Andrè Schuen Bariton
Julius Drake Klavier
Martina Gedeck Rezitation

Programm

Heinrich Heine
Auszüge aus dem Buch der Lieder und andere Texte

Vertonungen von 
Robert Schumann

Heinrich Heine (1797–1856)
Auszüge aus dem Buch der Lieder und andere Texte

sowie Briefe von Robert Schumann

***

Heinrich Heine, aus Die Bäder von Lucca (1830)


Robert Schumann
(1810–1856)

Die beiden Grenadiere op. 49 Nr. 1 (1840)

Liederkreis nach Gedichten von Heinrich Heine op. 24 (1840)

I. Morgens steh ich auf und frage
II. Es treibt mich hin
III. Ich wandelte unter den Bäumen
IV. Lieb’ Liebchen
V. Schöne Wiege meiner Leiden
VI. Warte, warte, wilder Schiffmann
VII. Berg’ und Burgen schaun herunter
VIII. Anfangs wollt’ ich fast verzagen
IX. Mit Myrthen und Rosen


Robert an Clara Schumann, 13. März 1840

Robert Schumann an Heinrich Heine, 24. Mai 1840
Robert an Clara Schumann, 24. Februar 1840


Du bist wie eine Blume
aus Myrthen op. 25 (1840)


Pause


Heinrich Heine, aus der Vorrede zu Lutetia (1855)


Robert Schumann

20 Lieder und Gesänge aus dem Lyrischen Intermezzo (1840)
(Erstfassung von Dichterliebe op. 48)

I. Im wunderschönen Monat Mai
II. Aus meinen Tränen sprießen
III. Die Rose, die Lilie
IV. Wenn ich deine Augen seh
V. Dein Angesicht
VI. Lehn’ deine Wang’
VII. Ich will meine Seele tauchen
VIII. Im Rhein, im heiligen Strome
IX. Ich grolle nicht
X. Und wüsstens die Blumen, die kleinen
XI. Das ist ein Flöten und Geigen
XII. Hör ich das Liedchen klingen
XIII. Ein Jüngling liebt ein Mädchen
XIV. Am leuchtenden Sommermorgen
XV. Es leuchtet meine Liebe
XVI. Mein Wagen rollet langsam
XVII. Ich hab im Traum geweinet
XVIII. Allnächtlich im Traume
XIX. Aus alten Märchen winkt es
XX. Die alten, bösen Lieder

Heinrich Heine (1797–1856)
Auszüge aus dem Buch der Lieder und andere Texte

sowie Briefe von Robert Schumann

***

Heinrich Heine, aus Die Bäder von Lucca (1830)


Robert Schumann
(1810–1856)

Die beiden Grenadiere op. 49 Nr. 1 (1840)

Liederkreis nach Gedichten von Heinrich Heine op. 24 (1840)

I. Morgens steh ich auf und frage
II. Es treibt mich hin
III. Ich wandelte unter den Bäumen
IV. Lieb’ Liebchen
V. Schöne Wiege meiner Leiden
VI. Warte, warte, wilder Schiffmann
VII. Berg’ und Burgen schaun herunter
VIII. Anfangs wollt’ ich fast verzagen
IX. Mit Myrthen und Rosen


Robert an Clara Schumann, 13. März 1840

Robert Schumann an Heinrich Heine, 24. Mai 1840
Robert an Clara Schumann, 24. Februar 1840


Du bist wie eine Blume
aus Myrthen op. 25 (1840)


Pause


Heinrich Heine, aus der Vorrede zu Lutetia (1855)


Robert Schumann

20 Lieder und Gesänge aus dem Lyrischen Intermezzo (1840)
(Erstfassung von Dichterliebe op. 48)

I. Im wunderschönen Monat Mai
II. Aus meinen Tränen sprießen
III. Die Rose, die Lilie
IV. Wenn ich deine Augen seh
V. Dein Angesicht
VI. Lehn’ deine Wang’
VII. Ich will meine Seele tauchen
VIII. Im Rhein, im heiligen Strome
IX. Ich grolle nicht
X. Und wüsstens die Blumen, die kleinen
XI. Das ist ein Flöten und Geigen
XII. Hör ich das Liedchen klingen
XIII. Ein Jüngling liebt ein Mädchen
XIV. Am leuchtenden Sommermorgen
XV. Es leuchtet meine Liebe
XVI. Mein Wagen rollet langsam
XVII. Ich hab im Traum geweinet
XVIII. Allnächtlich im Traume
XIX. Aus alten Märchen winkt es
XX. Die alten, bösen Lieder

asset_imageHeinrich Heine, Portrait von Gottlieb Gassen (1828)

„Weshalb nach mittelmäßigen Gedichten greifen?“

Literatur wurde Robert Schumann quasi in die Wiege gelegt: Als Sohn eines Buchhändlers, Verlegers und Schriftstellers, das jugendliche Interesse genährt von der gut sortierten elterlichen Bibliothek, war er vertraut mit den philosophischen Schriften seiner Zeit ebenso wie mit der politisch-sozial engagierten Literatur des „Jungen Deutschland“ um 1830. Und hier fiel der Name Heinrich Heine besonders oft – ketzerische Nachtigall und hellsichtiger Essayist, viel geschmäht und viel gelesen.

Essay von Kerstin Schüssler-Bach

„Weshalb nach mittelmäßigen Gedichten greifen?“
Robert Schumann und Heinrich Heine

Kerstin Schüssler-Bach


Literatur wurde Robert Schumann quasi in die Wiege gelegt: Als Sohn eines Buchhändlers, Verlegers und Schriftstellers, das jugendliche Interesse genährt von der gut sortierten elterlichen Bibliothek, war er vertraut mit den philosophischen Schriften seiner Zeit ebenso wie mit der politisch-sozial engagierten Literatur des „Jungen Deutschland“ um 1830. Und hier fiel der Name Heinrich Heine besonders oft – ketzerische Nachtigall und hellsichtiger Essayist, viel geschmäht und viel gelesen.

Den verehrten Dichter traf Schumann ein einziges Mal persönlich: Als 17-Jähriger reiste er im Frühjahr 1828 kurz vor Studienbeginn nach München, wo er Heine kennenlernte. Er hatte sich ihn als einen „mürrischen, menschenfeindlichen Mann“ vorgestellt und war angenehm überrascht, ihn „freundlich, wie ein menschlich griechischer Anakreon“ zu erleben. In „geistreicher Unterhaltung“ führte Heine den jungen Mann in die Gemäldesammlung der Galerie Leuchtenberg. Schumann bemerkte jedoch auch, was ihn von dessen Wesen trennte: Heines „bittres ironisches Lächeln“, sein „brennender Sarkasmus“, die „große Verzeiflung“, ja der „tiefe, innere Groll über das Leben“ waren Schumanns Empathie und seiner nach poetischer Selbstvergessenheit strebenden Kunstauffassung fremd.

Dennoch blieb Heine ein lebenslanger Begleiter des Komponisten – ihre Lebenswege endeten sogar im gleichen Jahr, im Abstand von nur fünf Monaten. Schon eine Notiz des 23-jährigen Schumann verrät den Plan, „musikalische Gedichte, mit unterlegten Liedern von H. Heine“ zu schreiben. Vermutlich ging es hierbei um von Heines Lyrik inspirierte Klavierstücke, die womöglich sogar im Wechsel mit dem Text vorgetragen werden sollten (nicht unähnlich dem Programm des heutigen Konzerts, in dem sich Heines Zeilen und Schumanns Töne ineinander verschränken).


„…eine Seligkeit, für Gesang zu schreiben“


Nachdem Schumanns frühe Lieder aus dem Jahr 1827/28 unveröffentlicht blieben, fand er erst im Februar 1840 zu dieser Kunstform zurück: „Ach Clara, was das für eine Seligkeit ist, für Gesang zu schreiben; die hatte ich lange entbehrt.“ Die endlich erkämpfte Aussicht, Clara Wieck heiraten zu können, löst die berühmte Flut des „Liederjahres“ aus – der Komponist „tritt aus der Einsamkeit des Klaviers in die Zweisamkeit des Lieds“ (Oscar Bie). Vom übervollen Herzen führt ein Weg zur jubelnden Stimme: „und ich denke mir oft, ohne solche Braut kann man keine solche Musik machen“, erklärt Schumann. Diese Bemerkung bezieht sich ganz unmittelbar auf „einen großen Cyclus Heine’scher Lieder“, den er Clara voller Stolz ankündigt: Es ist der Liederkreis op. 24, Schumanns erste Liedveröffentlichung. Für diese Premiere griff er seinerseits auf einen Erstling zurück, Heines Buch der Lieder, die früheste umfangreiche Sammlung des Dichters. Ihre Erstausgabe von 1827 blieb ein Geheimtipp, Bestseller-Status erlangte das Werk erst mit Verspätung. Heines Verleger Campe schrieb missmutig an den Autor: „SIE behandeln Liebe und Sich selbst, und wieder Sich selbst, das sehen die Leute als stinkigen Egoismus an. Bedarf es noch mehr Gründe, um zu beweisen, warum Uhlands Gedichte populärer sind. Uhlands Gedichte kauft jeder um ein Geschenk an eine Dame, zum Geburtstag und sonstigen Zwecken zu machen. IHR Buch geht nach den Universitäten an junge Männer und dergleichen – die kein Geld haben.“ Zu diesen ersten begeisterten Lesern gehörte der junge Schumann.

Heine versammelte im Buch der Lieder verschiedene Zyklen, die zum Teil schon separat veröffentlicht worden waren. Für den Liederkreis op. 24 konzentrierte sich Schumann auf die Gruppe Junge Leiden – Gedichte, in denen es vor allem um Liebessehnsucht und Trennungsschmerz geht. Weit entfernt von „stinkigem Egoismus“ bieten Schumanns Vertonungen ein delikates Ausloten von Gefühlsextremen, die niemals in schwarzen Pessimismus versinken. Von rasender Ungeduld zu beißendem Spott und Todesmattheit recht das Spektrum, doch es glüht immer ein warmer Funke von Hoffnung und Zuversicht durch die empfindsamen Gesangslinien – und erst recht durch die träumerisch nachsinnenden Klaviernachspiele, in denen sich die Intimität des Liedes noch weiter in sich zurückzieht.

Exemplarisch ist diese Mischung aus „Wehmut und Liebeshauch“ im Lied Schöne Wiege meiner Leiden zu beobachten. Über die wiegende Grundbewegung legt sich eine trotz des Abschiedsschmerzes geschmeidig fließende Melodie im schwingenden Dur: Elegie eher als Untröstlichkeit – es ist eben auch ein „schönes Grabmal“, das zurückgelassen wird. Dann plötzlich der Umschwung zur erregten, abgerissenen Deklamation, mit hämmernden Klavierakkorden in Moll. Endlich schlägt das Pendel wieder zurück zur schwingend-elegischen Bewegung, um desto heftiger in den Abgrund von Wahnsinn und Krankheit zu stürzen. Synkopisch versetzt jagen die Skalen in beiden Händen des Klaviers hinterher; entkräftet beugt sich das „müde Haupt“ mit Halbtonschritten zur Erde. Doch der sanfte Strom der „schönen“ Linie bringt wieder den Melancholiker an die Oberfläche. Und das schwärmerische Nachspiel scheint sich mit seinen chromatischen Verästelungen gar nicht mehr für irdischen Schmerz zu interessieren, sondern findet eigene Wege.

Harte Kontraste wählt Schumann auch bei den letzten beiden Liedern: Anfangs wollt’ ich fast verzagen ist eine kurze Meditation über das Beinahe-Sterben mit herber Choralbegleitung und einem fragend wiederholten offenen Schluss. Diesem Fragezeichen in müder Verzweiflung antwortet eine typisch Schumann’sche Aufschwungbewegung in Triolen, der hinreißende Beginn des nächsten Lieds Mit Myrthen und Rosen. Auch hier ist die Rede von Grab und Sarg, aber „der Liebe Geist“ wird noch emphatischer besungen, und die Anspannung löst sich in wahrer Verklärung.

An der raschen Drucklegung seiner Sammlung, an der er mit „Lust und Liebe“ gearbeitet habe, war Schumann sehr gelegen. „Da man mich nur als Claviercomponisten kennt, so denke ich, daß sie hier und da Interesse erregen wird“, schrieb er an Breitkopf & Härtel. Die im Mai 1840 erschienene Ausgabe widmete er auf Clara Wiecks Rat der mit ihr befreundeten Sängerin Pauline Viardot. Ob die prominente Kollegin den Zyklus jemals im Konzertsaal gesungen hat, konnte bislang nicht ermittelt werden.


„Einen Kranz von Musik um ein Dichterhaupt schlingen...“


Sehr wohl interpretierte die europaweit gefeierte Viardot aber andere Lieder Schumanns, darunter auch eine Auswahl aus der unmittelbar darauf entstandenen Dichterliebe op. 48. (Dass komplette Zyklen auf dem Programm standen, war zu dieser Zeit noch völlig unüblich. Die erste vollständige Aufführung von Opus 48 präsentierte erst 1861 der Bariton Julius Stockhausen mit Johannes Brahms am Klavier – 17 Jahre nach der Drucklegung.) Die neue Sammlung war einer anderen legendären Sängerin gewidmet: Wilhelmine Schröder-Devrient, die vor allem für ihre dramatische Darstellung gerühmt wurde.

Neben Schuberts Winterreise und Die schöne Müllerin zählt Dichterliebe heute zu den bedeutendsten Liedzyklen der Romantik. Schumann stürzte sich förmlich in diese nächste Vertonung von Heine-Gedichten. kaum dass der Liederkreis op. 24 erschienen war. Innerhalb von wenigen Tage im Mai und Juni 1840 entstand die neue Arbeit. Die gewonnene Erfahrung schien den Komponisten aber noch selbstkritischer gemacht zu haben: Mehr als drei Jahre feilte Schumann an der Dichterliebe, für die er sich erneut dem Buch der Lieder zuwandte. Diesmal beschränkte er sich auf die Sammlung Lyrisches Intermezzo, und wie schon für op. 24 nahm er einige Umstellungen und Änderungen vor. Wieder geht es um verschmähte Liebe, um bittere Rückblicke und Trostsuche. Mit sicherer Hand wählte Schumann Texte aus, die sich zwischen Sarkasmus und Empfindung bewegen. Vier der Vertonungen schied er für die Erstveröffentlichung 1844 wieder aus, zwei davon wurden noch zu Lebzeiten Schumanns in anderen Sammlungen gedruckt. Im heutigen Konzert sind alle 20 Lieder zu hören – darunter das erst postum erschienene Mein Wagen rollet langsam, das die Ambivalenz von Liebesgedanken und Todesvorahnung in einer vom Wort losgelösten Szenerie im Klavier rätselhaft fortführt.

„Weshalb nach mittelmäßigen Gedichten greifen, was sich dann immer an der Musik rächen muß?“, fragte Schumanns. „Einen Kranz von Musik um ein wahres Dichterhaupt schlingen – nichts Schöneres. Aber ihn an ein Alltagsgesicht verschwenden: Wozu die Mühe?“ Gewiss war Heines Kunst nicht „alltäglich“. Ob Schumann, wie oft behauptet, die Ironie des Dichters bewusst überhört hat, sei dahingestellt. Der Dirigent und Musikwissenschaftler Peter Gülke weist darauf hin, dass der Komponist die „unterschiedliche Ironiefähigkeit von Sprache und Musik“ sehr wohl reflektiert habe. Schumanns Vertonung kehre „Unterschiede und Brüche innerhalb der Sprachebenen hervor, wie es die Dichtung allein nicht vermöchte.“

Tatsächlich scheint der kompositorische Blick für die Doppelbödigkeit der Vorlage gegenüber dem vorangegangenen Liederzyklus geschärft. Die Aufzählung von Rose, Lilie und Taube etwa, die gegen „die Kleine, die Feine, die Reine, die Eine“ verblassen, fasst die Musik in einen hastigen, vor sich selbst davonlaufenden Galopp. Im dämonischen Reigen zwingt die ekstatisch sich drehende Klavierfigur die „Flöten und Geigen“ zum qualvollen Tanz zusammen. Ich grolle nicht wird in so zentnerschweres Grollen von dröhnenden Klavierakkorden versenkt, dass der musikalische Grimm der textlichen Behauptung Hohn spricht. In seiner melodischen Banalität entspricht Ein Jüngling liebt ein Mädchen genau Heines ironischem Moritatenstil – umso erschütternder wirkt der kurze dramatische Ausbruch, in dem „das Herz entzwei“ bricht. Die starre Wucht von Im Rhein, im heiligen Strome löst sich auf in eine skeptische Betrachtung der Madonna im Kölner Dom, die der „Liebsten genau“ gleiche. Jene strenge Archaik hat sich zu einer schwebenden Gesangslinie verflüchtigt, die aber seltsam in der Luft zu hängen scheint und schließlich ins Stammeln und Stocken gerät. Das Bild der Geliebten bleibt eine ungreifbare Vision.

Überhaupt das träumerische Schwanken, das schlafwandlerische Tasten: Es macht einen Großteil der gedämpften Stimmung des Zyklus aus. Schon der Eintritt in den „wunderschönen Monat Mai“ vollzieht sich zu dissonanten Einfärbungen, nachdenklichen Arpeggien und harmonischen Verunklarungen, die keinen festen Boden unter den Füßen bieten. Ich will meine Seele tauchen haucht sich in flüchtiger Zärtlichkeit aus, das Klavier übernimmt schließlich die Rolle des Singenden in harmonisch unsteten Pendelbewegungen. Die „alten Märchen“, aus denen das „Zauberland“ hervorwinkt, tauchen wie im hitzigen Fieberwahn auf. Doch das rotglühende Traumbild „zerfließt“ im plötzlichen Abbruch der intensiven Steigerung. Mit dem letzten Lied nimmt Schumann den bitteren Tonfall Heines für die „alten, bösen Lieder“ wieder auf. Doch der ironisch gebrochene Bänkelsängerton wendet sich unvermittelt in duftigste Poesie: Wo der Komponist seine „Liebe“ und auch seinen „Schmerz“ hineinlegt, kann er nicht anders, als zum Zwielicht des Traumes zurückzukehren. In frei schweifender Bewegung lauscht das Klavier den unendlich gedehnten, feinen seelischen Regungen nach, die sich von den emotionalen Erschütterungen der Liebesenttäuschung in einer lyrischen Landschaft erholen.


Dr. Kerstin Schüssler-Bach arbeitete als Opern- und Konzertdramaturgin in Köln, Essen und Hamburg und hatte Lehraufträge an der Musikhochschule Hamburg und der Universität Köln inne. Beim Musikverlag Boosey & Hawkes in Berlin ist sie als Head of Composer Management tätig. Sie schreibt regelmäßig für die Berliner Philharmoniker, die Elbphilharmonie Hamburg, das Lucerne Festival und das Gewandhausorchester Leipzig. 2022 erschien ihre Monographie über die Dirigentin Simone Young.

„Weshalb nach mittelmäßigen Gedichten greifen?“
Robert Schumann und Heinrich Heine

Kerstin Schüssler-Bach


Literatur wurde Robert Schumann quasi in die Wiege gelegt: Als Sohn eines Buchhändlers, Verlegers und Schriftstellers, das jugendliche Interesse genährt von der gut sortierten elterlichen Bibliothek, war er vertraut mit den philosophischen Schriften seiner Zeit ebenso wie mit der politisch-sozial engagierten Literatur des „Jungen Deutschland“ um 1830. Und hier fiel der Name Heinrich Heine besonders oft – ketzerische Nachtigall und hellsichtiger Essayist, viel geschmäht und viel gelesen.

Den verehrten Dichter traf Schumann ein einziges Mal persönlich: Als 17-Jähriger reiste er im Frühjahr 1828 kurz vor Studienbeginn nach München, wo er Heine kennenlernte. Er hatte sich ihn als einen „mürrischen, menschenfeindlichen Mann“ vorgestellt und war angenehm überrascht, ihn „freundlich, wie ein menschlich griechischer Anakreon“ zu erleben. In „geistreicher Unterhaltung“ führte Heine den jungen Mann in die Gemäldesammlung der Galerie Leuchtenberg. Schumann bemerkte jedoch auch, was ihn von dessen Wesen trennte: Heines „bittres ironisches Lächeln“, sein „brennender Sarkasmus“, die „große Verzeiflung“, ja der „tiefe, innere Groll über das Leben“ waren Schumanns Empathie und seiner nach poetischer Selbstvergessenheit strebenden Kunstauffassung fremd.

Dennoch blieb Heine ein lebenslanger Begleiter des Komponisten – ihre Lebenswege endeten sogar im gleichen Jahr, im Abstand von nur fünf Monaten. Schon eine Notiz des 23-jährigen Schumann verrät den Plan, „musikalische Gedichte, mit unterlegten Liedern von H. Heine“ zu schreiben. Vermutlich ging es hierbei um von Heines Lyrik inspirierte Klavierstücke, die womöglich sogar im Wechsel mit dem Text vorgetragen werden sollten (nicht unähnlich dem Programm des heutigen Konzerts, in dem sich Heines Zeilen und Schumanns Töne ineinander verschränken).


„…eine Seligkeit, für Gesang zu schreiben“


Nachdem Schumanns frühe Lieder aus dem Jahr 1827/28 unveröffentlicht blieben, fand er erst im Februar 1840 zu dieser Kunstform zurück: „Ach Clara, was das für eine Seligkeit ist, für Gesang zu schreiben; die hatte ich lange entbehrt.“ Die endlich erkämpfte Aussicht, Clara Wieck heiraten zu können, löst die berühmte Flut des „Liederjahres“ aus – der Komponist „tritt aus der Einsamkeit des Klaviers in die Zweisamkeit des Lieds“ (Oscar Bie). Vom übervollen Herzen führt ein Weg zur jubelnden Stimme: „und ich denke mir oft, ohne solche Braut kann man keine solche Musik machen“, erklärt Schumann. Diese Bemerkung bezieht sich ganz unmittelbar auf „einen großen Cyclus Heine’scher Lieder“, den er Clara voller Stolz ankündigt: Es ist der Liederkreis op. 24, Schumanns erste Liedveröffentlichung. Für diese Premiere griff er seinerseits auf einen Erstling zurück, Heines Buch der Lieder, die früheste umfangreiche Sammlung des Dichters. Ihre Erstausgabe von 1827 blieb ein Geheimtipp, Bestseller-Status erlangte das Werk erst mit Verspätung. Heines Verleger Campe schrieb missmutig an den Autor: „SIE behandeln Liebe und Sich selbst, und wieder Sich selbst, das sehen die Leute als stinkigen Egoismus an. Bedarf es noch mehr Gründe, um zu beweisen, warum Uhlands Gedichte populärer sind. Uhlands Gedichte kauft jeder um ein Geschenk an eine Dame, zum Geburtstag und sonstigen Zwecken zu machen. IHR Buch geht nach den Universitäten an junge Männer und dergleichen – die kein Geld haben.“ Zu diesen ersten begeisterten Lesern gehörte der junge Schumann.

Heine versammelte im Buch der Lieder verschiedene Zyklen, die zum Teil schon separat veröffentlicht worden waren. Für den Liederkreis op. 24 konzentrierte sich Schumann auf die Gruppe Junge Leiden – Gedichte, in denen es vor allem um Liebessehnsucht und Trennungsschmerz geht. Weit entfernt von „stinkigem Egoismus“ bieten Schumanns Vertonungen ein delikates Ausloten von Gefühlsextremen, die niemals in schwarzen Pessimismus versinken. Von rasender Ungeduld zu beißendem Spott und Todesmattheit recht das Spektrum, doch es glüht immer ein warmer Funke von Hoffnung und Zuversicht durch die empfindsamen Gesangslinien – und erst recht durch die träumerisch nachsinnenden Klaviernachspiele, in denen sich die Intimität des Liedes noch weiter in sich zurückzieht.

Exemplarisch ist diese Mischung aus „Wehmut und Liebeshauch“ im Lied Schöne Wiege meiner Leiden zu beobachten. Über die wiegende Grundbewegung legt sich eine trotz des Abschiedsschmerzes geschmeidig fließende Melodie im schwingenden Dur: Elegie eher als Untröstlichkeit – es ist eben auch ein „schönes Grabmal“, das zurückgelassen wird. Dann plötzlich der Umschwung zur erregten, abgerissenen Deklamation, mit hämmernden Klavierakkorden in Moll. Endlich schlägt das Pendel wieder zurück zur schwingend-elegischen Bewegung, um desto heftiger in den Abgrund von Wahnsinn und Krankheit zu stürzen. Synkopisch versetzt jagen die Skalen in beiden Händen des Klaviers hinterher; entkräftet beugt sich das „müde Haupt“ mit Halbtonschritten zur Erde. Doch der sanfte Strom der „schönen“ Linie bringt wieder den Melancholiker an die Oberfläche. Und das schwärmerische Nachspiel scheint sich mit seinen chromatischen Verästelungen gar nicht mehr für irdischen Schmerz zu interessieren, sondern findet eigene Wege.

Harte Kontraste wählt Schumann auch bei den letzten beiden Liedern: Anfangs wollt’ ich fast verzagen ist eine kurze Meditation über das Beinahe-Sterben mit herber Choralbegleitung und einem fragend wiederholten offenen Schluss. Diesem Fragezeichen in müder Verzweiflung antwortet eine typisch Schumann’sche Aufschwungbewegung in Triolen, der hinreißende Beginn des nächsten Lieds Mit Myrthen und Rosen. Auch hier ist die Rede von Grab und Sarg, aber „der Liebe Geist“ wird noch emphatischer besungen, und die Anspannung löst sich in wahrer Verklärung.

An der raschen Drucklegung seiner Sammlung, an der er mit „Lust und Liebe“ gearbeitet habe, war Schumann sehr gelegen. „Da man mich nur als Claviercomponisten kennt, so denke ich, daß sie hier und da Interesse erregen wird“, schrieb er an Breitkopf & Härtel. Die im Mai 1840 erschienene Ausgabe widmete er auf Clara Wiecks Rat der mit ihr befreundeten Sängerin Pauline Viardot. Ob die prominente Kollegin den Zyklus jemals im Konzertsaal gesungen hat, konnte bislang nicht ermittelt werden.


„Einen Kranz von Musik um ein Dichterhaupt schlingen...“


Sehr wohl interpretierte die europaweit gefeierte Viardot aber andere Lieder Schumanns, darunter auch eine Auswahl aus der unmittelbar darauf entstandenen Dichterliebe op. 48. (Dass komplette Zyklen auf dem Programm standen, war zu dieser Zeit noch völlig unüblich. Die erste vollständige Aufführung von Opus 48 präsentierte erst 1861 der Bariton Julius Stockhausen mit Johannes Brahms am Klavier – 17 Jahre nach der Drucklegung.) Die neue Sammlung war einer anderen legendären Sängerin gewidmet: Wilhelmine Schröder-Devrient, die vor allem für ihre dramatische Darstellung gerühmt wurde.

Neben Schuberts Winterreise und Die schöne Müllerin zählt Dichterliebe heute zu den bedeutendsten Liedzyklen der Romantik. Schumann stürzte sich förmlich in diese nächste Vertonung von Heine-Gedichten. kaum dass der Liederkreis op. 24 erschienen war. Innerhalb von wenigen Tage im Mai und Juni 1840 entstand die neue Arbeit. Die gewonnene Erfahrung schien den Komponisten aber noch selbstkritischer gemacht zu haben: Mehr als drei Jahre feilte Schumann an der Dichterliebe, für die er sich erneut dem Buch der Lieder zuwandte. Diesmal beschränkte er sich auf die Sammlung Lyrisches Intermezzo, und wie schon für op. 24 nahm er einige Umstellungen und Änderungen vor. Wieder geht es um verschmähte Liebe, um bittere Rückblicke und Trostsuche. Mit sicherer Hand wählte Schumann Texte aus, die sich zwischen Sarkasmus und Empfindung bewegen. Vier der Vertonungen schied er für die Erstveröffentlichung 1844 wieder aus, zwei davon wurden noch zu Lebzeiten Schumanns in anderen Sammlungen gedruckt. Im heutigen Konzert sind alle 20 Lieder zu hören – darunter das erst postum erschienene Mein Wagen rollet langsam, das die Ambivalenz von Liebesgedanken und Todesvorahnung in einer vom Wort losgelösten Szenerie im Klavier rätselhaft fortführt.

„Weshalb nach mittelmäßigen Gedichten greifen, was sich dann immer an der Musik rächen muß?“, fragte Schumanns. „Einen Kranz von Musik um ein wahres Dichterhaupt schlingen – nichts Schöneres. Aber ihn an ein Alltagsgesicht verschwenden: Wozu die Mühe?“ Gewiss war Heines Kunst nicht „alltäglich“. Ob Schumann, wie oft behauptet, die Ironie des Dichters bewusst überhört hat, sei dahingestellt. Der Dirigent und Musikwissenschaftler Peter Gülke weist darauf hin, dass der Komponist die „unterschiedliche Ironiefähigkeit von Sprache und Musik“ sehr wohl reflektiert habe. Schumanns Vertonung kehre „Unterschiede und Brüche innerhalb der Sprachebenen hervor, wie es die Dichtung allein nicht vermöchte.“

Tatsächlich scheint der kompositorische Blick für die Doppelbödigkeit der Vorlage gegenüber dem vorangegangenen Liederzyklus geschärft. Die Aufzählung von Rose, Lilie und Taube etwa, die gegen „die Kleine, die Feine, die Reine, die Eine“ verblassen, fasst die Musik in einen hastigen, vor sich selbst davonlaufenden Galopp. Im dämonischen Reigen zwingt die ekstatisch sich drehende Klavierfigur die „Flöten und Geigen“ zum qualvollen Tanz zusammen. Ich grolle nicht wird in so zentnerschweres Grollen von dröhnenden Klavierakkorden versenkt, dass der musikalische Grimm der textlichen Behauptung Hohn spricht. In seiner melodischen Banalität entspricht Ein Jüngling liebt ein Mädchen genau Heines ironischem Moritatenstil – umso erschütternder wirkt der kurze dramatische Ausbruch, in dem „das Herz entzwei“ bricht. Die starre Wucht von Im Rhein, im heiligen Strome löst sich auf in eine skeptische Betrachtung der Madonna im Kölner Dom, die der „Liebsten genau“ gleiche. Jene strenge Archaik hat sich zu einer schwebenden Gesangslinie verflüchtigt, die aber seltsam in der Luft zu hängen scheint und schließlich ins Stammeln und Stocken gerät. Das Bild der Geliebten bleibt eine ungreifbare Vision.

Überhaupt das träumerische Schwanken, das schlafwandlerische Tasten: Es macht einen Großteil der gedämpften Stimmung des Zyklus aus. Schon der Eintritt in den „wunderschönen Monat Mai“ vollzieht sich zu dissonanten Einfärbungen, nachdenklichen Arpeggien und harmonischen Verunklarungen, die keinen festen Boden unter den Füßen bieten. Ich will meine Seele tauchen haucht sich in flüchtiger Zärtlichkeit aus, das Klavier übernimmt schließlich die Rolle des Singenden in harmonisch unsteten Pendelbewegungen. Die „alten Märchen“, aus denen das „Zauberland“ hervorwinkt, tauchen wie im hitzigen Fieberwahn auf. Doch das rotglühende Traumbild „zerfließt“ im plötzlichen Abbruch der intensiven Steigerung. Mit dem letzten Lied nimmt Schumann den bitteren Tonfall Heines für die „alten, bösen Lieder“ wieder auf. Doch der ironisch gebrochene Bänkelsängerton wendet sich unvermittelt in duftigste Poesie: Wo der Komponist seine „Liebe“ und auch seinen „Schmerz“ hineinlegt, kann er nicht anders, als zum Zwielicht des Traumes zurückzukehren. In frei schweifender Bewegung lauscht das Klavier den unendlich gedehnten, feinen seelischen Regungen nach, die sich von den emotionalen Erschütterungen der Liebesenttäuschung in einer lyrischen Landschaft erholen.


Dr. Kerstin Schüssler-Bach arbeitete als Opern- und Konzertdramaturgin in Köln, Essen und Hamburg und hatte Lehraufträge an der Musikhochschule Hamburg und der Universität Köln inne. Beim Musikverlag Boosey & Hawkes in Berlin ist sie als Head of Composer Management tätig. Sie schreibt regelmäßig für die Berliner Philharmoniker, die Elbphilharmonie Hamburg, das Lucerne Festival und das Gewandhausorchester Leipzig. 2022 erschien ihre Monographie über die Dirigentin Simone Young.


Schumanns Autograph von Im wunderschönen Monat Mai (© Staatsbibliothek Berlin)

Songs of Youthful Sorrows

It may seem strange that a young man so totally in love as Robert Schumann was in 1840—and so desperate to marry Clara Wieck even in the face of a bitter legal battle with her father—would decide to set poetry as heartbroken and bleak as Heinrich Heine’s. Yet his Liederkreis Op. 24 and Dichterliebe Op. 48 are just two of many song opuses he completed that year.

Essay by Katy Hamilton

Songs of Youthful Sorrows
Robert Schumann’s Heine Cycles

Katy Hamilton


In the winter of 1826, Heinrich Heine—not yet 30 years old—strode into a Hamburg bookshop and asked for a copy of his own tragedies. He was dismissive of the volume as he described it, but found himself rebuffed by the man behind the counter, who defended it. This was Julius Campe, five years Heine’s senior and proprietor of Hoffmann & Campe publishing, whom Heine immediately recruited as his publisher. Campe was impressed with Heine’s prose works above all. But of course, it was not just plays and essays that he wrote so brilliantly: he was also a prolific poet. It took a year to persuade Campe that his Buch der Lieder was worth publishing, and Heine was offered only a desultory up-front fee. But this was the volume that would establish him as a leading German poet, spreading his name far and wide and running to 13 editions during his lifetime. Although he made next to nothing from this hugely successful volume, he did like to joke that at least one major monument to him stood in his home country: Julius Campe’s new mansion, constructed from the sales proceeds.

A little over 300 miles to the south-east of Hamburg, another book dealer named August Schumann breathed his last in Zwickau in 1826. August’s youngest child, a precocious boy called Robert, was already devouring the volumes on his father’s store shelves, giving public performances as a pianist, writing poems and plays—and composing. It is surely thanks to his family business that Robert Schumann first discovered Heine’s writing, which inspired the two song cycles—both dating from his so-called “Year of Song”—that comprise tonight’s program.

It may seem strange that a young man so totally in love as Schumann was in 1840—and so desperate to marry Clara Wieck even in the face of a bitter legal battle with her father—would decide to set poetry as heartbroken and bleak as Heine’s. Yet his Liederkreis Op. 24 and Dichterliebe Op. 48 are just two of many song opuses he completed that year. “Since yesterday morning I’ve written around 24 pages of music, about which I can’t tell you anything other than that I laughed and cried with joy,” he reported in late February. “Oh Clara, what bliss it is to write for voice.” The Liederkreis was completed the day after he sent this letter and published in May, with a dedication to Clara Wieck’s friend Pauline García (later Viardot).


From the Depth of the Soul


The cycle’s nine poems are drawn from a section of Buch der Lieder entitled “Junge Leiden”—youthful sorrows. Some, such as the set’s opening Morgens steh’ ich auf, are reflections on an ambiguous sense of distance (has the speaker’s missing sweetheart simply spurned him for the day, or has she abandoned him altogether?); and the frantic pacing of Es treibt mich hin and the tapping Lieb’ Liebchen evoke all the restless impatience of young love. But it is the voice of heartsore experience that we hear in the gentle tread of Ich wandelte unter den Bäumen, Schöne Wiege meiner Leiden and Berg’ und Burgen schaun herunter. The imagery of Warte, warte, wilder Schiffmann is upsettingly violent, Schumann’s striding piano writing seemingly concealing the violence of Heine’s words, yet saving the whole from the mawkish hyperbole of a gentler setting. The extraordinary funereal tread of Anfangs wollt’ ich fast verzagen is in the manner of a kind of prelude or partial statement, the speaker repeating “nicht, wie?” at the song’s close as if in bafflement at his own survival. This provides the springboard into the cycle’s closing number, Mit Myrthen und Rosen. The myrtles and roses with which Robert would later celebrate his own bride (in Myrthen Op. 25) are here made to serve as a burial wreath, as the singer imagines the moment at which “this book”—these very poems—will be rediscovered by the woman who has wronged him. And even if it is clearly not the composer’s intention to use Heine’s words as a parallel to his own situation, the poet’s comparison of his songs, in happier times, as “the songs which once cascaded, / Like a stream of lava pouring from Etna, / So wildly from the depths of my soul” surely captures something of Schumann’s passionate outpouring of lieder in 1840.


Images of Love Lost


The Liederkreis was finished in February 1840, and Schumann put the final touches to Dichterliebe on June 1. Yet the story of this second opus—surely one of the composer’s most famous—is not entirely straightforward. When Schumann began the hunt for a publisher, he described a cycle of 20 songs. The work as we usually hear it, and as it was eventually published in 1843 after numerous rejections, contains just 16, but it is not clear when he removed four numbers from the sequence. Tonight’s program includes the full run of 20, as the composer originally planned the cycle, all taken from the Lyrisches Intermezzo section of the Buch der Lieder.

The piano introduction to the first song is a masterclass in melancholy tenderness, the singer entering halfway through a phrase as if we have happened upon a storytelling already in progress. It is clear at once that the love he recalls is now over, both from his use of the past tense and the heart-twistingly delicate dissonances that litter Schumann’s score. We are then pushed into the present: the poet’s suffering transformed into gifts for his beloved, the natural world spurned for the one who is now dearer to him than anything in the world, and the exquisite pleasure and pain of love reciprocated. Or does the speaker realize that such bliss cannot last? Next come two of the songs that Schumann subsequently excised. Dein Angesicht appears at first a touching lullaby of sorts as the protagonist gazes as his lover—but by the second verse it is clear that this woman is on the brink of death, and creeping chromaticism invades the accompaniment. Lehn’ deine Wang’, by contrast, draws us from Thanatos to Eros: a song of inflamed desire.

Then we return to the familiar sequence. Heine’s imagery of a soul bathed in a lily calyx is juxtaposed with the waters of the Rhine over the course of the next two songs, with the poet’s scandalous comparison between his lover and the face the Virgin Mary (the pianist carves out the mighty pillars of Cologne cathedral with his bare hands under Schumann’s instruction). And then suddenly, all is lost: Ich grolle nicht, the singer tells us, as the relationship collapses, and all that remains is a trembling attempt to control fury by taking the moral high ground. What follows is an alternation of desperate sadness as the protagonist walks, broken, among woods and flowers, and the vicious, angular edges of Das ist ein Flöten und Geigen (the sound of her wedding feast) and Ein Jüngling liebt ein Mädchen (the marriage is dismissed in no uncertain terms as both meaningless and cruelly inevitable).


What Is Left


After the radiant Am leuchtenden Sommermorgen, which will continue to haunt the protagonist right to the end of the cycle, we come to the second pair of songs that were later removed. Es leuchtet meine Liebe is a remarkable vignette of a brave knight, fair lady, and evil giant, in which the poet takes the role of tragic hero. However, it is the pianist who must really face up to a test of his mettle here: Schumann throws fistfuls of notes across the keyboard. Much of this music was reused in the Second String Quartet Op. 41 No. 2 of 1842. The original song, along with Dein Angesicht, was published in a mixed set of Lieder Op. 127 in 1854. After all this derring-do, Mein Wagen rollet langsam seems almost disconcertingly easy-going—and yet the shadowy forms beyond the carriage hint at the mockery and duplicity of the singer’s lover. The lengthy postlude provides a moment of reflection, as if we watch the protagonist mulling over the precise meaning of the lurking specters. This song, along with Lehn’ deine Wang’, was published by Clara Schumann in a posthumous opus, issued in 1858.

Heine’s heartbroken poet is driven at last into nighttime and fairy tales. The dreaming worlds of Ich hab’ im Traum geweinet and Allnächtlich im Traume are by turns sinister and tender; but Schumann’s decision to dress these two texts in such contrasting musical garb also draws attention to the ways that similar sentiments can be differently depicted (and disguised). Aus alten Märchen takes us to the edge of reality, a bright and shining dream world. But like the nightmares of earlier numbers, it melts away with the morning light. What is left? “The bad old songs,” Heine tells us, as heavy and ineluctable as Cologne cathedral, yet shaded now with sadness and lost love. Only in the final lines of the poem do singer and pianist let go of their mighty musical armor and travel back into the almost unbearably poignant world of Am leuchtenden Sommermorgen.


Katy Hamilton is a writer and presenter on music, specializing in 19th-century German repertoire. She has published on the music of Brahms and on 20th-century British concert life and appears as a speaker at concerts and festivals across the UK and on BBC Radio 3.

Songs of Youthful Sorrows
Robert Schumann’s Heine Cycles

Katy Hamilton


In the winter of 1826, Heinrich Heine—not yet 30 years old—strode into a Hamburg bookshop and asked for a copy of his own tragedies. He was dismissive of the volume as he described it, but found himself rebuffed by the man behind the counter, who defended it. This was Julius Campe, five years Heine’s senior and proprietor of Hoffmann & Campe publishing, whom Heine immediately recruited as his publisher. Campe was impressed with Heine’s prose works above all. But of course, it was not just plays and essays that he wrote so brilliantly: he was also a prolific poet. It took a year to persuade Campe that his Buch der Lieder was worth publishing, and Heine was offered only a desultory up-front fee. But this was the volume that would establish him as a leading German poet, spreading his name far and wide and running to 13 editions during his lifetime. Although he made next to nothing from this hugely successful volume, he did like to joke that at least one major monument to him stood in his home country: Julius Campe’s new mansion, constructed from the sales proceeds.

A little over 300 miles to the south-east of Hamburg, another book dealer named August Schumann breathed his last in Zwickau in 1826. August’s youngest child, a precocious boy called Robert, was already devouring the volumes on his father’s store shelves, giving public performances as a pianist, writing poems and plays—and composing. It is surely thanks to his family business that Robert Schumann first discovered Heine’s writing, which inspired the two song cycles—both dating from his so-called “Year of Song”—that comprise tonight’s program.

It may seem strange that a young man so totally in love as Schumann was in 1840—and so desperate to marry Clara Wieck even in the face of a bitter legal battle with her father—would decide to set poetry as heartbroken and bleak as Heine’s. Yet his Liederkreis Op. 24 and Dichterliebe Op. 48 are just two of many song opuses he completed that year. “Since yesterday morning I’ve written around 24 pages of music, about which I can’t tell you anything other than that I laughed and cried with joy,” he reported in late February. “Oh Clara, what bliss it is to write for voice.” The Liederkreis was completed the day after he sent this letter and published in May, with a dedication to Clara Wieck’s friend Pauline García (later Viardot).


From the Depth of the Soul


The cycle’s nine poems are drawn from a section of Buch der Lieder entitled “Junge Leiden”—youthful sorrows. Some, such as the set’s opening Morgens steh’ ich auf, are reflections on an ambiguous sense of distance (has the speaker’s missing sweetheart simply spurned him for the day, or has she abandoned him altogether?); and the frantic pacing of Es treibt mich hin and the tapping Lieb’ Liebchen evoke all the restless impatience of young love. But it is the voice of heartsore experience that we hear in the gentle tread of Ich wandelte unter den Bäumen, Schöne Wiege meiner Leiden and Berg’ und Burgen schaun herunter. The imagery of Warte, warte, wilder Schiffmann is upsettingly violent, Schumann’s striding piano writing seemingly concealing the violence of Heine’s words, yet saving the whole from the mawkish hyperbole of a gentler setting. The extraordinary funereal tread of Anfangs wollt’ ich fast verzagen is in the manner of a kind of prelude or partial statement, the speaker repeating “nicht, wie?” at the song’s close as if in bafflement at his own survival. This provides the springboard into the cycle’s closing number, Mit Myrthen und Rosen. The myrtles and roses with which Robert would later celebrate his own bride (in Myrthen Op. 25) are here made to serve as a burial wreath, as the singer imagines the moment at which “this book”—these very poems—will be rediscovered by the woman who has wronged him. And even if it is clearly not the composer’s intention to use Heine’s words as a parallel to his own situation, the poet’s comparison of his songs, in happier times, as “the songs which once cascaded, / Like a stream of lava pouring from Etna, / So wildly from the depths of my soul” surely captures something of Schumann’s passionate outpouring of lieder in 1840.


Images of Love Lost


The Liederkreis was finished in February 1840, and Schumann put the final touches to Dichterliebe on June 1. Yet the story of this second opus—surely one of the composer’s most famous—is not entirely straightforward. When Schumann began the hunt for a publisher, he described a cycle of 20 songs. The work as we usually hear it, and as it was eventually published in 1843 after numerous rejections, contains just 16, but it is not clear when he removed four numbers from the sequence. Tonight’s program includes the full run of 20, as the composer originally planned the cycle, all taken from the Lyrisches Intermezzo section of the Buch der Lieder.

The piano introduction to the first song is a masterclass in melancholy tenderness, the singer entering halfway through a phrase as if we have happened upon a storytelling already in progress. It is clear at once that the love he recalls is now over, both from his use of the past tense and the heart-twistingly delicate dissonances that litter Schumann’s score. We are then pushed into the present: the poet’s suffering transformed into gifts for his beloved, the natural world spurned for the one who is now dearer to him than anything in the world, and the exquisite pleasure and pain of love reciprocated. Or does the speaker realize that such bliss cannot last? Next come two of the songs that Schumann subsequently excised. Dein Angesicht appears at first a touching lullaby of sorts as the protagonist gazes as his lover—but by the second verse it is clear that this woman is on the brink of death, and creeping chromaticism invades the accompaniment. Lehn’ deine Wang’, by contrast, draws us from Thanatos to Eros: a song of inflamed desire.

Then we return to the familiar sequence. Heine’s imagery of a soul bathed in a lily calyx is juxtaposed with the waters of the Rhine over the course of the next two songs, with the poet’s scandalous comparison between his lover and the face the Virgin Mary (the pianist carves out the mighty pillars of Cologne cathedral with his bare hands under Schumann’s instruction). And then suddenly, all is lost: Ich grolle nicht, the singer tells us, as the relationship collapses, and all that remains is a trembling attempt to control fury by taking the moral high ground. What follows is an alternation of desperate sadness as the protagonist walks, broken, among woods and flowers, and the vicious, angular edges of Das ist ein Flöten und Geigen (the sound of her wedding feast) and Ein Jüngling liebt ein Mädchen (the marriage is dismissed in no uncertain terms as both meaningless and cruelly inevitable).


What Is Left


After the radiant Am leuchtenden Sommermorgen, which will continue to haunt the protagonist right to the end of the cycle, we come to the second pair of songs that were later removed. Es leuchtet meine Liebe is a remarkable vignette of a brave knight, fair lady, and evil giant, in which the poet takes the role of tragic hero. However, it is the pianist who must really face up to a test of his mettle here: Schumann throws fistfuls of notes across the keyboard. Much of this music was reused in the Second String Quartet Op. 41 No. 2 of 1842. The original song, along with Dein Angesicht, was published in a mixed set of Lieder Op. 127 in 1854. After all this derring-do, Mein Wagen rollet langsam seems almost disconcertingly easy-going—and yet the shadowy forms beyond the carriage hint at the mockery and duplicity of the singer’s lover. The lengthy postlude provides a moment of reflection, as if we watch the protagonist mulling over the precise meaning of the lurking specters. This song, along with Lehn’ deine Wang’, was published by Clara Schumann in a posthumous opus, issued in 1858.

Heine’s heartbroken poet is driven at last into nighttime and fairy tales. The dreaming worlds of Ich hab’ im Traum geweinet and Allnächtlich im Traume are by turns sinister and tender; but Schumann’s decision to dress these two texts in such contrasting musical garb also draws attention to the ways that similar sentiments can be differently depicted (and disguised). Aus alten Märchen takes us to the edge of reality, a bright and shining dream world. But like the nightmares of earlier numbers, it melts away with the morning light. What is left? “The bad old songs,” Heine tells us, as heavy and ineluctable as Cologne cathedral, yet shaded now with sadness and lost love. Only in the final lines of the poem do singer and pianist let go of their mighty musical armor and travel back into the almost unbearably poignant world of Am leuchtenden Sommermorgen.


Katy Hamilton is a writer and presenter on music, specializing in 19th-century German repertoire. She has published on the music of Brahms and on 20th-century British concert life and appears as a speaker at concerts and festivals across the UK and on BBC Radio 3.

Die Künstler:innen

Andrè Schuen
Bariton

Der Bariton Andrè Schuen stammt aus La Val in Südtirol und studierte bei Horiana Branisteanu und Wolfgang Holzmair am Mozarteum Salzburg. 2010 war er Teilnehmer des Young Singers Project der Salzburger Festspiele, wo er an Produktionen unter der Leitung von Sir Simon Rattle und Riccardo Muti mitwirkte und seitdem regelmäßig auftritt; anschließend war er bis 2014 Ensemblemitglied der Oper Graz. Im selben Jahr sang er in Nikolaus Harnoncourts konzertanter Mozart-da Ponte-Trilogie am Theater an der Wien die Rollen des Figaro, Don Giovanni und Guglielmo. Darüber hinaus gastiert er regelmäßig an den Staatsopern in Wien und München, am Royal Opera House Covent Garden, am Teatro Real Madrid und bei den Festivals in Lucerne und Aix-en-Provence. Im Konzert trat er u.a. mit den Berliner Philharmonikern und Sir Simon Rattle, dem WDR Sinfonieorchester und Jukka-Pekka Saraste sowie dem Gewandhausorchester Leipzig unter Andris Nelsons auf. Diesen Monat gab er in Brahms’ Deutschem Requiem sein Debüt in der Carnegie Hall. Gemeinsam mit seinem Klavierpartner Daniel Heide war Andrè Schuen in der Wigmore Hall in London, der Philharmonie de Paris, dem Concertgebouw Amsterdam, im Konzerthaus und Musikverein Wien sowie bei der Schubertiade Schwarzenberg-Hohenems, beim Heidelberger Frühling und beim Tanglewood Festival zu Gast. Ihre gemeinsame Einspielung von Schuberts Schwanengesang wurde 2022 mit dem Opus Klassik ausgezeichnet; vor wenigen Tagen erschien ihre Aufnahme der Winterreise.

Mai 2024


Julius Drake
Klavier

Julius Drake ist als Pianist und Klavierbegleiter in allen großen Musikzentren weltweit zu Gast, darunter die Festivals in Aldeburgh, Edinburgh, Salzburg, München, Schwarzenberg und Oxford, die Carnegie Hall und das Lincoln Center in New York, die Berliner Philharmonie, das Concertgebouw Amsterdam, das Teatro alla Scala in Mailand, der Wiener Musikverein und die Wigmore Hall in London. Zu seinen künstlerischen Partnern zählen Sänger:innen wie Sir Thomas Allen, Ian Bostridge, Iestyn Davies, Joyce DiDonato, Gerald Finley, Simon Keenlyside, Angelika Kirchschlager, Julia Kleiter, Dame Felicity Lott, Christoph Prégardien und viele andere. Für die Wigmore Hall, das Concertgebouw und die BBC kuratierte er eigene Reihen mit Liederabenden, und in der Londoner Middle Temple Hall gibt er jährlich eine Serie von Recitals unter dem Titel „Julius Drake and Friends“. Für seine zahlreichen Aufnahmen erhielt er u.a. den Gramophone Award und den Deutschen Schallplattenpreis. Von 2000 bis 2003 war er Leiter des Perth International Chamber Music Festival, 2009 leitete er das Leeds Lieder Festival. Im gleichen Jahr übernahm er die künstlerische Leitung des Machynlleth Festival in Wales. Julius Drake ist Professor an der Kunstuniversität Graz und der Londoner Guildhall School of Music and Drama. Für den Pierre Boulez Saal kuratiert er seit 2021 die Reihe „Lied und Lyrik“, die Texte ausgewählter Dichter mit Vertonungen aus unterschiedlichen Epochen kombinieren.

Mai 2024


Martina Gedeck
Rezitation

Die Schauspielerin Martina Gedeck stammt aus München und erhielt ihre Ausbildung an der Universität der Künste Berlin. Auf ihr Bühnendebüt am Frankfurter Theater am Turm folgten Engagements in Hamburg, Basel und Berlin. Am Deutschen Theater Berlin spielte sie zuletzt die Titelrolle in Lessings Minna von Barnhelm, an der Staatsoper Unter den Linden war sie jüngst in Beat Furrers Violetter Schnee zu erleben. In mehr als 80 Film- und Fernsehproduktionen arbeitete sie u.a. mit Regisseuren wie Florian Henckel von Donnersmarck, Rainer Kaufmann und Markus Imboden zusammen. Sie ist Trägerin des Grimme-Preises und wurde mit einem Stern auf dem Berliner Boulevard der Stars geehrt. Nationale und internationale Aufmerksamkeit erregte sie insbesondere mit ihren Rollen in den Filmen Bella Martha, dem mit einem Oscar ausgezeichneten Das Leben der Anderen und dem Oscar-nominierten Der Baader Meinhof Komplex. Einen besonderen Platz in ihrem künstlerischen Schaffen nimmt die Zusammenarbeit mit Musiker:innen ein. Zu ihren aktuellen Projekten zählen literarisch-musikalische Programme mit dem Harfenisten Xavier de Maistre, dem Schumann Quartett und dem Bariton Georg Nigl. Im Pierre Boulez Saal war sie anlässlich des Mendelssohn Festivals im Dezember 2021 sowie zuletzt 2022 an der Seite von Geiger Renaud Capuçon in Benjamin Attahirs La Femme fendue zu erleben.

Mai 2024

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