Elena Bashkirova Klavier und künstlerische Leitung
Clara-Jumi Kang Violine
Madeleine Carruzzo Violine
Michael Barenboim Viola
Xenia Jankovic Violoncello
Sunwook Kim Klavier

Programm

Felix Mendelssohn Bartholdy
Die Hebriden
Bearbeitung für Klavier vierhändig

Gideon Klein
Streichtrio

Felix Mendelssohn Bartholdy
Klaviertrio Nr. 2 c-moll op. 66

Fanny Hensel
Auszüge aus Das Jahr
Streichquartett Es-Dur

 

Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847)
Die Hebriden
Konzertouvertüre h-moll op. 26 (1829–30/1832)
Bearbeitung für Klavier vierhändig

Allegro moderato – Animato


Gideon Klein (1919–1945)
Streichtrio (1944)

I. Allegro
II. Lento
III. Molto vivace


Felix Mendelssohn Bartholdy
Klaviertrio Nr. 2 c-moll op. 66 (1845)

I. Allegro energico e con fuoco
II. Andante espressivo
III. Scherzo. Molto allegro quasi presto
IV. Finale. Allegro appassionato


Pause


Fanny Hensel (1805–1847)
aus Das Jahr
Zwölf Charakterstücke für Klavier (1841)

IV. April. Capriccioso
V. Mai. Frühlingslied
VI. Juni. Serenade. Allegro
VII. Juli. Larghetto


Streichquartett Es-Dur (1834)

I. Adagio ma non troppo
II. Allegretto
III. Romanze
IV. Allegro molto vivace

Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847)
Die Hebriden
Konzertouvertüre h-moll op. 26 (1829–30/1832)
Bearbeitung für Klavier vierhändig

Allegro moderato – Animato


Gideon Klein (1919–1945)
Streichtrio (1944)

I. Allegro
II. Lento
III. Molto vivace


Felix Mendelssohn Bartholdy
Klaviertrio Nr. 2 c-moll op. 66 (1845)

I. Allegro energico e con fuoco
II. Andante espressivo
III. Scherzo. Molto allegro quasi presto
IV. Finale. Allegro appassionato


Pause


Fanny Hensel (1805–1847)
aus Das Jahr
Zwölf Charakterstücke für Klavier (1841)

IV. April. Capriccioso
V. Mai. Frühlingslied
VI. Juni. Serenade. Allegro
VII. Juli. Larghetto


Streichquartett Es-Dur (1834)

I. Adagio ma non troppo
II. Allegretto
III. Romanze
IV. Allegro molto vivace

Felix Mendelssohn, Entwurf zu einem verschollenen Portrait von Karl Begas (1821)

„In der Musik liegt der Wille zum Leben“

Nur wenige hundert Meter von jenem Stadtpalais entfernt, das Abraham Mendelssohn 1825 in der Leipziger Straße erwarb, findet im Pierre Boulez Saal zum zweiten Mal das Mendelssohn-Festival statt. Erneut feiert Elena Bashkirova zusammen mit einer Reihe prominenter Musiker:innen das Werk eines Komponisten, der auf beispiellose Weise gegenwärtiges Künstlertum mit der Achtung der Tradition, jüdische Kultur mit den Idealen eines aufgeklärten Bürgertums, humanistische Bildung mit einer progressiven Weltoffenheit zu verbinden verstand. Musik Felix Mendelssohn Bartholdys und seiner Schwester Fanny tritt in einen Dialog mit Liedern Gustav Mahlers und Werken, die Hans Krása, Viktor Ullmann und Gideon Klein im Angesicht der Vernichtung durch die Nationalsozialisten schufen.

Essay von Anne do Paço

„In der Musik liegt der Wille zum Leben“
Zum Programm des Mendelssohn-Festivals


Anne do Paço


Nur wenige hundert Meter von jenem Stadtpalais entfernt, das Abraham Mendelssohn 1825 in der Leipziger Straße erwarb und nicht nur zum Haus für seine Familie, sondern zu einem Treffpunkt für Kunst und intellektuellen Austausch machte, findet im Pierre Boulez Saal zum zweiten Mal das Mendelssohn-Festival statt. Erneut feiert Elena Bashkirova, Präsidentin der Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Stiftung in Leipzig, zusammen mit einer Reihe prominenter Musiker:innen das Werk eines Komponisten, der auf beispiellose Weise gegenwärtiges Künstlertum mit der Achtung der Tradition, jüdische Kultur mit den Idealen eines aufgeklärten Bürgertums, humanistische Bildung mit einer progressiven Weltoffenheit zu verbinden verstand. Musik Felix Mendelssohn Bartholdys tritt in einen Dialog mit Kompositionen seiner Schwester Fanny, aber auch Liedern Gustav Mahlers und Werken, die Hans Krása, Viktor Ullmann und Gideon Klein im Angesicht der Verfolgung und Vernichtung durch die Nationalsozialisten in den 1940er Jahren schufen.


Poesie und Formwille

Bereits im Kindesalter hatte Mendelssohn andere Städte und Länder kennengelernt. 1829 besuchte er erstmals London und – nach einer Serie erfolgreicher Konzerte – Schottland. Besonderen Eindruck machte auf ihn die vom Meer umtoste Fingalshöhle auf der Hebriden-Insel Staffa, bei deren Anblick es ihm nach seinen eigenen Worten „ganz seltsam zu Mute“ wurde. Mit wenigen Takten skizzierte er seinen Eindruck in Tönen als erste Keimzelle eines Orchesterwerks, das Mendelssohn dann 1830 während einer Rom-Reise zur Konzertouvertüre Die Hebriden ausarbeitete. Nach mehreren Revisionen erschien die Partitur 1833 im Druck und parallel dazu auch Mendelssohns Arrangement für Klavier zu vier Händen, die dem Werk eine größere Verbreitung sichern sollte.

Die Hebriden-Ouvertüre ist ein musikalisches Seestück inspiriert von der Atmosphäre eines vom Sturm aufgepeitschten Meeres. Der auf Staffa skizzierte Grundgedanke erscheint in mehreren Abwandlungen – wie das Wasser, das sich durch den Einfluss von Wind und Lichteinfall permanent verwandelt. Formal ist das außermusikalische Bild in einen Sonatensatz gegossen, der durch die Mittel der romantischen Poesie neue Belebung erfährt – ein Verfahren, das auch die zwischen 1829 und 1845 unter dem Titel Lieder ohne Worte zusammengefassten Klavierminiaturen prägt. Nichts Zerrissenes und Fragmentarisches findet sich in diesen Charakterstücken, sondern eine einprägsame Melodik und klare, oft der dreiteiligen Liedform folgende Architektur, in der eine poetische Idee sich voll entfalten kann. Die Bearbeitung von sieben Liedern ohne Worte aus den Opera 61 und 67 für Klavier zu vier Händen fertige Mendelssohn 1844 für zwei Prominente an, die selbst gute Musiker waren: Königin Victoria und Prinz Albert von England.

Von ganz anderem Charakter sind das Klaviertrio Nr. 2 c-moll op. 66 sowie das Streichquintett Nr. 2 B-Dur op. 87 – in kurzer Folge 1845 zu einer Zeit der Verunsicherungen und gesundheitlicher Angeschlagenheit entstanden. Sein aufreibendes Amt als Preußischer Generalmusikdirektor hatte Mendelssohn niederlegt, um in der Heimat seiner Frau Cécile Jeanrenaud – der Stadt Frankfurt und ihrer idyllischen Umgebung – Entspannung und Ruhe zu finden. 

Die Ecksätze des Zweiten Klaviertrios sind motivisch und durch ihre monumentale Anlage verbunden: Das Allegro energico e con fuoco ist von grüblerischer Zerrissenheit und avancierter Harmonik. Im ebenfalls düster beginnenden Finale bricht sich mit Anklängen an einen alten Choral eine Apotheose Bahn, in der sich ein kämpferischer Lebenswille mit Gottvertrauen vereint. Trotz einer für Mendelssohn untypisch knappen Themenbildung kommt es zu weiträumigen Entwicklungen.

Das Zweite Streichquintett ist eine faszinierende Gratwanderung zwischen Leichtigkeit und Schwere, glühender Dramatik, tiefer Trauer und beseeltem „Singen“, im Finale erweitert durch elegante kontrapunktische Arbeit. Komponiert hat Mendelssohn es für den befreundeten Geiger Ferdinand David. Dessen Wunsch nach einem Stück „in stilo moltissimo concertissimo“ geriet nirgends zum virtuosen Selbstzweck.


„Stets nur Zierde“?

Auch wenn Mendelssohn immer wieder gegen Ressentiments ankämpfen musste – sei es von Seiten neidischer Kollegen, sei es aus antijüdischen oder erzkonservativen Gründen –, so machte er in kürzester Zeit doch eine Karriere, die ihn nicht nur als bedeutenden Musiker seiner Zeit positionierte, sondern auch als einflussreichen Kulturmanager. Seiner ebenso hochbegabten Schwester Fanny, die wie er eine umfassende musikalische Ausbildung erhalten hatte, blieb derartige Aufmerksamkeit versagt. „Die Musik wird für ihn [Felix] vielleicht Beruf“, schrieb Abraham Mendelssohn am 16. Juli 1820 an seine 14-jährige Tochter, „während sie für Dich stets nur Zierde, niemals Grundbass Deines Seins und Tuns werden kann und soll“ und fügte hinzu, dass „es Dich nicht weniger ehrt, dass Du […] durch Deine Freude an dem Beifall, den er sich erworben, bewiesen hast, dass Du ihn Dir an seiner Stelle auch würdest verdienen können. Beharre in dieser Gesinnung und diesem Betragen, sie sind weiblich, und nur das Weibliche ziert die Frauen.“ Vom Komponieren ließ Fanny sich allerdings nicht abhalten. Mehr als 400 Werke schuf sie und übernahm schließlich die Leitung der legendären „Sonntagsmusiken“ – jene Salons, bei denen im Hause Mendelssohn nicht nur musiziert wurde, sondern sich neben der künstlerischen auch die intellektuelle und finanzielle Elite Berlins versammelte. Unterstützung fand sie in ihrem Mann, dem Maler Wilhelm Hensel, den sie 1829, nachdem er zum Königlichen Hofmaler ernannt worden war, heiraten durfte. Er förderte ihre Liebe zur Musik und eröffnete ihr eine neue Welt, als er sie 1839 mit auf einen einjährigen Romaufenthalt nahm.

Unter dem Titel Das Jahr entstand 1841 eine der umfangreichsten Kompositionen Hensels – die Folge von 12 Klavierstücken plus Epilog eröffnet ein Kaleidoskop an Empfindungen, Naturschilderungen und inneren Gedanken, angelehnt an den Jahreskreises, aus dem das heutige Konzert die Frühlings- und Sommermonate vorstellt. In einem Capriccioso findet das launenhafte Hin und Her des Aprils seinen Ausdruck, während sich im Mai mit einer schwärmerischen Melodie und sanften Arpeggien der Frühling nicht mehr vertreiben lässt. Serenadenartige Klänge wie im Juni stehen neben jahreszeitlichen Bildern wie in der unter der Hitze stöhnenden Juli-Musik. Die ihrem Mann als Weihnachtsgabe überbrachte Komposition, zu deren Beginn Hensel selbstbewusst das „Es ist vollbracht“ aus Bachs Johannes-Passion zitiert, muss nicht nur wegen ihrer gedanklichen Fülle, sondern auch in kompositorischer Hinsicht zu den großen Klavierzyklen des 19. Jahrhunderts gerechnet werden.

Sieben Jahre früher komponierte Hensel ihr Streichquartett Es-Dur – und zog die Kritik ihres Bruders auf sich, der verlangte, „mehr auf eine bestimmte Form, namentlich in der Modulation“ zu sehen. Heute ist es gerade die ungewöhnlich kreative Infragestellung klassischer Harmonik, die zu einer ganz eigenen Balance aus kraftvoller Lyrik und melancholischer Dramatik führt, aber auch die formale Freiheit im nach dem Prinzip der Fantasie sich aufbauenden ersten Satz, die aufhorchen lässt.

Zu Lebzeiten kaum publiziert, spielte Hensels Schaffen bis in die 1980er Jahre im Musikleben keine Rolle. Heute verändern Aufführungen und Editionen ihrer Werke die Wahrnehmung der Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts.


Strophen von Leben und Tod

Seit etwa 1884 interessierte Gustav Mahler sich für die Sammlung Des Knaben Wunderhorn, welche die Dichter-Freunde Achim von Arnim und Clemens Brentano zusammengetragen und 1805 und 1808 publiziert hatten. Offenbar fand er in den in einem stilisierten Volkston gehaltenen Gedichten genau das, was ihn bewegte: „Natur, Frömmigkeit, Sehnsucht, Liebe, Abschied, Tod, Geisterwesen, Landsknechtsart, Jugendfrohsinn, krausen Humor“ – so Bruno Walter. Neben Vertonungen wie Rheinlegendchen, die die Schlichtheit der Volksweisen bewusst ausstellen, stehen Lieder, die Mahlers ganz eigenen Zugriff zeigen, faszinierte ihn an den Texten doch, dass sie gerade „keine vollendeten Gedichte, sondern Felsblöcke“ seien, „aus denen jeder das seine formen“ dürfe. Für Wo die schönen Trompeten blasen wählte er zwei Wunderhorn-Texte – Unbeschreibliche Freude und Bildchen – und schliff an ihnen so lange, bis sich Sinn und Atmosphäre völlig verwandelt hatten. Beide erzählen von nächtlichen Besuchen eines Mannes bei seiner Liebsten. Während Unbeschreibliche Freude aber mit der Aussicht auf Hochzeit endet und im Bildchen der Landsknecht seinem Mädchen beim Abschied verspricht, ihr „Bild“ auf immer zu bewahren, kennt Mahlers Version nur den Verweis auf ein „Haus von grünem Rasen“ – das Grab. Die Morgenröte markiert nicht mehr das Ende einer Liebesnacht, sondern ist Metapher für ein Soldatenschicksal mit blutigem Ausgang, den das Klaviervorspiel mit amorphen Anklängen an einen Marsch, gespenstisch durchsetzt mit skelettierten Weckrufen, bereits vorwegnimmt. Ein Totentanz mit grotesken Trillern und hämmernden Akkorden über einem tänzelnden Grundrhythmus ist Revelge. Beide Lieder zeigen eine Welt jenseits jener Verherrlichung des Soldatenlebens, die wenige Jahre nach Mahlers frühem Tod in die blinde Kriegsbegeisterung des Ersten Weltkriegs mündete.

Zu den Schlüsselkomposition Mahlers zählt die Rückert-Vertonung Ich bin der Welt abhanden gekommen, über die er sagte: „Das bin ich selbst!“ Unter dem Begriff „Himmel“ verbinden sich für ihn das „Lied“ – womit er sein gesamtes Schaffen meint – und eine „Liebe“, in die auch Schmerz und Traurigkeit eingeschrieben ist. Mit einem Ganztonschritt aufwärts beginnt das Lied, mit einem Ganzton abwärts schließt es, von ihm sind alle Motive geprägt und ihm verdankt das „Versinken in die Kunst“ jene für Mahler so typische Ambivalenz.

Während Mahler bis Ende der 1920er Jahre zu den meistgespielten zeitgenössischen Komponisten zählte, war Mendelssohns Werk ab der Mitte des 19. Jahrhunderts immer mehr aus den Konzertsälen verdrängt worden. Mahler, der sich 1897 in Hamburg katholisch hatte taufen lassen, um im Wiener Kulturleben Karriere machen zu können, war immer wieder antisemitischen Attacken ausgesetzt. 1832 soll für die Ablehnung von Mendelssohns Kandidatur als Zelters Nachfolger in der Leitung der Berliner Singakademie seine jüdische Herkunft eine Rolle gespielt haben. Als 1833/34 Zelters Briefwechsel mit Goethe veröffentlicht wurde, entdeckte die Familie darin eine ganze Reihe verletzender Bemerkungen des einst so verehrten Lehrers, darunter Zelters Ankündigung von Mendelssohns erstem Besuch bei Goethe: „Er ist zwar ein Judensohn, aber kein Jude. Der Vater hat mit bedeutender Aufopferung seine Söhne nicht beschneiden lassen; es wäre wirklich einmal eppes Rohres [etwas Rares], wenn aus einem Judensohn ein Künstler würde.“

Mit der nationalsozialistischen Machtergreifung wurde auch Mahlers Musik gewaltsam zum Verstummen gebracht. Mahler habe „als fanatischer Typus des ostjüdischen Rabbiners […] an die Stelle des organisch gewachsenen abendländischen Tonsystems“ ein „Chaos“ gesetzt, „in welchem ein Nichtjude sich unmöglich mehr zurechtfinden kann“ und darüber hinaus „als Missdeuter deutscher Musik […] ausschließlich den jüdischen Herrschaftszielen“ gedient – so heißt es in dem „Beitrag zur Kultur- und Rassenpolitik“ Judentum und Musik des Musikologen Karl Blessinger.


Musik als Mittel zum Überleben

Was geschieht, wenn sich derartige Verschwörungstheorien und antisemitische Paranoia mit den Möglichkeiten totalitärer Repressionsapparate verbinden – daran erinnern Orte wie Theresienstadt, Auschwitz, Dachau, Buchenwald. Mahlers Schwager Eduard Rosé und seine Nichte Alma Rosé fanden dort ihren Tod. Viktor Ullmann, Hans Krása und Gideon Klein wurden im Oktober 1944 mit dem sogenannten „Künstlertransport“ nach Auschwitz deportiert. Krása starb am 17. Oktober, Ullmann am 18. Oktober 1944 durch Vergasung. Klein kam unter nicht geklärten Umständen in den Kohlegruben des Außenlagers Fürstengrube um, als dieses Anfang 1945 geräumt und die zurückgelassenen Häftlinge von einem SS-Sonderkommando erschossen wurden. Zuvor waren die drei Komponisten seit 1941 bzw. 1942 in Theresienstadt interniert gewesen – einst ein kleines, von Kaiser Joseph II. als Garnisonsstützpunkt ausgebautes, auf 4.000 Einwohner angelegtes Städtchen, das die Nazis zum größten jüdischen Ghetto Tschechiens umfunktionierten, um nach Vertreibung der ursprünglichen Bevölkerung über 70.000 Menschen auf engstem Raum zusammenzupferchen, darunter zahlreiche Künstler:innen und prominente Wissenschaftler.

Krása, der mit Klein bereits nach der deutschen Besatzung Prags heimliche Künstlertreffen organisiert und für ein jüdisches Waisenhaus die Kinderoper Brundibár komponiert hatte, engagierte sich in Theresienstadt in der sogenannten „Freizeitgestaltung“. Konzerte, Opern-, Theater-, Kabarettaufführungen und Jazzsessions waren für die Internierten Widerstandssymbol und gemeinschaftsbildendes Überlebensmittel. Dass die Nationalsozialisten auf die Auswahl der hier aufgeführten Musik keinen Einfluss hatten, hielt sie nicht davon ab, sie zu Propagandazwecken und zur Verschleierung der Judenvernichtung zu missbrauchen.

Krása fand paradoxerweise erst unter den Theresienstädter Bedingungen zu einer Fokussierung aufs Komponieren. Sein Tanz für Streichtrio entstand wahrscheinlich 1943. Inspiration war böhmische Volksmusik, deren Melodien Krása mit hämmernden Rhythmen und harschen Dissonanzen ins Groteske zieht. Nur einmal, „etwas ruhiger“, bricht sich eine visionäre Gegenwelt voller Weichheit in den Kantilenen Bahn.

Wie Krása engagierte sich auch Klein intensiv im kulturellen Lagerleben. Als Pianist wirkte er in Konzerten mit und neben Chormusik entstanden Kammermusikwerke, die heute zu den wichtigen des 20. Jahrhunderts zählen. Das am 7. Oktober 1944 vollendete Streichtrio beginnt mit einem wilden Perpetuum mobile der Violine über einem behäbigen Tanzschritt im Cello. Ein zweites Thema wird in der erweiterten Rondoform vielfältig abgewandelt. Wiederholungen und polyrhythmische Verschiebungen prägen den obsessiven Charakter des Satzes, den Klein im Finale erneut aufgreift. Dazwischen setzte er eine verschlüsselte Botschaft: Die in acht Variationen verarbeitete mährische Volksweise Der Turm von Knezdub, die von einer sich in die Lüfte aufschwingende Wildgans erzählt, wird bei Klein zum Symbol der Freiheit. Vor seiner Deportation nach Auschwitz vertraute er die Partitur einer Freundin an. Am 6. Juni 1946 fand die Uraufführung durch das Tschechoslowakische Streichquartett im Prager Rudolfinum statt – organisiert von Kleins Schwester Lisa, die den Holocaust überlebt hatte. International bekannt wurde das Werk jedoch erst mit der Druckveröffentlichung der Partitur 1993.


Opposition und Mahnung

Viktor Ullmann, Schüler u.a. von Arnold Schönberg und bereits in den 1920er Jahren ein angesehener Komponist sowie Kapellmeister in Prag und Zürich, ließ sich für sein letztes, auf den 4. und 12. Juli 1944 datiertes Werk von Rainer Maria Rilkes Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke inspirieren – eine kurze Erzählung, wie die Soldatenlieder des von Ullmann zutiefst bewunderten Mahler, über die düsteren, dem Leben abgewandten Seiten scheinbaren Heldentums. Zwischen 1899 und 1906 hatte Rilke die Geschichte eines jungen Adligen verfasst, der 1663 als Fahnenträger in den Krieg gegen die Türken zog, dort Kameradschaft und Grauen, Erotik und Einsamkeit erlebte und schließlich einen sinnlosen Tod starb. Für Rilke wurde das Poem zu einem großen Erfolg, für viele deutsche Soldaten im Ersten Weltkrieg war es die „Bibel“ im Tornister. So auch für Ullmann, der sich das Buch 1918 nach Barcola bei Triest schicken ließ, wo er als Fähnrich Kriegsdienst tat. 46 Jahre später komponierte er den Cornet in Theresienstadt als Melodram. Die Partitur ist nur in einem schwer leserlichen Particell überliefert, von der geplanten Orchestrierung liegen nur zwölf Takte vor. Für den Vortrag des Textes räumte Ullmann dem Sprecher großen Interpretationsspielraum ein, kennzeichnet die Textverteilung über den Noten doch nur ein „ungefähres Zusammentreffen“. Zwölf Szenen – die Dietrich Henschel und Elena Bashkirova im heutigen Konzert um weitere Abschnitte aus Rilkes Text ergänzen – wählte Ullmann aus und schuf korrespondierend zu der von einer hohen Musikalität und einprägsamen Bildern geprägten Sprache des Dichters eine Komposition von großer expressiver Kraft und emotionaler Dichte.

„In der Musik liegt der Wille zum Leben“ lautete ein Credo Ullmanns. Seine in Theresienstadt entstandenen Werke künden von einer tiefen Auseinandersetzung mit Leben und Tod in einem existenziellen Ausnahmezustand. Wie die Kompositionen Kleins und Krásas repräsentieren sie aber auch den Willen zur Hoffnung, sind Opposition und Mahnung – Musik, die überlebt hat, weil sie nicht datiert ist, sondern jenseits ihrer Entstehungsumstände als Kunst an sich und damit als überzeitliches Zeugnis der Freiheit und Menschlichkeit vor uns steht.


Anne do Paço studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Germanistik in Berlin. Nach Engagements am Staatstheater Mainz und der Deutschen Oper am Rhein ist sie seit September 2020 Chefdramaturgin des Wiener Staatsballetts. Sie veröffentlichte Aufsätze zur Musik- und Tanzgeschichte des 19. bis 21. Jahrhunderts und war als Autorin u.a. für die Kammerphilharmonie Bremen, das Wiener Konzerthaus und die Opéra National de Paris tätig.

„In der Musik liegt der Wille zum Leben“
Zum Programm des Mendelssohn-Festivals


Anne do Paço


Nur wenige hundert Meter von jenem Stadtpalais entfernt, das Abraham Mendelssohn 1825 in der Leipziger Straße erwarb und nicht nur zum Haus für seine Familie, sondern zu einem Treffpunkt für Kunst und intellektuellen Austausch machte, findet im Pierre Boulez Saal zum zweiten Mal das Mendelssohn-Festival statt. Erneut feiert Elena Bashkirova, Präsidentin der Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Stiftung in Leipzig, zusammen mit einer Reihe prominenter Musiker:innen das Werk eines Komponisten, der auf beispiellose Weise gegenwärtiges Künstlertum mit der Achtung der Tradition, jüdische Kultur mit den Idealen eines aufgeklärten Bürgertums, humanistische Bildung mit einer progressiven Weltoffenheit zu verbinden verstand. Musik Felix Mendelssohn Bartholdys tritt in einen Dialog mit Kompositionen seiner Schwester Fanny, aber auch Liedern Gustav Mahlers und Werken, die Hans Krása, Viktor Ullmann und Gideon Klein im Angesicht der Verfolgung und Vernichtung durch die Nationalsozialisten in den 1940er Jahren schufen.


Poesie und Formwille

Bereits im Kindesalter hatte Mendelssohn andere Städte und Länder kennengelernt. 1829 besuchte er erstmals London und – nach einer Serie erfolgreicher Konzerte – Schottland. Besonderen Eindruck machte auf ihn die vom Meer umtoste Fingalshöhle auf der Hebriden-Insel Staffa, bei deren Anblick es ihm nach seinen eigenen Worten „ganz seltsam zu Mute“ wurde. Mit wenigen Takten skizzierte er seinen Eindruck in Tönen als erste Keimzelle eines Orchesterwerks, das Mendelssohn dann 1830 während einer Rom-Reise zur Konzertouvertüre Die Hebriden ausarbeitete. Nach mehreren Revisionen erschien die Partitur 1833 im Druck und parallel dazu auch Mendelssohns Arrangement für Klavier zu vier Händen, die dem Werk eine größere Verbreitung sichern sollte.

Die Hebriden-Ouvertüre ist ein musikalisches Seestück inspiriert von der Atmosphäre eines vom Sturm aufgepeitschten Meeres. Der auf Staffa skizzierte Grundgedanke erscheint in mehreren Abwandlungen – wie das Wasser, das sich durch den Einfluss von Wind und Lichteinfall permanent verwandelt. Formal ist das außermusikalische Bild in einen Sonatensatz gegossen, der durch die Mittel der romantischen Poesie neue Belebung erfährt – ein Verfahren, das auch die zwischen 1829 und 1845 unter dem Titel Lieder ohne Worte zusammengefassten Klavierminiaturen prägt. Nichts Zerrissenes und Fragmentarisches findet sich in diesen Charakterstücken, sondern eine einprägsame Melodik und klare, oft der dreiteiligen Liedform folgende Architektur, in der eine poetische Idee sich voll entfalten kann. Die Bearbeitung von sieben Liedern ohne Worte aus den Opera 61 und 67 für Klavier zu vier Händen fertige Mendelssohn 1844 für zwei Prominente an, die selbst gute Musiker waren: Königin Victoria und Prinz Albert von England.

Von ganz anderem Charakter sind das Klaviertrio Nr. 2 c-moll op. 66 sowie das Streichquintett Nr. 2 B-Dur op. 87 – in kurzer Folge 1845 zu einer Zeit der Verunsicherungen und gesundheitlicher Angeschlagenheit entstanden. Sein aufreibendes Amt als Preußischer Generalmusikdirektor hatte Mendelssohn niederlegt, um in der Heimat seiner Frau Cécile Jeanrenaud – der Stadt Frankfurt und ihrer idyllischen Umgebung – Entspannung und Ruhe zu finden. 

Die Ecksätze des Zweiten Klaviertrios sind motivisch und durch ihre monumentale Anlage verbunden: Das Allegro energico e con fuoco ist von grüblerischer Zerrissenheit und avancierter Harmonik. Im ebenfalls düster beginnenden Finale bricht sich mit Anklängen an einen alten Choral eine Apotheose Bahn, in der sich ein kämpferischer Lebenswille mit Gottvertrauen vereint. Trotz einer für Mendelssohn untypisch knappen Themenbildung kommt es zu weiträumigen Entwicklungen.

Das Zweite Streichquintett ist eine faszinierende Gratwanderung zwischen Leichtigkeit und Schwere, glühender Dramatik, tiefer Trauer und beseeltem „Singen“, im Finale erweitert durch elegante kontrapunktische Arbeit. Komponiert hat Mendelssohn es für den befreundeten Geiger Ferdinand David. Dessen Wunsch nach einem Stück „in stilo moltissimo concertissimo“ geriet nirgends zum virtuosen Selbstzweck.


„Stets nur Zierde“?

Auch wenn Mendelssohn immer wieder gegen Ressentiments ankämpfen musste – sei es von Seiten neidischer Kollegen, sei es aus antijüdischen oder erzkonservativen Gründen –, so machte er in kürzester Zeit doch eine Karriere, die ihn nicht nur als bedeutenden Musiker seiner Zeit positionierte, sondern auch als einflussreichen Kulturmanager. Seiner ebenso hochbegabten Schwester Fanny, die wie er eine umfassende musikalische Ausbildung erhalten hatte, blieb derartige Aufmerksamkeit versagt. „Die Musik wird für ihn [Felix] vielleicht Beruf“, schrieb Abraham Mendelssohn am 16. Juli 1820 an seine 14-jährige Tochter, „während sie für Dich stets nur Zierde, niemals Grundbass Deines Seins und Tuns werden kann und soll“ und fügte hinzu, dass „es Dich nicht weniger ehrt, dass Du […] durch Deine Freude an dem Beifall, den er sich erworben, bewiesen hast, dass Du ihn Dir an seiner Stelle auch würdest verdienen können. Beharre in dieser Gesinnung und diesem Betragen, sie sind weiblich, und nur das Weibliche ziert die Frauen.“ Vom Komponieren ließ Fanny sich allerdings nicht abhalten. Mehr als 400 Werke schuf sie und übernahm schließlich die Leitung der legendären „Sonntagsmusiken“ – jene Salons, bei denen im Hause Mendelssohn nicht nur musiziert wurde, sondern sich neben der künstlerischen auch die intellektuelle und finanzielle Elite Berlins versammelte. Unterstützung fand sie in ihrem Mann, dem Maler Wilhelm Hensel, den sie 1829, nachdem er zum Königlichen Hofmaler ernannt worden war, heiraten durfte. Er förderte ihre Liebe zur Musik und eröffnete ihr eine neue Welt, als er sie 1839 mit auf einen einjährigen Romaufenthalt nahm.

Unter dem Titel Das Jahr entstand 1841 eine der umfangreichsten Kompositionen Hensels – die Folge von 12 Klavierstücken plus Epilog eröffnet ein Kaleidoskop an Empfindungen, Naturschilderungen und inneren Gedanken, angelehnt an den Jahreskreises, aus dem das heutige Konzert die Frühlings- und Sommermonate vorstellt. In einem Capriccioso findet das launenhafte Hin und Her des Aprils seinen Ausdruck, während sich im Mai mit einer schwärmerischen Melodie und sanften Arpeggien der Frühling nicht mehr vertreiben lässt. Serenadenartige Klänge wie im Juni stehen neben jahreszeitlichen Bildern wie in der unter der Hitze stöhnenden Juli-Musik. Die ihrem Mann als Weihnachtsgabe überbrachte Komposition, zu deren Beginn Hensel selbstbewusst das „Es ist vollbracht“ aus Bachs Johannes-Passion zitiert, muss nicht nur wegen ihrer gedanklichen Fülle, sondern auch in kompositorischer Hinsicht zu den großen Klavierzyklen des 19. Jahrhunderts gerechnet werden.

Sieben Jahre früher komponierte Hensel ihr Streichquartett Es-Dur – und zog die Kritik ihres Bruders auf sich, der verlangte, „mehr auf eine bestimmte Form, namentlich in der Modulation“ zu sehen. Heute ist es gerade die ungewöhnlich kreative Infragestellung klassischer Harmonik, die zu einer ganz eigenen Balance aus kraftvoller Lyrik und melancholischer Dramatik führt, aber auch die formale Freiheit im nach dem Prinzip der Fantasie sich aufbauenden ersten Satz, die aufhorchen lässt.

Zu Lebzeiten kaum publiziert, spielte Hensels Schaffen bis in die 1980er Jahre im Musikleben keine Rolle. Heute verändern Aufführungen und Editionen ihrer Werke die Wahrnehmung der Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts.


Strophen von Leben und Tod

Seit etwa 1884 interessierte Gustav Mahler sich für die Sammlung Des Knaben Wunderhorn, welche die Dichter-Freunde Achim von Arnim und Clemens Brentano zusammengetragen und 1805 und 1808 publiziert hatten. Offenbar fand er in den in einem stilisierten Volkston gehaltenen Gedichten genau das, was ihn bewegte: „Natur, Frömmigkeit, Sehnsucht, Liebe, Abschied, Tod, Geisterwesen, Landsknechtsart, Jugendfrohsinn, krausen Humor“ – so Bruno Walter. Neben Vertonungen wie Rheinlegendchen, die die Schlichtheit der Volksweisen bewusst ausstellen, stehen Lieder, die Mahlers ganz eigenen Zugriff zeigen, faszinierte ihn an den Texten doch, dass sie gerade „keine vollendeten Gedichte, sondern Felsblöcke“ seien, „aus denen jeder das seine formen“ dürfe. Für Wo die schönen Trompeten blasen wählte er zwei Wunderhorn-Texte – Unbeschreibliche Freude und Bildchen – und schliff an ihnen so lange, bis sich Sinn und Atmosphäre völlig verwandelt hatten. Beide erzählen von nächtlichen Besuchen eines Mannes bei seiner Liebsten. Während Unbeschreibliche Freude aber mit der Aussicht auf Hochzeit endet und im Bildchen der Landsknecht seinem Mädchen beim Abschied verspricht, ihr „Bild“ auf immer zu bewahren, kennt Mahlers Version nur den Verweis auf ein „Haus von grünem Rasen“ – das Grab. Die Morgenröte markiert nicht mehr das Ende einer Liebesnacht, sondern ist Metapher für ein Soldatenschicksal mit blutigem Ausgang, den das Klaviervorspiel mit amorphen Anklängen an einen Marsch, gespenstisch durchsetzt mit skelettierten Weckrufen, bereits vorwegnimmt. Ein Totentanz mit grotesken Trillern und hämmernden Akkorden über einem tänzelnden Grundrhythmus ist Revelge. Beide Lieder zeigen eine Welt jenseits jener Verherrlichung des Soldatenlebens, die wenige Jahre nach Mahlers frühem Tod in die blinde Kriegsbegeisterung des Ersten Weltkriegs mündete.

Zu den Schlüsselkomposition Mahlers zählt die Rückert-Vertonung Ich bin der Welt abhanden gekommen, über die er sagte: „Das bin ich selbst!“ Unter dem Begriff „Himmel“ verbinden sich für ihn das „Lied“ – womit er sein gesamtes Schaffen meint – und eine „Liebe“, in die auch Schmerz und Traurigkeit eingeschrieben ist. Mit einem Ganztonschritt aufwärts beginnt das Lied, mit einem Ganzton abwärts schließt es, von ihm sind alle Motive geprägt und ihm verdankt das „Versinken in die Kunst“ jene für Mahler so typische Ambivalenz.

Während Mahler bis Ende der 1920er Jahre zu den meistgespielten zeitgenössischen Komponisten zählte, war Mendelssohns Werk ab der Mitte des 19. Jahrhunderts immer mehr aus den Konzertsälen verdrängt worden. Mahler, der sich 1897 in Hamburg katholisch hatte taufen lassen, um im Wiener Kulturleben Karriere machen zu können, war immer wieder antisemitischen Attacken ausgesetzt. 1832 soll für die Ablehnung von Mendelssohns Kandidatur als Zelters Nachfolger in der Leitung der Berliner Singakademie seine jüdische Herkunft eine Rolle gespielt haben. Als 1833/34 Zelters Briefwechsel mit Goethe veröffentlicht wurde, entdeckte die Familie darin eine ganze Reihe verletzender Bemerkungen des einst so verehrten Lehrers, darunter Zelters Ankündigung von Mendelssohns erstem Besuch bei Goethe: „Er ist zwar ein Judensohn, aber kein Jude. Der Vater hat mit bedeutender Aufopferung seine Söhne nicht beschneiden lassen; es wäre wirklich einmal eppes Rohres [etwas Rares], wenn aus einem Judensohn ein Künstler würde.“

Mit der nationalsozialistischen Machtergreifung wurde auch Mahlers Musik gewaltsam zum Verstummen gebracht. Mahler habe „als fanatischer Typus des ostjüdischen Rabbiners […] an die Stelle des organisch gewachsenen abendländischen Tonsystems“ ein „Chaos“ gesetzt, „in welchem ein Nichtjude sich unmöglich mehr zurechtfinden kann“ und darüber hinaus „als Missdeuter deutscher Musik […] ausschließlich den jüdischen Herrschaftszielen“ gedient – so heißt es in dem „Beitrag zur Kultur- und Rassenpolitik“ Judentum und Musik des Musikologen Karl Blessinger.


Musik als Mittel zum Überleben

Was geschieht, wenn sich derartige Verschwörungstheorien und antisemitische Paranoia mit den Möglichkeiten totalitärer Repressionsapparate verbinden – daran erinnern Orte wie Theresienstadt, Auschwitz, Dachau, Buchenwald. Mahlers Schwager Eduard Rosé und seine Nichte Alma Rosé fanden dort ihren Tod. Viktor Ullmann, Hans Krása und Gideon Klein wurden im Oktober 1944 mit dem sogenannten „Künstlertransport“ nach Auschwitz deportiert. Krása starb am 17. Oktober, Ullmann am 18. Oktober 1944 durch Vergasung. Klein kam unter nicht geklärten Umständen in den Kohlegruben des Außenlagers Fürstengrube um, als dieses Anfang 1945 geräumt und die zurückgelassenen Häftlinge von einem SS-Sonderkommando erschossen wurden. Zuvor waren die drei Komponisten seit 1941 bzw. 1942 in Theresienstadt interniert gewesen – einst ein kleines, von Kaiser Joseph II. als Garnisonsstützpunkt ausgebautes, auf 4.000 Einwohner angelegtes Städtchen, das die Nazis zum größten jüdischen Ghetto Tschechiens umfunktionierten, um nach Vertreibung der ursprünglichen Bevölkerung über 70.000 Menschen auf engstem Raum zusammenzupferchen, darunter zahlreiche Künstler:innen und prominente Wissenschaftler.

Krása, der mit Klein bereits nach der deutschen Besatzung Prags heimliche Künstlertreffen organisiert und für ein jüdisches Waisenhaus die Kinderoper Brundibár komponiert hatte, engagierte sich in Theresienstadt in der sogenannten „Freizeitgestaltung“. Konzerte, Opern-, Theater-, Kabarettaufführungen und Jazzsessions waren für die Internierten Widerstandssymbol und gemeinschaftsbildendes Überlebensmittel. Dass die Nationalsozialisten auf die Auswahl der hier aufgeführten Musik keinen Einfluss hatten, hielt sie nicht davon ab, sie zu Propagandazwecken und zur Verschleierung der Judenvernichtung zu missbrauchen.

Krása fand paradoxerweise erst unter den Theresienstädter Bedingungen zu einer Fokussierung aufs Komponieren. Sein Tanz für Streichtrio entstand wahrscheinlich 1943. Inspiration war böhmische Volksmusik, deren Melodien Krása mit hämmernden Rhythmen und harschen Dissonanzen ins Groteske zieht. Nur einmal, „etwas ruhiger“, bricht sich eine visionäre Gegenwelt voller Weichheit in den Kantilenen Bahn.

Wie Krása engagierte sich auch Klein intensiv im kulturellen Lagerleben. Als Pianist wirkte er in Konzerten mit und neben Chormusik entstanden Kammermusikwerke, die heute zu den wichtigen des 20. Jahrhunderts zählen. Das am 7. Oktober 1944 vollendete Streichtrio beginnt mit einem wilden Perpetuum mobile der Violine über einem behäbigen Tanzschritt im Cello. Ein zweites Thema wird in der erweiterten Rondoform vielfältig abgewandelt. Wiederholungen und polyrhythmische Verschiebungen prägen den obsessiven Charakter des Satzes, den Klein im Finale erneut aufgreift. Dazwischen setzte er eine verschlüsselte Botschaft: Die in acht Variationen verarbeitete mährische Volksweise Der Turm von Knezdub, die von einer sich in die Lüfte aufschwingende Wildgans erzählt, wird bei Klein zum Symbol der Freiheit. Vor seiner Deportation nach Auschwitz vertraute er die Partitur einer Freundin an. Am 6. Juni 1946 fand die Uraufführung durch das Tschechoslowakische Streichquartett im Prager Rudolfinum statt – organisiert von Kleins Schwester Lisa, die den Holocaust überlebt hatte. International bekannt wurde das Werk jedoch erst mit der Druckveröffentlichung der Partitur 1993.


Opposition und Mahnung

Viktor Ullmann, Schüler u.a. von Arnold Schönberg und bereits in den 1920er Jahren ein angesehener Komponist sowie Kapellmeister in Prag und Zürich, ließ sich für sein letztes, auf den 4. und 12. Juli 1944 datiertes Werk von Rainer Maria Rilkes Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke inspirieren – eine kurze Erzählung, wie die Soldatenlieder des von Ullmann zutiefst bewunderten Mahler, über die düsteren, dem Leben abgewandten Seiten scheinbaren Heldentums. Zwischen 1899 und 1906 hatte Rilke die Geschichte eines jungen Adligen verfasst, der 1663 als Fahnenträger in den Krieg gegen die Türken zog, dort Kameradschaft und Grauen, Erotik und Einsamkeit erlebte und schließlich einen sinnlosen Tod starb. Für Rilke wurde das Poem zu einem großen Erfolg, für viele deutsche Soldaten im Ersten Weltkrieg war es die „Bibel“ im Tornister. So auch für Ullmann, der sich das Buch 1918 nach Barcola bei Triest schicken ließ, wo er als Fähnrich Kriegsdienst tat. 46 Jahre später komponierte er den Cornet in Theresienstadt als Melodram. Die Partitur ist nur in einem schwer leserlichen Particell überliefert, von der geplanten Orchestrierung liegen nur zwölf Takte vor. Für den Vortrag des Textes räumte Ullmann dem Sprecher großen Interpretationsspielraum ein, kennzeichnet die Textverteilung über den Noten doch nur ein „ungefähres Zusammentreffen“. Zwölf Szenen – die Dietrich Henschel und Elena Bashkirova im heutigen Konzert um weitere Abschnitte aus Rilkes Text ergänzen – wählte Ullmann aus und schuf korrespondierend zu der von einer hohen Musikalität und einprägsamen Bildern geprägten Sprache des Dichters eine Komposition von großer expressiver Kraft und emotionaler Dichte.

„In der Musik liegt der Wille zum Leben“ lautete ein Credo Ullmanns. Seine in Theresienstadt entstandenen Werke künden von einer tiefen Auseinandersetzung mit Leben und Tod in einem existenziellen Ausnahmezustand. Wie die Kompositionen Kleins und Krásas repräsentieren sie aber auch den Willen zur Hoffnung, sind Opposition und Mahnung – Musik, die überlebt hat, weil sie nicht datiert ist, sondern jenseits ihrer Entstehungsumstände als Kunst an sich und damit als überzeitliches Zeugnis der Freiheit und Menschlichkeit vor uns steht.


Anne do Paço studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Germanistik in Berlin. Nach Engagements am Staatstheater Mainz und der Deutschen Oper am Rhein ist sie seit September 2020 Chefdramaturgin des Wiener Staatsballetts. Sie veröffentlichte Aufsätze zur Musik- und Tanzgeschichte des 19. bis 21. Jahrhunderts und war als Autorin u.a. für die Kammerphilharmonie Bremen, das Wiener Konzerthaus und die Opéra National de Paris tätig.

Der Juli aus Fanny Hensels Das Jahr in der Handschrift der Komponistin (mit einer Zeichnung von Wilhelm Hensel)

Youthful Vigor, Poetic Power

Alongside Felix Mendelssohn’s Second Piano Trio and his famous Hebrides overture in a piano arrangement, the second program of this year’s Mendelssohn Festival features works by Gideon Klein and Fanny Hensel, including excerpts from her extensive piano cycle Das Jahr.

Essay by Richard Wigmore

Youthful Vigor, Poetic Power
Works by Mendelssohn, Hensel, and Klein

Richard Wigmore


A Scottish Excursion

As a boy Felix Mendelssohn had imbibed a romanticized Scotland through the novels of Sir Walter Scott and the “Ossian” poems concocted by James Macpherson—the 18th century’s biggest literary fraud. In 1829, aged 20, he set out from London on a tour of Scotland with his Berlin friend Karl Klingemann. In Edinburgh Mendelssohn conceived the opening of his “Scottish” Symphony amid the ruins of Holyrood chapel. A meeting with Walter Scott turned out to be brief and perfunctory. Then, on August 8, the pair took the ferry from Tobermory, on Mull, to the island of Staffa, with its celebrated “Fingal’s Cave” (named after the hero of Ossian’s epic poems). Mendelssohn’s most famous overture had already been born the previous day, when he enclosed a sketch of the opening bars in a letter to his family: “To make you understand how extraordinarily the Hebrides affected me, the following came into my mind there.”

True to form, Mendelssohn took long to complete the overture and revised it twice before it finally satisfied him. In the process the name changed from Die einsame Insel (The Lonely Island) to Die Hebriden. In January 1832 he complained to his sister Fanny that “the would-be working-out of the movement smells more of counterpoint than of train oil, gulls, and salted cod…” The final version of the overture, heard tonight in the composer’s arrangement for piano duet, was premiered in London on May 14, 1832, and published as Fingalshöhle.

The first great Romantic musical seascape, Die Hebriden evokes the swells and ebbs of the ocean, its violent storms and its mysterious, shimmering calms, within a subtly organized sonata structure. The laconic opening motif, by turns smooth and turbulent, is developed with extraordinary poetic power. No less inspired is the way the broad, surging second theme becomes magically becalmed in the recapitulation and is then fleetingly recalled in the final bars.


Music under the Shadow of Death

Born in Moravia in December 1919, Gideon Klein showed precocious talent both as a pianist and a composer. After the Nazi occupation of Czechoslovakia in 1939 he occasionally managed to perform in public under an alias. He was offered a scholarship at the Royal Academy of Music in London in 1940—but by then it was too late. The following year Klein was deported to Theresienstadt (Terezín), along with other Jewish composers including Viktor Ullmann, Pavel Haas, and Hans Krása. Music-making was officially permitted, even encouraged, by the Nazis in this hideous “showcase” camp. Here Klein composed a String Quartet, a Piano Sonata, and a String Trio. In October 1944 he was transported to Auschwitz. Initially put to work in an adjacent coal mine, he was murdered, presumably in the gas chambers, on January 25, 1945.

Klein’s three-movement String Trio was his last work, completed in Theresienstadt days before he was packed on to the “liquidation transport.” Distantly influenced by Schoenberg, Janáček, and Martinů, the Trio is music of tremendous youthful vigor: colorful, inventive in its textures and always assured in its handling of a notoriously difficult medium. In the first movement Klein contrasts feverish perpetuum mobile figuration with a rough, rustic-sounding tune over a drone bass. You might also hear half-echoes of a klezmer band. The central Lento—the Trio’s expressive heart—unfolds as a set of eight vividly contrasted variations on a mournful Moravian folksong, while the finale (Molto vivace) refracts the spirit of Moravian folk and klezmer music through a distorting, dissonant prism.


Echoes of Bach

We move back almost exactly a century for Felix Mendelssohn’s Piano Trio in C minor, completed in April 1845 and dedicated to his fellow composer Louis Spohr. This piece has never been as popular as the D-minor Trio of 1839, perhaps because it lacks the earlier work’s instant melodic appeal. Yet in its outer movements, it is at least as fine as its companion. From its smoldering, swirling opening theme, introduced pianissimo by the keyboard in bare octaves over a deep cello pedal, the first movement is one of the most impassioned and tightly knit that Mendelssohn ever wrote. A fervent contrasting theme surges in fortissimo out of the first climax—a thrilling moment—before subsiding in lyrical meditation. The inspired coda begins in Brahmsian mystery and ends, after a torrential crescendo, in Beethovenian vehemence, with strings playing the opening theme at half speed in counterpoint with the piano.

The central movements, both examples of familiar Mendelssohnian types, provide necessary emotional respite. The Andante is a dreamy song-without-words that suggests a gently gliding barcarolle. Animated by darting, flickering string-keyboard exchanges, the third movement is the last of the “fairy” scherzos that Mendelssohn first made his own in the Octet. Like all good fairy scherzos, it vanishes into the ether. With some understatement, the composer informed his sister Fanny that this captivating movement was “rather fiendish to play.”

The finale is an original fusion of ancient and modern, and a reminder that Mendelssohn was a leading figure in the 19th-century Bach revival. Initiated by a leaping, angular cello theme that could almost be a Bachian gigue, it effortlessly integrates a serene chorale melody into the turbulent musical narrative. In the C-major coda Mendelssohn combines the gigue and the chorale, thundered out by the strings against piano tremolos, to create a majestic, orchestral-style apotheosis.


Songs without Words

Felix Mendelssohn’s sister Fanny was as gifted a child prodigy as her younger brother. Like him, she began to compose early, though whether by inclination or cultural pressure she mostly confined herself to piano miniatures and songs. In adulthood, Fanny Hensel, as she became known after her marriage, was famed not only for her musical talents but also for her formidable intellect and her intolerance of mediocrity, in any form. Visiting her home in 1842, the English composer William Sterndale Bennett recalled that he was “never so frightened to play to anyone before, and to think that this terrible person should be a lady. However, she would frighten many people with her cleverness.” After meeting her in March 1847, Clara Schumann wrote: “I have really taken a liking to Frau Hensel, and feel specially drawn to her musically; we are almost always in agreement, and her conversation is always interesting. The only slight problem is that one has first to get used to her rather abrupt manner.” Fanny, it seems, was not necessarily one to charm.

Given her family’s social eminence, it was well nigh impossible for Fanny to make a professional career in music. Her father Abraham declared roundly that “the only calling for a young woman is that of housewife.” While he acknowledged her creative gift, brother Felix was almost as discouraging (though he did publish a few of her songs under his name). Fanny’s musical self-confidence grew after her marriage, at 24, to the liberal-minded painter Wilhelm Hensel, who warmly encouraged her to compose. In 1846 she finally felt emboldened to publish a group of songs under her own name, writing to Felix: “I hope I won’t disgrace all of you through my publishing.” In May of the following year she died suddenly, of a stroke, aged just 41, while conducting a rehearsal of her brother’s cantata Die erste Walpurgisnacht. Already in weakened health, Felix never completely recovered from the shock and died six months later.

Fanny was a formidable pianist, in the class of her brother, and almost all of her works, including some 275 songs, involve her own instrument. Like Felix she produced volumes of Lieder ohne Worte for domestic consumption. In similar vein is the cycle of “twelve character pieces,” plus a postlude, titled Das Jahr (The Year), which she presented to her husband as a Christmas present in 1841. In a beautifully bound manuscript copy he provided vignettes for each of the months, to which Fanny added quotations from leading German poets.

Of the four “months” chosen by Elena Baskirova for this program, April is headed by lines from Goethe: “Der Sonnenblick betrüget mit mildem, falschem Schein” (The sunshine cheats us with its mild, false light). Fanny responds with music of capricious grace that includes references to at least two of her brother’s keyboard works—typical of the family in-jokes that thread through the cycle.

The skipping playfulness of May (subtitled “Spring Song”) does not exclude passing storm clouds, while June, prefaced by lines from Goethe’s Faust, is a euphoric evening serenade. We might expect July to yield a summer idyll. Fanny, though, has other ideas. Taking her cue from lines by Schiller (“Die Fluren dürsten nach erquickendem Tau, der Mensch verschmachtet”—The meadows thirst for refreshing dew, mankind languishes), she paints a graphic musical portrait of drought and exhaustion, suffused by gloomily drooping chromatic lines.


An Eloquent and Original Voice

While Fanny Hensel composed hundreds of songs and piano miniatures, by her own admission she lacked confidence in more extended forms. Yet she did produce two impressive chamber works: a Piano Trio, and a String Quartet in E flat, written in 1834 for private performance at her Berlin salon, and only published in 1988. While her Quartet owes something to Felix’s 1829 String Quartet in the same key, Op. 12, Fanny has an eloquent voice of her own. The poignant Adagio ma non troppo—an original opening to a string quartet in 1834—combines the spirit of a fantasia with taut motivic economy. Everything evolves logically from the movement’s opening phrases.

The C-minor Allegretto, with its delicate use of pizzicato, is a scherzo in all but name. In the major-keyed central episode the imitations rising from the depths of the cello seem to make fun of the gallumphing trio in Beethoven’s Fifth Symphony. The third movement is a Romantic intermezzo that can flare suddenly to passion, while the finale—another scherzo in spirit—is a restless moto perpetuo whose development recalls the Allegretto’s “Beethoven Fifth” episode.


Richard Wigmore is a writer, broadcaster, and lecturer specializing in Classical and Romantic chamber music and lieder. He writes for Gramophone, BBC Music Magazine, and other journals, and has taught at Birkbeck College, the Royal Academy of Music, and the Guildhall. His publications include Schubert: The Complete Song Texts and The Faber Pocket Guide to Haydn.

Youthful Vigor, Poetic Power
Works by Mendelssohn, Hensel, and Klein

Richard Wigmore


A Scottish Excursion

As a boy Felix Mendelssohn had imbibed a romanticized Scotland through the novels of Sir Walter Scott and the “Ossian” poems concocted by James Macpherson—the 18th century’s biggest literary fraud. In 1829, aged 20, he set out from London on a tour of Scotland with his Berlin friend Karl Klingemann. In Edinburgh Mendelssohn conceived the opening of his “Scottish” Symphony amid the ruins of Holyrood chapel. A meeting with Walter Scott turned out to be brief and perfunctory. Then, on August 8, the pair took the ferry from Tobermory, on Mull, to the island of Staffa, with its celebrated “Fingal’s Cave” (named after the hero of Ossian’s epic poems). Mendelssohn’s most famous overture had already been born the previous day, when he enclosed a sketch of the opening bars in a letter to his family: “To make you understand how extraordinarily the Hebrides affected me, the following came into my mind there.”

True to form, Mendelssohn took long to complete the overture and revised it twice before it finally satisfied him. In the process the name changed from Die einsame Insel (The Lonely Island) to Die Hebriden. In January 1832 he complained to his sister Fanny that “the would-be working-out of the movement smells more of counterpoint than of train oil, gulls, and salted cod…” The final version of the overture, heard tonight in the composer’s arrangement for piano duet, was premiered in London on May 14, 1832, and published as Fingalshöhle.

The first great Romantic musical seascape, Die Hebriden evokes the swells and ebbs of the ocean, its violent storms and its mysterious, shimmering calms, within a subtly organized sonata structure. The laconic opening motif, by turns smooth and turbulent, is developed with extraordinary poetic power. No less inspired is the way the broad, surging second theme becomes magically becalmed in the recapitulation and is then fleetingly recalled in the final bars.


Music under the Shadow of Death

Born in Moravia in December 1919, Gideon Klein showed precocious talent both as a pianist and a composer. After the Nazi occupation of Czechoslovakia in 1939 he occasionally managed to perform in public under an alias. He was offered a scholarship at the Royal Academy of Music in London in 1940—but by then it was too late. The following year Klein was deported to Theresienstadt (Terezín), along with other Jewish composers including Viktor Ullmann, Pavel Haas, and Hans Krása. Music-making was officially permitted, even encouraged, by the Nazis in this hideous “showcase” camp. Here Klein composed a String Quartet, a Piano Sonata, and a String Trio. In October 1944 he was transported to Auschwitz. Initially put to work in an adjacent coal mine, he was murdered, presumably in the gas chambers, on January 25, 1945.

Klein’s three-movement String Trio was his last work, completed in Theresienstadt days before he was packed on to the “liquidation transport.” Distantly influenced by Schoenberg, Janáček, and Martinů, the Trio is music of tremendous youthful vigor: colorful, inventive in its textures and always assured in its handling of a notoriously difficult medium. In the first movement Klein contrasts feverish perpetuum mobile figuration with a rough, rustic-sounding tune over a drone bass. You might also hear half-echoes of a klezmer band. The central Lento—the Trio’s expressive heart—unfolds as a set of eight vividly contrasted variations on a mournful Moravian folksong, while the finale (Molto vivace) refracts the spirit of Moravian folk and klezmer music through a distorting, dissonant prism.


Echoes of Bach

We move back almost exactly a century for Felix Mendelssohn’s Piano Trio in C minor, completed in April 1845 and dedicated to his fellow composer Louis Spohr. This piece has never been as popular as the D-minor Trio of 1839, perhaps because it lacks the earlier work’s instant melodic appeal. Yet in its outer movements, it is at least as fine as its companion. From its smoldering, swirling opening theme, introduced pianissimo by the keyboard in bare octaves over a deep cello pedal, the first movement is one of the most impassioned and tightly knit that Mendelssohn ever wrote. A fervent contrasting theme surges in fortissimo out of the first climax—a thrilling moment—before subsiding in lyrical meditation. The inspired coda begins in Brahmsian mystery and ends, after a torrential crescendo, in Beethovenian vehemence, with strings playing the opening theme at half speed in counterpoint with the piano.

The central movements, both examples of familiar Mendelssohnian types, provide necessary emotional respite. The Andante is a dreamy song-without-words that suggests a gently gliding barcarolle. Animated by darting, flickering string-keyboard exchanges, the third movement is the last of the “fairy” scherzos that Mendelssohn first made his own in the Octet. Like all good fairy scherzos, it vanishes into the ether. With some understatement, the composer informed his sister Fanny that this captivating movement was “rather fiendish to play.”

The finale is an original fusion of ancient and modern, and a reminder that Mendelssohn was a leading figure in the 19th-century Bach revival. Initiated by a leaping, angular cello theme that could almost be a Bachian gigue, it effortlessly integrates a serene chorale melody into the turbulent musical narrative. In the C-major coda Mendelssohn combines the gigue and the chorale, thundered out by the strings against piano tremolos, to create a majestic, orchestral-style apotheosis.


Songs without Words

Felix Mendelssohn’s sister Fanny was as gifted a child prodigy as her younger brother. Like him, she began to compose early, though whether by inclination or cultural pressure she mostly confined herself to piano miniatures and songs. In adulthood, Fanny Hensel, as she became known after her marriage, was famed not only for her musical talents but also for her formidable intellect and her intolerance of mediocrity, in any form. Visiting her home in 1842, the English composer William Sterndale Bennett recalled that he was “never so frightened to play to anyone before, and to think that this terrible person should be a lady. However, she would frighten many people with her cleverness.” After meeting her in March 1847, Clara Schumann wrote: “I have really taken a liking to Frau Hensel, and feel specially drawn to her musically; we are almost always in agreement, and her conversation is always interesting. The only slight problem is that one has first to get used to her rather abrupt manner.” Fanny, it seems, was not necessarily one to charm.

Given her family’s social eminence, it was well nigh impossible for Fanny to make a professional career in music. Her father Abraham declared roundly that “the only calling for a young woman is that of housewife.” While he acknowledged her creative gift, brother Felix was almost as discouraging (though he did publish a few of her songs under his name). Fanny’s musical self-confidence grew after her marriage, at 24, to the liberal-minded painter Wilhelm Hensel, who warmly encouraged her to compose. In 1846 she finally felt emboldened to publish a group of songs under her own name, writing to Felix: “I hope I won’t disgrace all of you through my publishing.” In May of the following year she died suddenly, of a stroke, aged just 41, while conducting a rehearsal of her brother’s cantata Die erste Walpurgisnacht. Already in weakened health, Felix never completely recovered from the shock and died six months later.

Fanny was a formidable pianist, in the class of her brother, and almost all of her works, including some 275 songs, involve her own instrument. Like Felix she produced volumes of Lieder ohne Worte for domestic consumption. In similar vein is the cycle of “twelve character pieces,” plus a postlude, titled Das Jahr (The Year), which she presented to her husband as a Christmas present in 1841. In a beautifully bound manuscript copy he provided vignettes for each of the months, to which Fanny added quotations from leading German poets.

Of the four “months” chosen by Elena Baskirova for this program, April is headed by lines from Goethe: “Der Sonnenblick betrüget mit mildem, falschem Schein” (The sunshine cheats us with its mild, false light). Fanny responds with music of capricious grace that includes references to at least two of her brother’s keyboard works—typical of the family in-jokes that thread through the cycle.

The skipping playfulness of May (subtitled “Spring Song”) does not exclude passing storm clouds, while June, prefaced by lines from Goethe’s Faust, is a euphoric evening serenade. We might expect July to yield a summer idyll. Fanny, though, has other ideas. Taking her cue from lines by Schiller (“Die Fluren dürsten nach erquickendem Tau, der Mensch verschmachtet”—The meadows thirst for refreshing dew, mankind languishes), she paints a graphic musical portrait of drought and exhaustion, suffused by gloomily drooping chromatic lines.


An Eloquent and Original Voice

While Fanny Hensel composed hundreds of songs and piano miniatures, by her own admission she lacked confidence in more extended forms. Yet she did produce two impressive chamber works: a Piano Trio, and a String Quartet in E flat, written in 1834 for private performance at her Berlin salon, and only published in 1988. While her Quartet owes something to Felix’s 1829 String Quartet in the same key, Op. 12, Fanny has an eloquent voice of her own. The poignant Adagio ma non troppo—an original opening to a string quartet in 1834—combines the spirit of a fantasia with taut motivic economy. Everything evolves logically from the movement’s opening phrases.

The C-minor Allegretto, with its delicate use of pizzicato, is a scherzo in all but name. In the major-keyed central episode the imitations rising from the depths of the cello seem to make fun of the gallumphing trio in Beethoven’s Fifth Symphony. The third movement is a Romantic intermezzo that can flare suddenly to passion, while the finale—another scherzo in spirit—is a restless moto perpetuo whose development recalls the Allegretto’s “Beethoven Fifth” episode.


Richard Wigmore is a writer, broadcaster, and lecturer specializing in Classical and Romantic chamber music and lieder. He writes for Gramophone, BBC Music Magazine, and other journals, and has taught at Birkbeck College, the Royal Academy of Music, and the Guildhall. His publications include Schubert: The Complete Song Texts and The Faber Pocket Guide to Haydn.

Die Künstler:innen

Elena Bashkirova
Klavier und künstlerische Leitung

Elena Bashkirova absolvierte ihr Klavierstudium am Moskauer Tschaikowsky-Konservatorium in der Klasse ihres Vaters Dmitri Bashkirov. Wichtige Impulse erhielt sie von Künstlern wie Pierre Boulez, Sergiu Celibidache, Christoph von Dohnányi und Michael Gielen. Eine enge und langjährige künstlerische Zusammenarbeit verbindet sie heute u.a. mit Lawrence Foster, Karl-Heinz Steffens, Ivor Bolton, Manfred Honeck und Antonello Manacorda. Neben Auftritten als Solistin mit Orchestern wie den Münchner Philharmonikern, den Wiener Symphonikern, dem Orchestre de Paris und dem Chicago Symphony Orchestra nimmt Kammermusik einen wichtigen Platz in ihrem Schaffen ein; regelmäßig arbeitet sie mit Sänger:innen wie Matthias Goerne, René Pape, Robert Holl, Dorothea Röschmann und Anna Netrebko. 1998 rief Elena Bashkirova das Jerusalem International Chamber Music Festival ins Leben, das sie seitdem als künstlerische Leiterin gestaltet. Seit 2012 findet in Berlin jährlich das Schwesterfestival Intonations statt. Mit dem Jerusalem Chamber Music Festival Ensemble gab Elena Bashkirova weltweit Gastspiele und war bei den Festspielen in Lucerne, Verbier und im Rheingau, beim Beethovenfest Bonn und beim Klavier-Festival Ruhr zu hören. Als Nachfolgerin des Dirigenten Kurt Masur wurde sie 2020 zur Präsidentin der Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Stiftung in Leipzig ernannt.

Dezember 2023


Clara-Jumi Kang
Violine

Clara-Jumi Kang begann ihr Violinstudium bereits im Kindesalter an den Musikhochschulen von Mannheim und Lübeck sowie an der New Yorker Julliard School und vervollständigte ihre Ausbildung später an der Korean National University of Arts und zuletzt bei Christoph Poppen an der Hochschule für Musik und Theater in München. Sie gewann erste Preise bei den Wettbewerben von Indianapolis, Sendai und Seoul und arbeitete als Solistin in jüngerer Vergangenheit u.a. mit dem Royal Stockholm Philharmonic Orchestra, dem Gürzenich-Orchester Köln, der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, dem BBC Philharmonic Orchestra und dem BBC National Orchestra of Wales bei den BBC Proms zusammen. In der aktuellen Saison gibt sie ihr Solo-Debüt beim Edinburgh Festival sowie mit dem Israel Philharmonic Orchestra und dem Budapest Festival Orchestra (beide unter der Leitnug von Lahav Shani), dem Los Angeles Philharmonic Orchestra, dem Detroit und dem Cincinnati Symphony Orchestra. Im vergangenen Monat gastierte sie mit den Münchner Philharmonikern und Myung-Whun Chung in Südkorea. Als Kammermusikerin gastiert Clara-Jumi Kang regelmäßig in den wichtigsten Konzertsälen der Welt und tritt dabei u.a. gemeinsam mit Künstler:innen wie Janine Jansen, Gidon Kremer und Mischa Maisky auf.

Dezember 2023


Madeleine Carruzzo
Violine

Madeleine Carruzzo wurde im schweizerischen Sion geboren und schloss ihr Violinstudium bei Tibor Varga an der Musikhochschule Detmold mit Auszeichnung ab. Von 1978 bis 1981 wirkte sie als Konzertmeisterin des Kammerorchesters Tibor Varga. 1982 wurde sie als erste Musikerin Mitglied der Berliner Philharmoniker, denen sie bis 2023 angehörte. Im Kammermusikrepertoire arbeitete sie neben Elena Bashkirova u.a. mit Yefim Bronfman, Sir András Schiff, Radu Lupu, Nikolaj Szeps-Znaider, Renaud Capuçon, Nobuko Imai, Gérard Caussée, Frans Helmerson und Boris Pergamenschikow zusammen und gastierte bei den Festivals in Salzburg, Lockenhaus, Schleswig-Holstein und Jerusalem. 2001 wurde sie mit dem Preis der Rünzi-Stiftung und 2012 mit dem Preis der Stadt Sion ausgezeichnet.

Dezember 2023


Michael Barenboim
Viola

Der in Paris geborene und in Berlin aufgewachsene Michael Barenboim studierte Violine bei Axel Wilczok an der Hochschule für Musik und Theater in Rostock sowie Philosophie an der Pariser Sorbonne. Neben seiner Beschäftigung mit dem klassisch-romantischen Repertoire widmet er sich insbesondere der zeitgenössischen Musik. Ihn verband eine langjährige künstlerische und persönliche Freundschaft mit Pierre Boulez, dessen Anthèmes 1 und 2 und Dérive 2 er 2015 zum 90. Geburtstag des Komponisten u.a. in Berlin, London, Paris und bei den Salzburger Festspielen aufführte. Er trat mit renommierten Orchestern wie den Berliner und Wiener Philharmonikern, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem Chicago Symphony Orchestra, dem Mahler Chamber Orchestra, dem Israel Philharmonic Orchestra und dem Los Angeles Philharmonic Orchestra auf und arbeitete dabei mit Dirigenten wie Zubin Mehta, Christoph Eschenbach, Gustavo Dudamel und Lorin Maazel zusammen. Zu seinen kammermusikalischen Partnern zählen u.a. Guy Braunstein, Frans Helmerson und Sir András Schiff. Außerdem tritt er regelmäßig gemeinsam mit seinen Eltern Daniel Barenboim und Elena Bashkirova auf. Im Jahr 2020 übernahm Michael Barenboim die Position des Bratschers im Michelangelo String Quartet. Er ist Konzertmeister des West-Eastern Divan Orchestra und rief im Jahr 2019 das West-Eastern Divan Ensemble ins Leben. Seit Juli 2020 wirkt er als Dekan an der Barenboim-Said Akademie, an der er auch eine Professur für Violine und Kammermusik innehat.

Dezember 2023


Xenia Jankovic
Violoncello

Die Cellistin Xenia Jankovic wurde im ehemaligen Jugoslawien geboren und studierte in Moskau bei Mstislav Rostropovich und Stefan Kalianov, in der Schweiz bei Pierre Fournier und Guy Fallot und in Deutschland bei André Navarra. Weitere wichtige Mentoren waren György Sebők und Sándor Vegh. Ihre Diskographie umfasst Werke von Bach, Beethoven, Brahms, Chopin, Franck, Dvořák, Debussy, Haydn, Elgar, Prokofjew, Chatschaturjan, Schostakowitsch und anderen. Als Kammermusikerin tritt sie regelmäßig bei renommierten Festivals auf und ist Mitglied des Hamlet Piano Trio, mit dem sie Werke von Mendelssohn, Beethoven und Schubert einspielte. Von 2006 bis 2017 war Xenia Jankovic künstlerische Leiterin des Festivals Musikdorf Ernen in der Schweiz. 2018 rief sie das Projekt Inspirimus ins Leben, zwei Jahre später das gleichnamige Ensemble, dem sie in jüngerer Zeit verstärkt ihre Aufmerksamkeit widmet. Sie ist Professorin an der Musikhochschule Detmold und gibt weltweit Meisterkurse.

Dezember 2023


Sunwook Kim
Klavier

Der Pianist Sunwook Kim machte erstmals 2006 mit dem Gewinn der renommierten Leeds International Piano Competition international auf sich aufmerksam. Zuvor konnte er bereits den Internationalen Klavierwettbewerb in Ettlingen sowie den Concours Clara Haskil für sich entscheiden. Seitdem gastierte er als Solist u.a. bei den Berliner Philharmonikern, dem London Symphony Orchestra, dem Concertgebouworchester, der Staatskapelle Dresden, dem Chicago Symphony, dem NDR Elbphilharmonieorchester, der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen und vielen weiteren führenden Klangkörpern unter Dirigent:innen wie Karina Canellakis, Nathalie Stutzmann, Jakub Hrůša, Sir Mark Elder, Paavo Järvi, David Afkham und Sir John Eliot Gardiner. Mit Klavierabenden wurde er u.a. an die Londoner Wigmore Hall, die Queen Elizabeth Hall, die Philharmonie de Paris, das Théâtre des Champs-Élysées, ans Beethovenhaus Bonn und zum Klavier-Festival Ruhr eingeladen. Sunwook Kims Diskographie umfasst Werke von Ludwig van Beethoven, César Franck, Johannes Brahms, Unsuk Chin und vielen anderen; gemeinsam mit der Geigerin Clara-Jumi Kang nahm er Violinsonaten von Beethoven auf. Neben seiner Laufbahn als Pianist studierte er auch Dirigieren an der Londoner Royal Academy of Music und leitete Konzerte u.a. mit dem Bournemouth Symphony Orchestra, dem Seoul Philharmonic und dem Macao Orchestra.

Dezember 2023

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