Siobhan Stagg Sopran
Jonathan Ware Klavier
Hildegard von Bingen
O vis aeternitatis
Gabriel Fauré
La Chanson d’Ève op. 95
Wolfgang Amadeus Mozart
Die ihr des unermesslichen Weltalls Schöpfer ehrt KV 619
Hildegard von Bingen
O quam mirabilis est
Joseph Haydn
Nun beut die Flur
aus Die Schöpfung Hob. XXI:2
Brett Dean
Doch war noch alles nicht vollbracht (…after Haydn…)
aus In This Brief Moment
Jean Sibelius
Luonnotar op. 70
Nikolai Medtner
Angel op. 1a
Praeludium op. 46 Nr. 1
Hildegard von Bingen (1098–1179)
O vis aeternitatis
Gabriel Fauré (1845–1924)
La Chanson d’Ève op. 95 (1906–10)
I. Paradis
II. Prima verba
III. Roses ardentes
IV. Comme Dieu rayonne
V. L’Aube blanche
VI. Eau vivante
VII. Veilles-tu, ma senteur de soleil ?
VIII. Dans un parfum de roses blanches
IX. Crépuscule
X. Ô Mort, poussière d’étoiles
Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791)
Die ihr des unermesslichen Weltalls Schöpfer ehrt KV 619 (1791)
Pause
Hildegard von Bingen
O quam mirabilis est
Joseph Haydn (1732–1809)
Nun beut die Flur
aus Die Schöpfung Hob. XXI:2 (1796–98)
Brett Dean (*1961)
Doch war noch alles nicht vollbracht (…after Haydn…)
aus In This Brief Moment (2020–21)
Jean Sibelius (1865–1957)
Luonnotar op. 70 (1913)
Nikolai Medtner (1880–1951)
Angel op. 1a (1908)
Praeludium op. 46 Nr. 1 (um 1922–24)
Hilma af Klint, Urchaos Nr. 16 (1906–07, Ausschnitt)
„Die Idee für dieses Programm“, erklärt Pianist Jonathan Ware, „war eine Meditation über die Idee des Beginns.“ Die Sopranistin Siobhan Stagg und er vermessen in ihrem Konzert das Kraftfeld der Schöpfung, von Haydns eher wörtlich-biblischer Schöpfung über Faurés feministische Nacherzählung des Schöpfungsmythos aus der Sicht Evas bis hin zu Brett Deans musikalischer Darstellung eines Weltanfangs, der nicht der Hand Gottes bedarf.
Essay von Kerstin Schüssler-Bach
Evas Lied
Musikalische Schöpfungsgeschichten aus fünf Jahrhunderten
Kerstin Schüssler-Bach
Gabriel Faurés La Chanson d’Ève gibt dem heutigen Programm seinen Titel: Auf Gottes Geheiß schenkt die biblische Eva in diesem Liederzyklus allen Wesen einen Namen. So haucht sie der Schöpfung Individualität, ja eine Seele ein. Diese Vorstellung entspricht zwar nicht dem Alten Testament, variiert aber in einer wunderbaren Metapher den weiblichen Part bei der Entstehung des Lebens. „Evas Lied“ führt eben nicht auf die Spur des Sündenfalls oder redet dem Klischee einer „Femme fatale“ das Wort, sondern vermisst das Kraftfeld der Schöpfung, das sich aus dem unerklärbaren Miteinander von göttlichem Auftrag und menschlichem Handeln ergibt. „Die Idee für dieses Programm“, erklärt Pianist Jonathan Ware, „war eine Meditation über die Idee des Beginns. Schöpfungsmythen werden einander gegenübergestellt, von der eher wörtlich-biblischen Haydn-Arie aus der Schöpfung über Faurés feministische Nacherzählung des Schöpfungsmythos aus der Sicht Evas bis hin zu Brett Deans musikalischer Darstellung eines Weltanfangs, der nicht der Hand Gottes bedarf.“
Kraft der Ewigkeit
Hildegard von Bingen
Dem Dialog zwischen Gott und dem Menschen hat Hildegard von Bingen in ihren schwebenden Gesängen eine Stimme verliehen, die in ihrer rätselhaften Spiritualität bis heute fasziniert. Das außergewöhnliche Wirken der Benediktinerin als Universalgelehrte, Ärztin, Dichterin und Musikerin ist gut dokumentiert. Wohl schon in ihren letzten Lebensjahren, Ende des 12. Jahrhunderts, wurden große Teile von Hildegards Schriften, Briefen und Kompositionen von Schreibern in ihrem Kloster Rupertsberg bei Bingen zusammengetragen. Dieser sogenannte „Rupertsberger Riesencodex“ gilt als Vermächtnis der legendären Äbtissin, als „Reliquie und Ikone ihres Geistes“ (Michael Embach). Die fast 500 Seiten umfassende kostbare Handschrift umfasst auch Hildegards gesamtes musikalisches Werk: das geistliche Spiel Ordo virtutum und die Symphonia armonie celestium revelationum („Symphonie der Harmonie himmlischer Offenbarung“). In der Sammlung der Symphonia sind 77 liturgische Gesänge vereint, die in Neumen, also frühmittelalterlichen Notationszeichen überliefert sind. Siobhan Stagg und Jonathan Ware wählten zwei von ihnen aus: das Responsorium „O vis aeternitatis“ (O Kraft der Ewigkeit) und die Antiphon „O quam mirabilis est“ (O wie wunderbar). Beide Gesänge sind an den Schöpfergott gerichtet, der dem Menschen das Leben gab. Adams Sündenfall wird in Bezug gesetzt zur Erlösung durch die Fleischwerdung Christi. Die ursprünglich unbegleitet notierten Gesänge versieht Jonathan Ware mit einer Improvisation, „die den Eindruck eines Borduns mit harmonischem Fundament erzeugt“.
Pantheistische Natur
Gabriel Fauré
Schon als 20-Jähriger hat sich Gabriel Fauré mit dem Genre der „mélodie“ beschäftigt, mit der das französische Liedschaffen einen eigenen Weg genommen hat. La Chanson d’Ève, komponiert zwischen 1906 und 1910, markiert einen späten Höhepunkt in Faurés Passion für das Lied. Die mystischen Gedichtzeilen stammen von dem belgischen Symbolisten Charles van Lerberghe, und dessen geheimnisvoll offene Verse inspirierten Fauré zu ungewöhnlichen harmonischen Experimenten. Für seinen Zyklus wählte der Komponist zehn der fast 100 Gedichte umfassenden, 1904 veröffentlichen Sammlung Lerberghes aus, die in Fin-de-siècle-Manier um die Themen Liebe, Schönheit, Tod und Spiritualität kreisen. Mit seiner metaphernreichen Sprache steht Lerberghe dem Stil seines bekannteren Landsmanns Maurice Maeterlinck nahe, wie sich ja Belgien überhaupt als bemerkenswertes Zentrum des Jugendstils behauptete. „Ich war aufs tiefste von der suggestiven Atmosphäre beeindruckt, in der sich die Figuren bewegten“, befand etwa der Maler, Architekt und Designer Henry van de Velde über Lerberghes Wortkunst. Lerberghe lässt Eva im Garten Eden durch die Interaktion mit Gott lebendig werden – eines Adams bedarf es da nicht. Eva erfährt sich als Teil der pantheistischen Natur voll visionärer Chiffren von Sonnenglanz, Meereswellen und Rosenduft. Fauré fasst ihr Staunen über die Schönheit der Schöpfung in eine elegante, träumerische Stimmung. Schließlich verstummt Evas unschuldiger Gesang und sie geht sterbend in der Erde auf, zurück zu Gott.
Toleranz und Humanität
Wolfgang Amadeus Mozart
Wolfgang Amadeus Mozart lebte in einem Jahrhundert, in dem der Tod sehr präsent war. Nicht zuletzt durch die hohe Kindersterblichkeit: Von den sieben Kindern seiner Eltern überlebten nur er selbst und seine Schwester Nannerl. Mit gerade einmal 31 Jahren bezeichnete Mozart den Tod in einem berühmten Brief an seinen Vater als „wahren, besten Freunde des Menschen“: „Ich lege mich nie zu Bette, ohne zu bedenken, daß ich vielleicht (so jung als ich bin) den andern Tag nicht mehr sein werde, und es wird doch kein Mensch von allen, die mich kennen, sagen können, daß ich im Umgang mürrisch oder traurig wäre.“ Kurz vor seinem Tod komponierte Mozart eine Feier der Schöpfung und des Lebens in Die ihr des unermesslichen Weltalls Schöpfer ehrt. Die „kleine deutsche Kantate“ vom Juli 1791 ist, wie die parallel entstandene Zauberflöte, von den Idealen der Freimaurer geprägt. Mozart war Mitglied der Wiener Loge „Zur Wohltätigkeit“. Der Geheimbund der Freimaurer hatte sich die Werte der Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität auf die Fahnen geschrieben. Mozart musste jedoch auch Zeiten erleben, in denen ihre Logen zwangsweise geschlossen und Logenbrüder sogar verfolgt und ausgewiesen wurden. Der Text des elsässischen Kaufmanns und Sozialutopisten Franz Heinrich Ziegenhagen beschwört das gleichberechtigte Zusammenleben aller Menschen nach dem Ideal der Aufklärung. Auch Ziegenhagen war Freimaurer und hing der aufklärerischen Strömung des Deismus an: Nach dieser Vernunftreligion hat Gott zwar die Schöpfung vollzogen, sie dann aber sich selbst überlassen. Allein eigenverantwortliches Handeln des Menschen, nicht göttliche Offenbarung oder ein Erlösungsgedanke bestimmen nach dieser Auffassung den Lauf der Welt. Ziegenhagens Text ruft verschiedene Gottesnamen der Weltreligionen an: Jehova, Gott, Fu, Brahma. Die deistischen Vorstellungen breitete Ziegenhagen in seiner Lehre vom richtigen Verhältnisse zu den Schöpfungswerken, und die durch öffentliche Einfürung desselben allein zu bewürkende algemeine Menschenbeglükkung aus, die 1792 in Buchform erschien. Dort ist als Notenanhang auch die Hymne enthalten, die Mozart ein Jahr zuvor im Auftrag Ziegenhagens vertont hatte.
Es werde Licht
Joseph Haydn
Drei Jahre nach Drucklegung von Ziegenhagens Lehrbuch blickt Joseph Haydn in London durch das neuentwickelte Teleskop der Geschwister Caroline und Wilhelm Herschel. Bis zum Uranus kann man mit ihm sehen. Haydn ist sprachlos. Der Blick ins Universum eröffnet ihm ein neues Verständnis von Zeit und Raum – und soll ihn zur Komposition der Schöpfung angeregt haben. Was in den Oratorien Händels schon angelegt war, führte Haydn zu neuer Höhe: die Pracht und Monumentalität der lobpreisenden Chöre, die Bildhaftigkeit der tönenden Ideen und das emotionale Nacherleben biblischer Inhalte. Die Schöpfung erzählt von der Erschaffung der Welt in sechs Tagen aus der Sicht dreier Erzengel und des Menschenpaars Adam und Eva. Harmonisch umwerfend kühn beschreibt Haydn die „Vorstellung des Chaos“ und die schwarze Finsternis der Erde, ehe der Schöpfergott in strahlendem C-Dur sein Werk beginnt: „Es werde Licht – und es ward Licht!“ Weniger dramatisch geht es in der Arie Gabriels zu: Im anmutigen Siciliano-Rhythmus preist der Erzengel die Erschaffung der Pflanzen: Blumen, Früchte und Wald begrünen die Erde („Nun beut die Flur“). Haydn arbeitete bis zur Verausgabung an seinem monumentalen Werk: „Ich war auch nie so fromm, als während der Zeit, da ich an der Schöpfung arbeitete; täglich fiel ich auf meine Knie nieder und bat Gott, daß er mir Kraft zur glücklichen Ausführung dieses Werkes verleihen möchte.“ Lohn waren die gefeierte Wiener Uraufführung im April 1798 und ein Stammplatz im Chorrepertoire.
Ein kurzer Moment
Brett Dean
Der 1961 im australischen Brisbane geborene Brett Dean gehört zu den international meistaufgeführten Komponisten seiner Generation. Als Bratscher war er 14 Jahre lang Mitglied der Berliner Philharmoniker. Deans expressive Musik, die sich zur erzählerischen Phantasie mit poetischer und politischer Grundierung bekennt, gewinnt Anregungen aus Literatur und bildender Kunst. Ökologische Probleme thematisiert er ebenso wie brennende gesellschaftliche Fragen. Daneben sucht Brett Dean häufig den Dialog mit musik- historischem Material. In seiner spektakulären „Evolutionskantate“ für Soli, Chor und Orchester In This Brief Moment umkreist er die Schönheit, aber auch die Gefährdung der Natur. Siobhan Stagg hat den Sopranpart im Werk ihres australischen Landsmanns bereits 2023 bei der deutschen Erstaufführung in Hamburg unter der Leitung von Alan Gilbert übernommen. Ausgehend von Charles Darwins Der Ursprung der Arten lassen Dean und sein Librettist Matthew Jocelyn viereinhalb Milliarden Jahre Erdgeschichte Revue passieren – bis der Mensch die Erde betritt. Und ihm reicht „dieser kurze Moment“, um mit verheerenden Folgen in die Schöpfung einzugreifen. Am Ende des dritten, vorletzten Teils vertont Dean ein Fragment aus Gottfried van Swietens Text zu Haydns Schöpfung: Er leitet dort, gesungen vom Erzengel Raphael, das Erscheinen des Menschen ein, als „das Geschöpf, das Gottes Werke dankbar sehen“ soll. Während Gott im darwinistischen Leitfaden von Deans Evolutionskantate ansonsten nicht vorkommt, ist dies die einzige Stelle im Werk, die auf einen Schöpfer jenseits des biologistischen „survival of the fittest“ verweist. Deans Vertonung verwendet kein musikalisches Zitat. In nachdenklichem Parlando, aber auch mit großen lyrischen Bögen bietet dieser ariose Moment einen kurzer Reflex der zwiespältigen menschlichen Handlungen.
Tochter der Luft
Jean Sibelius
Die raue finnische Version des Schöpfungsmythos wird im Epos Kalevala erzählt: uralte Lieder, die in den Wäldern Kareliens von Generation zu Generation mündlich überliefert worden waren. Zehntausende dieser Verse wurden um 1830 von dem Arzt Elias Lönnrot aufgezeichnet. Auf diese dunkel raunenden Worte aus heidnischer Zeit reagierten zunächst die Sprachforscher Europas mit Begeisterung – Jacob Grimm widmete dem Kalevala eine Rede, und später zählte auch J.R.R. Tolkien zu den vielen Bewunderern des Werks. Für die Identitätsbildung Finnlands spielte das Epos dann vor allem im Zeitalter der Nationalromantik eine herausragende Rolle. Jean Sibelius war fasziniert vom Kalevala, seit er es als Student gelesen hatte. Dies erscheint umso bemerkenswerter, als er – wie damals in den gebildeteren Schichten Finnlands üblich – mit der schwedischen Sprache aufwuchs und erst mit Anfang zwanzig einigermaßen fließend Finnisch beherrschte. Die uralten Runen wiesen ihm den Weg zu einem eigenen Idiom, das er in seinen vom Kalevala inspirierten Werken ausformulierte: der Chorsymphonie Kullervo (1892), der Lemminkäinen-Suite (1895–97), der Solokantate Luonnotar (1913) und seinem letzten veröffentlichen Orchesterwerk Tapiola (1926). Von einer karelischen Runensängerin hatte sich Sibelius in den besonderen Vortragsstil des Kalevala und seiner kleinteilig variierenden Melodien einweihen lassen. Luonnotar ist auf die Stimme der finnischen Sängerin Aino Ackté zugeschnitten, die 1913 die erfolgreiche Uraufführung im englischen Gloucester gestaltete. Auch wenn sie die „wahnsinnigen Schwierigkeiten“ des Stücks beklagte, so überlieferte sie doch, wie fasziniert das Publikum auf das mystische Werk reagierte: „Es war wie ein fremder Adler, der Ursprung aller Existenz aus dem Urweltall“. Der zugrundeliegende Schöpfungsmythos besingt, wie Luonnotar, die Tochter der Luft, auf die Erde herabsteigt und die Meere durchstreift. Plötzlich erhebt sich ein großer Sturm, und Luonnotar bittet Ukko, den Vater des Himmels, um Hilfe. Ukko schickt ihr einen Seevogel. Um ihm einen Platz zum Nisten zu schaffen, hebt Luonnotar ihr Knie aus dem Wasser. Die Eier rollen ins Wasser und zerbrechen – doch aus den Scherben der Eierschale entstehen Himmel und Erde, die Sonne, der Mond und die Sterne.
Das Menschliche und das Göttliche
Nikolai Medtner
Zu den abschließenden Stücken von Nikolai Medtner hat Jonathan Ware sehr persönliche Worte gefunden: „Diese beiden Lieder haben wir ganz einfach deshalb ins Programm aufgenommen, weil sie zwei meiner Lieblingsstücke sind. Der Engel hat einen besonders schönen Text: Ein singender Engel bringt eine menschliche Seele auf die Erde, um das Leben beginnen zu lassen, und sein ganzes Leben lang erinnert sich dieser Mensch an den himmlischen Gesang, gegen den alle irdische Musik verblasst. Es geht in diesem Stück um die Musik selbst und die Sehnsucht, die sie als Versprechen des Ewigen erzeugt. Was das zweite Lied betrifft, gefällt mir auch der Gedanke, ein Konzert mit einem Präludium zu beenden. Goethes Text passt hier perfekt – eine pantheistische Meditation darüber, wie das Drängen in Ruhe aufgeht, nachdem potenziell unbeantwortbare Fragen über die letzten Dinge gestellt wurden.“ Der in Moskau geborene Medtner emigrierte 1921 zunächst nach Berlin, später lebte er in Frankreich und England. Doch richtig heimisch wurde er in Westeuropa nicht, und auch seine Musik hat hier bis heute nicht die ihre gebührende Aufmerksamkeit gefunden. Umso schöner also, dass Jonathan Ware und Siobhan Stagg zwei der hinreißendsten Lieder dieses „letzten Romantikers“ vorstellen. Der Text zu Der Engel – Medtners erstes veröffentlichtes Werk überhaupt – stammt von Michail Lermontow. Goethe wiederum gehörte zu den oft vertonten Hausgöttern des Komponisten, dessen Familie deutsche Wurzeln hatte. Das 1926 veröffentlichte Praeludium feiert die im aphoristisches Gedicht besungene Lebenslust mit aufrauschenden Klavierfigurationen. Medtner, der das Lied 1950 mit der Sopranistin Elisabeth Schwarzkopf aufnahm, krönt die letzten Takte mit einem triumphalen „Halleluja“. Das Wort steht nicht bei Goethe, schafft aber einen wunderbaren Abschluss dieses Programms, der uns zum Miteinander von Menschlichem und Göttlichem zurückführt.
Dr. Kerstin Schüssler-Bach arbeitete als Opern- und Konzertdramaturgin in Köln, Essen und Hamburg und hatte Lehraufträge an der Musikhochschule Hamburg und der Universität Köln inne. Beim Musikverlag Boosey & Hawkes in Berlin ist sie als Head of Composer Management tätig. Sie schreibt regelmäßig für die Berliner Philharmoniker, die Elbphilharmonie Hamburg, das Lucerne Festival und das Gewandhausorchester Leipzig. 2022 erschien ihre Monographie über die Dirigentin Simone Young.
Hilma af Klint, Der siebenzackige Stern (1908)
Cosmology has been the province of philosophers, theologians, and scientists since time immemorial. Musicians, too, have played a role in exploring the wonder of creation and humankind’s place in the cosmos. Siobhan Stagg and Jonathan Ware present songs of creation from the 12th to the 21st centuries.
Essay by Harry Haskell
Beginnings
Songs of Creation from the 12th to the 21th Centuries
Harry Haskell
Cosmology has been the province of philosophers, theologians, and scientists since time immemorial. Musicians, too, have played a role in exploring the wonder of creation and humankind’s place in the cosmos. For Christians in the 12th century, when Hildegard von Bingen established her famous convent at Rupertsberg, in western Germany, God was the source of all creation and the universe was timeless, infinite, and ultimately unfathomable. By the time of Haydn and Mozart, six centuries later, natural scientists were calculating the age of the earth in tens of thousands of years. That figure would rise exponentially in the course of the 19th and 20th centuries, as evolution, relativity, the so-called Big Bang, and other scientific theories and discoveries arose to challenge both the biblical and the Enlightenment accounts of creation. On current estimates, the earth is roughly 4.5 billion years old, a timeframe that forms the backdrop for Brett Dean’s 2022 cantata In This Brief Moment.
A German Benedictine nun renowned for her ecstatic spirituality and powers of prophecy, Hildegard von Bingen recorded her visions in vividly imagistic religious poems that she later set to music of an equally individualistic character. “O vis aeternitatis” (O Power of Eternity) and “O quam mirabilis est” (O How Wonderful It Is) are monophonic—that is, single-voice—chants built on recurring melodic formulas. The former, a rhapsodic meditation on the mystery of the Incarnation, features a threefold refrain that links the fall of Adam to Christ’s redemptive suffering on the cross. The latter expresses Hildegard’s belief that human beings stand at the apex of creation, endowed with independent agency yet interconnected with God’s “every work reflected whole within that human form.” What one scholar calls Hildegard’s “ecological theology” has made her a hero to modern environmentalists, and her chants are themselves part of the creation story of Western music.
From Dawn to Dusk
Although Gabriel Fauré earned the respect of his teacher, Camille Saint-Saëns, most of France’s late 19th–century musical establishment held him at arm’s length. Ambroise Thomas, the powerful director of the Paris Conservatoire, regarded him as a dangerous revolutionary, and even Franz Liszt, ordinarily the most open-minded of judges, rejected his Ballade for piano and orchestra as excessively difficult. Not until 1896, when he was 51 years old, did the Conservatoire bring him on board as professor of composition and, nine years later, director. Fauré forged a uniquely personal voice, free of both the stultifying traditionalism and the self-aggrandizing pomposity of the French academic style. His music, as epitomized by works like his famous Requiem and the Pavane for orchestra, is distinguished by its lucidity and refinement, its utter lack of bombast and pretension, and its mild-mannered unconventionality in matters of form, harmony, rhythm, and thematic development.
Fauré was no less individualistic in his religious faith. According to his son, he believed in a beneficent divinity but rejected the stern, judgmental God of the Catholic Church. No doubt that explains his attraction to La Chanson d’Ève (The Song of Eve), a collection of lyrics by the Belgian poet Charles van Lerberghe published in 1904. An avowed atheist, Van Lerberghe depicted Eve not as Adam’s accomplice in original sin but as “a feminine soul, very sweet and pure, very tender, very dreamy, very wise and at the same time very voluptuous, very capricious, very fantastic.” In 1906, Fauré published a standalone setting of the poet’s Crépuscule (Twilight), and over the next four years he added nine more poems to make a song cycle. “My text is difficult,” he told his wife, “…and then I have to make God the Father speak, and Eve, his daughter. Ah! It’s not very convenient when one has to deal with such important personages.” La Chanson d’Ève was the composer’s characteristically iconoclastic take on the creation myth. As the pianist Graham Johnson writes, “Fauré, not yet as old as Haydn when he wrote Die Schöpfung, undertakes nothing less than a ‘Creation’ of his own.”
Yet Fauré’s creation story owes less to the biblical Garden of Eden than to the hot-house fruits of Van Lerberghe’s symbolist imagination. Spanning a single day, La Chanson d’Ève traces a half-hour-long arc from dawn to dusk, here depicted as twin aspects of twilight, one pregnant with possibility, the other signifying the cosmic abyss to which Eve ultimately consigns her soul. As the title suggests, this is her story from beginning to end, with Adam and even God banished to the periphery. Fauré’s protagonist is not the temptation-prone first woman of Christian lore but a vital life force who is at one with all of creation. When Eve first finds her voice in Prima verba (First Words), it is not to praise God but to apostrophize the stars, the sea, and the sun, the “supreme force” in which her soul “reaches its [lower-case] god.” Fauré’s protean harmonies and supple, speech-like melodies are exquisitely matched to Van Lerberghe’s animistic vision.
The Works of Creation
As children of the Enlightenment, Mozart and Haydn embraced the rationalist, egalitarian ideals of Freemasonry. Although Haydn’s association with the Masons was brief and perfunctory, Mozart was an active member of the fraternal organization in the last seven years of his life. In addition to his “masonic opera” Die Zauberflöte, he wrote a number of works for masonic ceremonies and other occasions, including the short solo cantata Die ihr des unermesslichen Weltalls Schöpfer ehrt (You Who Honor the Creator of the Infinite Universe). It was commissioned in 1791 by Franz Heinrich Ziegenhagen, a German industrialist and Freemason who aimed to establish a utopian commune in Alsace based on principles he had expounded in a treatise titled Lehre vom richtigen Verhältnis zu den Schöpfungswerken (The Doctrine of the Right Relationship with the Works of Creation). Mozart’s cantata—a sequence of lyrical utterances punctuated by recitatives— is in the “pure” key of C major associated with Masons who had attained the rank of Master. Ziegenhagen’s libretto is a paean to universal love and brotherhood—and a thinly veiled attack on the Catholic Church, “the mantle that cloaks humanity into schisms.”
By all accounts, Haydn’s Catholicism was as simple as it was sincere. “He was very strongly convinced in his heart that all human destiny is under God’s guiding hand, that God rewards good and evil, and that all talents come from above,” wrote his friend and biographer Georg August Griesinger. To the composer of the profoundly humanistic oratorio The Creation (1797–8), religious doctrine was of secondary importance; as Haydn told a correspondent who praised his musical re-enactment of the creation, he wanted nothing more than to give “peace and rest” to “the man bowed down by care” or “burdened with business matters.” The gently swaying siciliana rhythm and florid coloratura of “Nun beut die Flur” (With Verdure Clad), sung by the angel Gabriel, celebrates the third day of creation in the words of a German text based on Milton’s Paradise Lost. On tonight’s program, the aria is prefaced by an extract from the “evolution cantata” In This Brief Moment by the contemporary Australian composer and violist Brett Dean. The spirits of Haydn and Milton hover above Dean’s work, which he describes as “both a love-song and a lament. It is our opportunity to marvel at what has been, what that has become, and what might well be lost.”
Cosmic Sounds
Jean Sibelius’s Luonnotar, set to a text drawn from Finland’s national folk epic, reflects a darker and distinctively Nordic perspective on the creation myth. In the Kalevala, the goddess Luonnotar, known as “Daughter of the Sky,” descends from the “spacious emptiness” to the terrestrial ocean. A seabird, seeking refuge from a raging tempest, nests on her knee and lays its eggs, whose storm-scattered fragments subsequently give birth to the earth and cosmos. Nothing could be farther from the biblical paradise of Haydn’s Creation than Sibelius’s stark vision of an inchoate world struggling to be born. He composed Luonnotar in 1913 for the Finnish soprano Aino Ackté as a companion piece to the final scene from Richard Strauss’s Salome. Originally conceived for full orchestra, this short, single-movement tone poem is as hauntingly otherworldly—and nearly as harmonically adventurous—as Strauss’s opera. The plaintive sighs of the soprano soloist, supplemented by the insistently repeated motifs in the accompaniment, conjure a primeval atmosphere of barely contained chaos that even the final consonant chord fails to dispel.
Nikolai Medtner began his piano studies at age six and graduated from the Moscow Conservatory with top honors in 1900. A few years later he gave up a promising career as a touring virtuoso and teacher to focus on composition. His extensive catalogue of works— all written for the piano, either solo or in ensemble—ranges from concertos to chamber music and more than 100 songs. Deeply conservative in both his musical aesthetics and his social outlook, Medtner opposed the Bolshevik regime and left Russia for good in 1921; he spent the last years of his life in London, pining for the homeland that had turned its back on him. The two songs that conclude our program, featuring texts by Mikhail Lermontov and Johann Wolfgang von Goethe, reflect his fundamentally Romantic sensibility. The languid vocal line of Angel glides above the piano’s shimmering triplets in a “sweet song of heavenly beauty and bliss.” In Praeludium, the piano’s restless, roiling passagework suggests Goethe’s “eternal cycles of the universe” as Medtner’s hymn to creation surges to an ecstatic climax.
A former performing arts editor for Yale University Press, Harry Haskell is a program annotator for Carnegie Hall in New York, the Brighton Festival in England, and other venues, and the author of several books, including The Early Music Revival: A History, winner of the 2014 Prix des Muses awarded by the Fondation Singer-Polignac.

Siobhan Stagg
Sopran
Nach dem Studium an der Universität Melbourne begann die australische Sopranistin Siobhan Stagg ihre Laufbahn beim Young Singers Project der Salzburger Festspiele und als Ensemblemitglied an der Deutschen Oper Berlin. Seitdem gastierte sie u.a. am Londoner Royal Opera House, an der Lyric Opera of Chicago, der Komischen Oper Berlin, den Staatsopern in Hamburg, München und Berlin, am Opernhaus Zürich sowie beim Festival d’Aix-en-Provence. In der aktuellen Saison ist sie u.a. als Angelica in einer Neuproduktion von Händels Orlando am Théatre du Châtelet Paris sowie mit ihrem Rollendebüt als Despina in Così fan tutte und in der Uraufführung von Unsuk Chins neuer Oper The Dark Side of the Moon an der Hamburgischen Staatsoper zu erleben. Außerdem gastiert sie als Solistin beim London Symphony Orchestra, dem Gürzenich Orchester Köln und dem Münchner Runfunkorchester. Seit 2020 ist Siobhan Stagg Vorstandsmitglied des Melba Opera Trust, dem führenden Förderprogramm Australiens für junge Sänger:innen und Pianist:innen.
Oktober 2024

Jonathan Ware
Klavier
Jonathan Ware erhielt seine Ausbildung an der Eastman School of Music in Rochester, der Juilliard School in New York und der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin. Er ist Preisträger renommierter Wettbewerbe, u.a. gewann er 2014 zusammen mit dem Bariton Ludwig Mittelhammer den Liedwettbewerb der Internationalen Hugo-Wolf-Akademie Stuttgart sowie die Klavierpreise des Wettbewerbs „Das Lied“ und der International Song Competition an der Londoner Wigmore Hall, wo er seitdem regelmäßig auftritt. Gastspiele führten ihn darüber hinaus in die Carnegie Hall in New York, ins Konzerthaus Berlin, das Concertgebouw Amsterdam, die Elbphilharmonie, die Philharmonien in München und Köln, an die Mailänder Scala, zu den Festivals in Ravinia, im Rheingau und in Aldeburgh sowie zu den Berliner Festspielen. Zu seinen künstlerischen Partner:innen zählen dabei neben Siobhan Stagg u.a. Golda Schultz, Dame Ann Murray, Mojca Erdmann, Elsa Dreisig, Christiane Oelze, Benjamin Appl, Luca Pisaroni, Ema Nikolovska und Bejun Mehta. Jonathan Ware unterrichtet an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ und an der Barenboim-Said Akademie.
Oktober 2024