Kammermusiker und Solist tätig. Mag diese konsequent umgesetzte Doppelbegabung heute verwundern, so steht sie doch in einer großen historischen Tradition, die es im Zeitalter einer immer weiter voranschreitenden Spezialisierung neu zu entdecken gilt. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein bestand eine nahezu obligatorische künstlerische Personalunion von Komponist und Interpret (vom Hofkapellmeister und Kantor bis hin zum späteren Virtuosen); erst das bürgerliche Mäzenatentum, vor allem aber die Urheberrechtsgesetze im vergangenen Jahrhundert haben die Begrenzung auf schöpferische Aktivitäten begünstigt. Neben zahlreichen komponierenden Dirigenten und Pianisten bzw. dirigierenden und klavierspielenden Komponisten (von Liszt und Brahms über Weingartner, Furtwängler und Bernstein bis hin zu Pierre Boulez und André Previn) ist die Kombination mit einem reinen Melodieinstrument nur selten anzutreffen – an herausragender Stelle wäre hier an Louis Spohr (Violine), Paul Hindemith (Viola) und Heinz Holliger (Oboe) zu erinnern. Auch bei Jörg Widmann hat die professionelle Verbindung mit der Klarinette zahlreiche Kompositionen für dieses Instrument hervorgebracht, eigene wie auch ihm gewidmete, vor allem aber eine schöpferische Ästhetik, die das „individuelle Wechselspiel zwischen strenger Formgebung und emotionaler Ent-Fesselung“ in den Mittelpunkt stellt (wie es die Musikwissenschaftlerin und Journalistin Meret Forster formulierte). Tatsächlich ist Widmanns Schaffen von einer Poesie durchdrungen, die vollkommen frei von Zwängen die Nähe sucht zu Robert Schumann (Es war einmal, 2015) oder zu antiken Mythen (Insel der Sirenen, Ikarische Klage und Teiresias, 1997–2009), sich mit verschiedentlichen Allusionen selbst im musikgeschichtlichen Kontinuum verankert (im Fall der Streichquartette) und mit unterschiedlichen Klangdichten neue Formen von Räumlichkeit erschafft (Implosion für Orchester, 2001).

Diesem auf weite Sicht reflektierenden Komponieren entstammen auch die beiden Serien der Streichquartette Nr. 1–5 und Nr. 6–10. Die ersten fünf (im Druck als Einzelwerke erschienen) bilden gemeinsam als groß angelegte Satzfolge mit all ihren charakteristischen Eigentümlichkeiten eine Art Meta-Quartett, und auch die Beethoven-Studien als zweite Serie folgen einer gemeinsamen Idee und mehr noch der Reflexion eines einzigen Werkes: Beethovens Streichquartett B-Dur op. 130 mit seinen beiden alternativen Finalsätzen. Hierzu erklärte Jörg Widmann: „Das Quartett der Quartette ist für mich Beethovens Streichquartett op. 130 mit der ‚Großen Fuge‘ [op. 133]. In jedem der Sätze erfindet Beethoven gleichsam die archetypischen Satzformen ganz neu – sie sind danach nicht mehr, was sie einmal waren. Meine Beethoven-Studien (Streichquartette 6–10) umkreisen den Kosmos dieses so speziellen Quartetts mal unausgesprochen, mal deutlicher […].“


II. Zu den Werken des Programms

Beethoven: Streichquartett B-Dur op. 130

Als der bekannte Violinist Ignaz Schuppanzigh im April 1823 nach Wien zurückkehrte, bemerkte er schon anlässlich seines ersten Besuchs bei Beethoven: „Auf dem Lande werde ich ihn besuchen, da wollen wir zusammen ein neues Quartett komponieren.“ Den entscheidenden Anstoß zur Komposition einer Reihe von Streichquartetten dürfte für Beethoven jedoch ein Brief des russischen Mäzens Fürst Nikolai Galitzin gegeben haben. Im November des Vorjahres hatte dieser ihn um „un, deux ou trois nouveaux Quatuors“ gebeten. Schon die Uraufführung des ersten aus dieser Reihe, des Es-Dur-Quartetts op. 127 am 6. März 1825 verlief allerdings enttäuschend – und machte deutlich, wie sehr Beethoven mit seinen späten Streichquartetten in die Zukunft ausgriff. Bemerkenswert hierzu ist ein Kommentar, den Schuppanzigh während eines Gesprächs in ein Konversationsheft des tauben Komponisten eintrug: „Mechanische Schwierigkeiten sind ja nicht darinn, nur die Originalität macht es schwer, welche man im ersten Augenblik nicht fassen kann.“

Beethoven selbst war sich des interpretatorischen wie intellektuellen Anspruchs durchaus bewusst. In einem Skizzenbuch findet sich der auf den Kopfsatz des Streichquartetts B-Dur op. 130 abzielende Plan: „letztes Quartett [für Galitzin] mit einer ernsthaften und schwergängigen Einleitung.“ Am Ende wurde dieses Adagio dann doch nicht so gewichtig, dafür aber erscheint es mit dem nachfolgenden Allegro kontrastierend verzahnt. Dem an dritter Stelle stehenden Andante wie auch dem fünften Satz, der berühmten Cavatina, geht dann jeweils ein knapp gefasstes Scherzo voraus. Den Abschluss bildete ursprünglich die sogenannte „Große Fuge“ – die später durch ein ausgedehntes Rondo-Finale ersetzt und separat veröffentlicht wurde. Die konzeptionell in sich geschlossene Erstfassung der Komposition bezeichnete Anton Schindler in seiner Beethoven-Biografie zumindest aus heutiger Sicht kaum verständlich als „Monstrum aller Quartett-Musik.“

Dass Komponist:in und Publikum neue Werke mitunter unterschiedlich wahrnehmen, ist nicht erst ein Phänomen des 20. Jahrhunderts. Karl Holz, Secundarius im Schuppanzigh-Quartett, erinnerte sich an die Uraufführung von Opus 130 am 21. März 1826: „Die Produktion [Aufführung] war nie im Beisein Beethovens. Das Publikum war nach Umständen begeistert, erstaunt, oder fragend, doch aus Ehrfurcht nie absprechend. Es begriff – oder es begriff auch nicht. Bei der 1. Produktion des B [Dur] Quartetts, als noch die Fuge das Finale bildete, mußten die kleinen Zwischensätze in B Moll und G Dur, auf stürmisches Verlangen, wiederholt werden […]. Die Fuge ging unverstanden vorüber. Beethoven erwartete mich nach der Uraufführung im nächstgelegenen Gasthause. Ich erzählte ihm, daß die beiden Stücke [hatten] wiederholt werden müssen. Ja! sagte er hierauf ärgerlich, diese Leckerbissen! Warum nicht die Fuge?“


Widmann: 8. Streichquartett (Beethoven-Studie III)

Dass Jörg Widmann in seinem zweiten Quartettzyklus nicht allein Beethovens Opus 130 schöpferisch reflektiert, sondern die gesamte Gruppe von dessen 16 Werken, zeigt der Beginn des Streichquartetts Nr. 8 auf eindrucksvolle Weise. Mit seinem Unisono verweist er auf Beethovens Opus 95, denkt aber bereits die ersten Töne neu, lenkt sie in ein andere Richtung und arbeitet sie aus. Diese Geste bildet das zentrale Motiv des knappen Kopfsatzes, dem sich frei formulierte Variationen über die ersten Takte des Alla danza tedesca aus Opus 130 anschließen. Wie in einer Folge von Charakterstücken greift der Satz unterschiedliche Aspekte des Themas als Material in einer Dichte auf, die zeigt, dass die von Anton Webern geprägte Art des kondensierten Komponierens noch immer Möglichkeiten bietet – einschließlich ironischer oder tonaler Aspekte. Beide Sätze werden vom weitläufigen Final-Rondo gleichsam aufgesogen, das in einigen Momenten sogar Allusionen an die Musik Robert Schumanns freisetzt.

Jörg Widmann stellte der Partitur folgenden Kommentar voran: „Das 8. Streichquartett ist dreisätzig und fast durchgehend in schnellem Tempo gehalten. Der extrem knappe Kopfsatz changiert zwischen schroffen Unisono-Passagen und akkordischen Kaskaden. Der Mittelsatz ist ein Variationen-Satz. Das Thema sind die ersten acht Takte des von mir innig verehrten Alla danza tedesca, diesem Rätsel-Tanzsatz aus Beethovens Streichquartett op. 130. Schon seit Jahren hatte ich keine expliziten Variationen mehr geschrieben. Das Beethoven-Thema selbst scheint mir schon durch eine Vielzahl von Umformungen gegangen zu sein, es wimmelt schon hier vor rhythmischen, melodischen und harmonischen Ausnahmen. Auf dieses permanente In-Frage-Stellen des Behaupteten stürze ich mich in meinen Variationen natürlich lustvoll. Obwohl es ein langgehegter Traum von mir war, einmal etwas mit diesem Beethoven-Thema zu machen, ist dennoch der zentrale und auch zeitlich ausgedehnteste der dritte, der Schlusssatz geworden. Ein Rondo-Presto, das sich in der eigenen atemlosen Spielfreude immer mehr verfängt und fast ad absurdum führt.“


Beethoven: „Große Fuge“ B-Dur op. 133

Ursprünglich als Finale zum B-Dur-Quartett op. 130 konzipiert, sorgte die Fuge schon nach den ersten Aufführungen durch das Schuppanzigh-Quartett für Unverständnis – nicht nur beim Publikum. Einem Rezensenten erschien sie „unverständlich, wie Chinesisch“, obgleich eingeräumt wurde, dass vielleicht noch die Zeit kommen werde, „wo das, was uns beym ersten Blicke trüb und verworren erschien, klar und in wohlgefälligen Formen erkannt wird.“ Beethovens Wiener Verleger Mathias Artaria jedenfalls war nicht geneigt, so lange zu warten, und trat an den Komponisten mit der Bitte heran, die Fuge durch einen konventioneller gestalteten Satz zu ersetzen. Es kostete einige Überredungskunst und ein Extrahonorar, bis Beethoven diesem Wunsch widerwillig entsprach. Karl Holz, der Cellist des Quartetts, erinnerte sich später: „Er hielt viel darauf [auf die Fuge] und war nur mit Mühe zu bewegen, sie davon [dem Rest des Werks] zu trennen.“

Der übliche Name dieses in jeglicher Hinsicht fraglos „großen“ Satzes täuscht allerdings: Es handelt sich weder um eine Komposition im Sinne des stile antico noch um eine in der Art, wie sie Beethoven zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den verfügbaren Ausgaben von Bachs Wohltemperiertem Klavier in vielerlei stilistischer und formaler Ausprägung vorfinden und studieren konnte. Abgesehen von den beträchtlichen spieltechnischen Schwierigkeiten geht es hier vielmehr um eine radikale, revolutionäre Weiterentwicklung, so dass Beethoven zu Recht behaupten konnte, diese Fuge sei „tantôt libre tantôt recherchée“ (manchmal frei und manchmal gebunden). Igor Strawinsky hielt sie gar für „ein absolut zeitgenössisches Musikstück, das für immer zeitgenössisch sein wird.“


Widmann: Cavatina (10. Streichquartett – Beethoven-Studie V)

Um die Cavatina aus Beethovens Streichquartett op. 130 legt sich bei wohl jeder Aufführung die seltsame Aura eines sanften Schmerzes voller Hoffnung. Bereits Beethoven soll ähnlich gefühlt haben – obwohl er (längst nahezu vollständig ertaubt) den Satz lediglich „lesend“ hören konnte. Karl Holz überliefert jedenfalls: „Für ihn war die Krone aller Quartettsätze und sein Lieblingsstück die Cavatine […] aus dem B-Quartett. Er hat sie wirklich unter Tränen der Wehmut komponiert, und gestand mir, dass noch nie seine eigene Musik einen solchen Eindruck auf ihn hervorgebracht habe, und dass selbst das Zurückempfinden dieses Stückes ihn immer neue Thränen koste.“ Über die sich in dieser Musik entfaltende Ausdrucksintensität kompositorisch neu nachzudenken, einzelne Motive, Linien und Harmoniefolgen aufzugreifen, zu zitieren und in die Gegenwart zu übertragen, sie gleichsam noch einmal vor einem anderen, weiter gespannten klanglichen Erfahrungshorizont frei und neu zu erzählen – dies gelingt in Jörg Widmanns letzter Beethoven-Studie durch hohe Seriosität und eine wunderbare Art des Hineinhörens, bis zum gegenseitigen Loslassen am Ende. Der Komponist schreibt: „Obwohl manches Material daraus deutlich in meiner eigenen Cavatina auftaucht, scheint es mir doch der persönlichste und freieste Satz in meinem Quartett-Zyklus zu sein. Es ist ein freies Sich-Aussingen und Verströmen, das meinen Zyklus beendet, der sich in den vorangegangenen Quartetten so vehement und lustvoll an dem Beethoven’schen Quartettkosmos abgearbeitet hatte. Alles schwebt. Ins Offene, ins Freie.“


Prof. Dr. Michael Kube ist Mitglied der Editionsleitung der Neuen Schubert-Ausgabe, Herausgeber zahlreicher Urtext-Ausgaben und Mitarbeiter des auf klassische Musik spezialisierten Berliner Streaming-Dienstes Idagio. Seit 2015 konzipiert er die Familienkonzerte der Dresdner Philharmonie. Er ist Juror beim Preis der Deutschen Schallplattenkritik und lehrt Musikgeschichte an der Musikhochschule Stuttgart sowie Musikwissenschaft und Musikvermittlung an der Universität Würzburg.

 


Jörg Widmann  (© Marco Borggreve)

Cavatina

A large category of contemporary music commissions falls into the rubric of “responses” to specific works from the core repertoire. Starting with his String Quartet No. 6 from 2019, Jörg Widmann has immersed himself in a far-reaching engagement with the legacy of Beethoven—the result is a cycle of five works, continuing through Quartet No. 10, that he has collectively titled Beethoven Studies. For tonight’s concert, the Juilliard String Quartet pairs Nos. 8 and 10 with the work that served as their inspiration: Beethoven's Op. 130, the second of his so-called “late quartets.”

Essay by Thomas May

Cavatina
Beethoven and Widmann in Dialogue

Thomas May


A large category of contemporary music commissions falls into the rubric of “responses” to specific works from the core repertoire, such as brief concert openers intended to set the stage for a Beethoven symphony. Jörg Widmann’s Con brio, for example—first performed in 2008—pays homage to the “fury and rhythmic insistence” of his predecessor’s Seventh and Eighth Symphonies in thought-provoking ways.

But starting with his String Quartet No. 6 from 2019, which originated as a commission from Anne-Sophie Mutter, Widmann immersed himself in a much more far-reaching engagement with the legacy of Beethoven. The result is a cycle of five works, continuing through Quartet No. 10, that he has collectively titled Beethoven Studies. A hiatus of some 14 years separates No. 6 from its predecessor—Widmann’s first five string quartets, composed between 1997 and 2005, were similarly “conceived as an interconnected, self-contained cycle.”

For tonight’s concert, the Juilliard String Quartet pairs Nos. 8 and 10, which the ensemble co-commissioned, with the work that served as their inspiration: Beethoven’s Op. 130, the second of his so-called “late quartets.” To enhance this context, the program also includes the monumental Grosse Fuge, initially conceived as the finale of Op. 130 but later published as a standalone piece.


Chosen for the “Golden Record”

Following his Op. 95 String Quartet in F minor (known as “Quartetto Serioso”) from 1810, a dozen years elapsed before Beethoven again turned to his attention to the genre. The impetus was a commission from Prince Nikolai Galitzin, a Russian aristocrat, military office, and amateur cellist who became a passionate admirer of Beethoven’s music while living in Vienna. (Whether the two ever met in person is unknown.) In November 1822, Galitzin wrote to request “one, two, or three new quartets,” allowing Beethoven to suggest whatever compensation he thought adequate. The composer proposed a fee of 50 ducats each for three quartets, which resulted in the creation of the Quartets in E-flat major, B-flat major, and A minor (Op. 127, Op. 130, and Op. 132, respectively).

Because he was still completing the Missa solemnis and also working on his Ninth Symphony, Beethoven did not finish these three quartets until 1825. Galitzin patiently waited and in the meantime underwrote the delayed premiere of the Missa solemnis (which took place in St. Petersburg in April 1824). After composing the three quartets, Beethoven continued with the String Quartets in C-sharp minor (Op. 131) and F major (Op. 135, the last major work he completed). Although the composer died before receiving the full fee to which his patron had agreed, we have Galitzin to thank for provoking a renewed fascination with the string quartet in Beethoven’s final years—which arguably represent not just the summit of his achievement but some of the most meaningful music ever composed.

The opus numbers do not reflect compositional chronology. Beethoven completed Op. 127 and Op. 132 before the B-flat major Quartet, which appeared in its original form by November 1825. The only one of his quartets cast in six movements, it begins with a slow introduction that leads into a compelling variation on sonata form in which the introductory material continues to insinuate itself. The sequence of middle movements is doubled to include two fast-paced and eccentric dance movements and two slow movements in alternation with each other. The Presto consists of a scherzo and trio and is contrasted with an enigmatic Andante with scherzo aspects of its own.

The second dance movement, Alla danza tedesca (“in the manner of a German dance”) presents a disarming prelude to the Cavatina, the axis around which Op. 130 revolves. Its title refers to the lyrical warmth of an opera aria. When the legendary astronomer Carl Sagan helped assemble the “Golden Record” sent by NASA’s Voyager probes as a way to document human civilization for life forms outside our solar system, he included the Cavatina. For the Juilliard String Quartet, Op. 130, together with Widmann’s “Beethoven Studies,” also represents a musical memorial to their beloved late colleague, the violist Roger Tapping, for whom the pairing of these works had become a passion project. He passed away in early 2022, before Widmann’s Cavatina could be premiered.

Beethoven initially envisioned the Grosse Fuge as the grand finale, intending it to provide both closure and balance—and so it was first performed in March 1826. However, in an unusual move, Beethoven’s publisher, Matthias Artaria, succeeded in persuading the composer to replace this gigantic movement with something less overwhelming and more accessible for audiences. The Juilliard String Quartet plays this alternative capstone—a far more subdued leave-taking from Op. 130, which became the final movement Beethoven composed when he completed it in the late fall of 1826.


“The Cosmos of This So Very Unique Quartet”

In Jörg Widmann’s estimation, the B flat–major Quartet—including its original conclusion with the Grosse Fuge—is nothing less than “the pinnacle of all quartets.” He notes that “Beethoven succeeds in re-inventing the archetypal movement forms with equal intensity, meaning that they are consequently nothing like what they once were.” Among the many innovations of the late quartets is the expansion of architecture into five (Op. 131), six (Op. 130 as well as Op. 132), and seven (Op. 131) movements. Widmann similarly increases the number of movements in his Beethoven Studies progressively, from a single movement in Quartet No. 6 to four movements in No. 9 (the last of the five to be composed, though it appears as the penultimate work of the cycle).

The Quartet No. 8 (Beethoven Study III) is thus cast in three movements, though a fast tempo prevails throughout. Following a very terse opening movement is a set of variations on the first eight bars of the Alla danza tedesca. Widmann characterizes this theme as one “already teeming with exceptional rhythmic, melodic, and harmonic features” … a “permanent calling into question of assertions.” The rapid-fire rondo finale is the longest part of this Quartet, repeatedly becoming “caught up, almost ad absurdum, in its own breathless playfulness,” according to the composer.

All five Beethoven Studies “explore the cosmos of this so very unique quartet [Op. 130] to a greater or lesser degree,” Widmann remarks. This becomes most explicit in Study V, the finale to his cycle (composed in 2020 and thus predating the four-movement Study IV). Titled Cavatina after the movement on which he fixates—“one of the most emotional movements ever written by Beethoven”—this music at the same time is considered by Widmann to represent “one of the most personal and freest movements of my entire quartet cycle … a free form of ardent singing and flowing, marking the conclusion of the cycle which grappled so vehemently and sensuously with the cosmos of Beethoven’s quartets.”


“The Monster of All Quartet Music” 

The Grosse Fuge has taken on a life of its own as an independently performed piece. Formal experimentation enters into dialogue here with tradition, while old-fashioned—even archaic—procedures are juxtaposed with daring innovations. Beethoven channeled years of intensive preoccupation with the complex contrapuntal style of his Baroque predecessors into this music, which swerves without warning from the elated vision of a mystic to earthy, gruff humor. The composer’s early biographer Anton Schindler famously dubbed the result “the monster of all quartet music.”

Formally, the Grosse Fuge is constructed as a double fugue, combining two themes that unfold simultaneously. While rooted in the discipline of counterpoint, Beethoven transforms the form with remarkable freedom as he introduces unexpected splicings and combinations. Not all of the piece is strictly fugal. The opening, which he titles “Overtura,” presents the varied guises of the enigmatic fugal theme and sets the stage for the four sections that follow. The fugue proper involves an aggressive interplay of theme and countertheme, marked by rhythmic tension and relentless energy.

The atmosphere changes dramatically with a shift to a new key and tempo, though the fugue theme winds its way into the flowing lyricism of the second section. Another stark change initiates a scherzo-ish treatment of the theme, which skips and trills with animated energy.

The entire piece can be parsed in myriad ways: as a sequence of variations, a mammoth sonata movement, a condensed multi-movement work in disguise (akin to the Ninth Symphony’s colossal finale), or even a power struggle mirroring the process of Hegelian dialectic. The most complex writing is reserved for the final section. Beethoven reworks the preceding material—atomizing, fusing, refragmenting it—to recharge the musical momentum. Another unison statement of the theme eventually furnishes a breakthrough to the coda. Beethoven rounds off the whole kaleidoscopic experience with a “back-to-normal” cadence—as if to remind us that “we are such stuff as dreams are made on….”

 


Thomas May is a writer, critic, educator, and translator whose work appears in The New York Times, Gramophone, and many other publications. The English-language editor for the Lucerne Festival, he also writes program notes for the Ojai Festival in California.

 

Cavatina
Beethoven and Widmann in Dialogue

Thomas May


A large category of contemporary music commissions falls into the rubric of “responses” to specific works from the core repertoire, such as brief concert openers intended to set the stage for a Beethoven symphony. Jörg Widmann’s Con brio, for example—first performed in 2008—pays homage to the “fury and rhythmic insistence” of his predecessor’s Seventh and Eighth Symphonies in thought-provoking ways.

But starting with his String Quartet No. 6 from 2019, which originated as a commission from Anne-Sophie Mutter, Widmann immersed himself in a much more far-reaching engagement with the legacy of Beethoven. The result is a cycle of five works, continuing through Quartet No. 10, that he has collectively titled Beethoven Studies. A hiatus of some 14 years separates No. 6 from its predecessor—Widmann’s first five string quartets, composed between 1997 and 2005, were similarly “conceived as an interconnected, self-contained cycle.”

For tonight’s concert, the Juilliard String Quartet pairs Nos. 8 and 10, which the ensemble co-commissioned, with the work that served as their inspiration: Beethoven’s Op. 130, the second of his so-called “late quartets.” To enhance this context, the program also includes the monumental Grosse Fuge, initially conceived as the finale of Op. 130 but later published as a standalone piece.


Chosen for the “Golden Record”

Following his Op. 95 String Quartet in F minor (known as “Quartetto Serioso”) from 1810, a dozen years elapsed before Beethoven again turned to his attention to the genre. The impetus was a commission from Prince Nikolai Galitzin, a Russian aristocrat, military office, and amateur cellist who became a passionate admirer of Beethoven’s music while living in Vienna. (Whether the two ever met in person is unknown.) In November 1822, Galitzin wrote to request “one, two, or three new quartets,” allowing Beethoven to suggest whatever compensation he thought adequate. The composer proposed a fee of 50 ducats each for three quartets, which resulted in the creation of the Quartets in E-flat major, B-flat major, and A minor (Op. 127, Op. 130, and Op. 132, respectively).

Because he was still completing the Missa solemnis and also working on his Ninth Symphony, Beethoven did not finish these three quartets until 1825. Galitzin patiently waited and in the meantime underwrote the delayed premiere of the Missa solemnis (which took place in St. Petersburg in April 1824). After composing the three quartets, Beethoven continued with the String Quartets in C-sharp minor (Op. 131) and F major (Op. 135, the last major work he completed). Although the composer died before receiving the full fee to which his patron had agreed, we have Galitzin to thank for provoking a renewed fascination with the string quartet in Beethoven’s final years—which arguably represent not just the summit of his achievement but some of the most meaningful music ever composed.

The opus numbers do not reflect compositional chronology. Beethoven completed Op. 127 and Op. 132 before the B-flat major Quartet, which appeared in its original form by November 1825. The only one of his quartets cast in six movements, it begins with a slow introduction that leads into a compelling variation on sonata form in which the introductory material continues to insinuate itself. The sequence of middle movements is doubled to include two fast-paced and eccentric dance movements and two slow movements in alternation with each other. The Presto consists of a scherzo and trio and is contrasted with an enigmatic Andante with scherzo aspects of its own.

The second dance movement, Alla danza tedesca (“in the manner of a German dance”) presents a disarming prelude to the Cavatina, the axis around which Op. 130 revolves. Its title refers to the lyrical warmth of an opera aria. When the legendary astronomer Carl Sagan helped assemble the “Golden Record” sent by NASA’s Voyager probes as a way to document human civilization for life forms outside our solar system, he included the Cavatina. For the Juilliard String Quartet, Op. 130, together with Widmann’s “Beethoven Studies,” also represents a musical memorial to their beloved late colleague, the violist Roger Tapping, for whom the pairing of these works had become a passion project. He passed away in early 2022, before Widmann’s Cavatina could be premiered.

Beethoven initially envisioned the Grosse Fuge as the grand finale, intending it to provide both closure and balance—and so it was first performed in March 1826. However, in an unusual move, Beethoven’s publisher, Matthias Artaria, succeeded in persuading the composer to replace this gigantic movement with something less overwhelming and more accessible for audiences. The Juilliard String Quartet plays this alternative capstone—a far more subdued leave-taking from Op. 130, which became the final movement Beethoven composed when he completed it in the late fall of 1826.


“The Cosmos of This So Very Unique Quartet”

In Jörg Widmann’s estimation, the B flat–major Quartet—including its original conclusion with the Grosse Fuge—is nothing less than “the pinnacle of all quartets.” He notes that “Beethoven succeeds in re-inventing the archetypal movement forms with equal intensity, meaning that they are consequently nothing like what they once were.” Among the many innovations of the late quartets is the expansion of architecture into five (Op. 131), six (Op. 130 as well as Op. 132), and seven (Op. 131) movements. Widmann similarly increases the number of movements in his Beethoven Studies progressively, from a single movement in Quartet No. 6 to four movements in No. 9 (the last of the five to be composed, though it appears as the penultimate work of the cycle).

The Quartet No. 8 (Beethoven Study III) is thus cast in three movements, though a fast tempo prevails throughout. Following a very terse opening movement is a set of variations on the first eight bars of the Alla danza tedesca. Widmann characterizes this theme as one “already teeming with exceptional rhythmic, melodic, and harmonic features” … a “permanent calling into question of assertions.” The rapid-fire rondo finale is the longest part of this Quartet, repeatedly becoming “caught up, almost ad absurdum, in its own breathless playfulness,” according to the composer.

All five Beethoven Studies “explore the cosmos of this so very unique quartet [Op. 130] to a greater or lesser degree,” Widmann remarks. This becomes most explicit in Study V, the finale to his cycle (composed in 2020 and thus predating the four-movement Study IV). Titled Cavatina after the movement on which he fixates—“one of the most emotional movements ever written by Beethoven”—this music at the same time is considered by Widmann to represent “one of the most personal and freest movements of my entire quartet cycle … a free form of ardent singing and flowing, marking the conclusion of the cycle which grappled so vehemently and sensuously with the cosmos of Beethoven’s quartets.”


“The Monster of All Quartet Music” 

The Grosse Fuge has taken on a life of its own as an independently performed piece. Formal experimentation enters into dialogue here with tradition, while old-fashioned—even archaic—procedures are juxtaposed with daring innovations. Beethoven channeled years of intensive preoccupation with the complex contrapuntal style of his Baroque predecessors into this music, which swerves without warning from the elated vision of a mystic to earthy, gruff humor. The composer’s early biographer Anton Schindler famously dubbed the result “the monster of all quartet music.”

Formally, the Grosse Fuge is constructed as a double fugue, combining two themes that unfold simultaneously. While rooted in the discipline of counterpoint, Beethoven transforms the form with remarkable freedom as he introduces unexpected splicings and combinations. Not all of the piece is strictly fugal. The opening, which he titles “Overtura,” presents the varied guises of the enigmatic fugal theme and sets the stage for the four sections that follow. The fugue proper involves an aggressive interplay of theme and countertheme, marked by rhythmic tension and relentless energy.

The atmosphere changes dramatically with a shift to a new key and tempo, though the fugue theme winds its way into the flowing lyricism of the second section. Another stark change initiates a scherzo-ish treatment of the theme, which skips and trills with animated energy.

The entire piece can be parsed in myriad ways: as a sequence of variations, a mammoth sonata movement, a condensed multi-movement work in disguise (akin to the Ninth Symphony’s colossal finale), or even a power struggle mirroring the process of Hegelian dialectic. The most complex writing is reserved for the final section. Beethoven reworks the preceding material—atomizing, fusing, refragmenting it—to recharge the musical momentum. Another unison statement of the theme eventually furnishes a breakthrough to the coda. Beethoven rounds off the whole kaleidoscopic experience with a “back-to-normal” cadence—as if to remind us that “we are such stuff as dreams are made on….”

 


Thomas May is a writer, critic, educator, and translator whose work appears in The New York Times, Gramophone, and many other publications. The English-language editor for the Lucerne Festival, he also writes program notes for the Ojai Festival in California.

 

Das Ensemble

Juilliard String Quartet

Das Juilliard String Quartet, das sich aus Professor:innen der New Yorker Juilliard School of Music zusammensetzt, ist seit mehr als 75 Jahren eine Institution des amerikanischen und internationalen Musiklebens. Die künstlerische Arbeit des Ensembles ist auf mehr als 100 Aufnahmen dokumentiert, darunter Einspielungen der Streichquartette von Bartók, Schönberg, Debussy und Ravel, die jeweils mit einem Grammy ausgezeichnet wurden. Darüber hinaus erhielt das Juilliard String Quartet den Preis der deutschen Schallplattenkritik und als erstes klassisches Ensemble einen Grammy für seine Gesamtdiskographie, der die vier Musiker:innen zuletzt Werke von Beethoven und Bartók in Kombination mit Mario Davidovskys Fragments hinzufügten. Auftritte in jüngerer Vergangenheit führten das Quartett, das seit 2022 in seiner aktuellen Besetzung spielt, u.a. nach Hongkong, Singapur, Tokio, London, Boston, Kopenhagen, Athen und Madrid. In dieser Saison gastierte das Ensemble bereits im Wiener Musikverein, bei den Dresdner Musikfestspielen, in der Elbphilharmonie Hamburg, im Beethovenhaus Bonn und im Concertgebouw Amsterdam.

Januar 2025

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