© Matěj Stránský
© Matěj Stránský
KÜNSTLER:INNEN
Programm
Johannes Brahms
Klarinettenquintett h-moll op. 115

Traumata in Israel und Palästina
Gabor Maté im Gespräch mit Macartan Humphreys
In englischer Sprache

In der Reihe der Wasmuth-Lectures nehmen Autor:innen aus den Künsten, aus Wissenschaft und Politik Stellung zu zentralen Fragen unserer Zeit. Die Reihe wird großzügig unterstützt von der Johannes Wasmuth Stiftung, die an den 1997 verstorbenen Galeristen, Kunstsammler und Kurator erinnert. Mit Gabor Maté ist 2024 einer der weltweit bedeutendsten Traumaforscher zu Gast.

Spätestens seit dem 7. Oktober 2023 ist der israelisch-palästinensische Konflikt wieder ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit gerückt. Der terroristische Angriff der Hamas forderte rund 1.200 israelische Todesopfer und mehr als 5.500 Verletzte auf israelischem Staatsgebiet – die Mehrheit von ihnen Zivilist:innen. 239 Geiseln wurden in den Gazastreifen entführt, viele von ihnen sind immer noch in Gefangenschaft der Hamas. Unter dem Krieg, den Israel seit dem 7. Oktober gegen die Hamas führt, leidet die palästinensische Zivilbevölkerung in katastrophalem Ausmaß. Mehr als 34.000 Palästinenser:innen sind bislang ums Leben gekommen, die meisten von ihnen Zivilist:innen. Etwa 77.000 Menschen wurden verletzt, es herrscht Hunger, weite Teile des Gaza-Streifens sind zerstört und unbewohnbar. Beinahe im Schatten dieses Kriegs eskaliert derweil die Gewalt im Westjordanland.

Die lange Geschichte des israelisch-palästinensischen Konflikts ist eng verflochten mit den vielfältigen historischen und gegenwärtigen Traumatisierungen der israelischen und der palästinensischen Gesellschaft. Die Shoah und die Jahrhunderte alte Geschichte des Antisemitismus haben bei der israelischen Bevölkerung über Generationen tiefe Spuren hinterlassen. Die Folgen der Nakba, Erfahrungen der Vertreibung und des Verlusts sowie eines Lebens unter Besatzung prägen Generationen von Palästinenser:innen. Die Gewalt des Jahrzehnte währenden Konflikts, Krieg, Terrorismus und ein Alltag im Ausnahmezustand formen kollektive und individuelle Erinnerungen auf beiden Seiten. Der Konflikt polarisiert Gesellschaften auch in anderen Teilen der Welt wie kaum ein anderes Thema – ein nuanciertes Gespräch über die Folgen von Krieg und Terror scheint an vielen Orten nicht mehr möglich zu sein.

Gabor Maté wurde kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs in Ungarn geboren und entkam nur knapp der Deportation durch die deutschen Besatzer. Er interpretiert den israelisch-palästinensischen Konflikt vor dem Hintergrund seiner eigenen Lebensgeschichte sowie aus der Sicht des Mediziners. Maté argumentiert mit der Geschichte – und den Geschichten – beider Seiten, wahrt dabei aber Distanz und zeigt gleichzeitig großes Einfühlungsvermögen. Er stößt bei Lesungen und Diskussionen in Amerika und Europa auf interessierte Zuhörer:innen, ganz gleich, woher sie stammen. Sein Gesprächspartner an diesem Nachmittag ist der irische Sozialwissenschaftler Macartan Humphreys, Direktor der Abteilung Institutionen und Politische Ungleichheit am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), der sich mit Untersuchungen zu politischen Institutionen, politischer Ungleichheit und Konflikten einen Namen gemacht hat.

Gabor Maté ist Arzt im Ruhestand und war zwei Jahrzehnte lang im Bereich der Familienmedizin und der Palliativversorgung tätig. Im Anschluss daran arbeitete er für mehr als zehn Jahre in Vancouvers Downtown Eastside mit drogenabhängigen Menschen und Patient:innen mit psychischen Erkrankungen. Er ist Autor von fünf Büchern, die in fast 40 Sprachen übersetzt wurden, darunter das mit Preisen ausgezeichnete In the Realm of Hungry Ghosts: Close Encounters with Addiction (dt. Im Reich der hungrigen Geister: Auf Tuchfühlung mit der Sucht), und international anerkannt für seine Vorträge zu Themen wie Sucht, Trauma, kindliche Entwicklung und dem Verhältnis von Stress und Erkrankung. Für seine grundlegende medizinische Arbeit und seine Veröffentlichungen wurde er mit dem Order of Canada, der höchsten zivilen Auszeichnung seines Heimatlandes, sowie dem Civic Merit Award seiner Geburtsstadt Vancouver geehrt. Sein jüngstes Buch, The Myth of Normal: Trauma, Illness and Healing in a Toxic Culture (dt. Vom Mythos des Normalen: Wie unsere Gesellschaft uns krank macht und traumatisiert) stand auf den Bestsellerlisten der New York Times und des Spiegel.

Macartan Humphreys ist Direktor der Abteilung Institutionen und Politische Ungleichheit am WZB in Berlin sowie Honorarprofessor an der Humboldt-Universität und am Trinity College Dublin. Seine Forschung befasst sich mit politischer Gewalt, ethnischer und rassistischer Diskriminierung und der Entwicklung in der Folge von Konflikten. Er hat zahlreiche Beiträge in Peer-Review-Zeitschriften veröffentlicht und ist Autor sowie Co-Autor von Büchern über ethnische Politik, Politik des Umgangs mit natürlichen Ressourcen und Spieltheorie. Er wirkt außerdem als Mitglied des Editorial Board der American Political Science Review und des Journal of Conflict Resolution.

In Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB)
Die Karteneinnahmen fließen in den Stipendienfond der Barenboim-Said Akademie.

Dauer der Veranstaltung: ca. 2h ohne Pause
PARTNER
VERANSTALTER & KARTENVERKAUF
Pierre Boulez Saal
Französische Straße 33 D
10117 Berlin
Saison 2023/24,
WASMUTH-LECTURE
Gabor Maté & Macartan Humphreys
Vergangene Veranstaltung
Pierre Boulez Saal
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