Yamen Saadi Violine
Julien Quentin Klavier

Programm

Fritz Kreisler
Originalkompositionen und Violinbearbeitungen
von Werken von Paganini, de Falla, Albéniz, Weber, Schumann, Mendelssohn, Dvořák, Heuberger und Brahms

Fritz Kreisler (1875–1962)
Caprice viennois für Violine und Klavier op. 2 (1910)

Recitativo und Scherzo-Caprice für Violine solo op. 6 (1911)

Recitativo. Lento con espressione – 
Scherzo. Presto e brillante

 

Eugène Ysaÿe (1858–1931)
Sonate für Violine solo e-moll op. 27 Nr. 4 „À Fritz Kreisler“ (1923)

I. Allemande. Lento maestoso
II. Sarabande. Quasi lento
III. Finale. Presto ma non troppo

 

Nicolò Paganini (1782–1840) / arr. Fritz Kreisler
Caprice Nr. 13 B-Dur

 

Fritz Kreisler
Petite Valse für Klavier solo

 

Manuel de Falla (1876–1946) / arr. Fritz Kreisler
Danse espagnole
aus der Oper La vida breve

 

Isaac Albéniz (1860–1909) / arr. Fritz Kreisler
Tango
Malagueña
aus der Suite España op. 165

 

Pause

 

Fritz Kreisler
Berceuse romantique für Violine und Klavier op. 9 (1916)

 

Carl Maria von Weber (1786–1826) / arr. Fritz Kreisler
aus der Violinsonate F-Dur

II. Romanze. Larghetto

 

Robert Schumann (1810–1856) / arr. Fritz Kreisler
Romanze für Violine und Klavier A-Dur op. 94 Nr. 2

 

Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847) / arr. Fritz Kreisler
Lied ohne Worte G-Dur op. 62 Nr. 1 Mailüfte

 

Richard Heuberger (1850–1914) / arr. Fritz Kreisler
Midnight Bells („Geh’n wir ins Chambre séparée“)
aus der Operette Der Opernball

 

Antonín Dvořák (1841–1904) / arr. Fritz Kreisler
Slawische Fantasie nach Themen von Antonín Dvořák

Slawischer Tanz op. 72 Nr. 2

 

Johannes Brahms (1833–1897) / arr. Fritz Kreisler
Ungarischer Tanz Nr. 17

 

Fritz Kreisler
La Gitana

Alt-Wiener Tanzweisen

I. Liebesfreud
II. Liebesleid
III. Schön Rosmarin

 

Marche miniature viennoise

Präludium und Allegro im Stil von Gaetano Pugnani

 

Fritz Kreisler (1875–1962)
Caprice viennois für Violine und Klavier op. 2 (1910)

Recitativo und Scherzo-Caprice für Violine solo op. 6 (1911)

Recitativo. Lento con espressione – 
Scherzo. Presto e brillante

 

Eugène Ysaÿe (1858–1931)
Sonate für Violine solo e-moll op. 27 Nr. 4 „À Fritz Kreisler“ (1923)

I. Allemande. Lento maestoso
II. Sarabande. Quasi lento
III. Finale. Presto ma non troppo

 

Nicolò Paganini (1782–1840) / arr. Fritz Kreisler
Caprice Nr. 13 B-Dur

 

Fritz Kreisler
Petite Valse für Klavier solo

 

Manuel de Falla (1876–1946) / arr. Fritz Kreisler
Danse espagnole
aus der Oper La vida breve

 

Isaac Albéniz (1860–1909) / arr. Fritz Kreisler
Tango
Malagueña
aus der Suite España op. 165

 

Pause

 

Fritz Kreisler
Berceuse romantique für Violine und Klavier op. 9 (1916)

 

Carl Maria von Weber (1786–1826) / arr. Fritz Kreisler
aus der Violinsonate F-Dur

II. Romanze. Larghetto

 

Robert Schumann (1810–1856) / arr. Fritz Kreisler
Romanze für Violine und Klavier A-Dur op. 94 Nr. 2

 

Felix Mendelssohn Bartholdy (1809–1847) / arr. Fritz Kreisler
Lied ohne Worte G-Dur op. 62 Nr. 1 Mailüfte

 

Richard Heuberger (1850–1914) / arr. Fritz Kreisler
Midnight Bells („Geh’n wir ins Chambre séparée“)
aus der Operette Der Opernball

 

Antonín Dvořák (1841–1904) / arr. Fritz Kreisler
Slawische Fantasie nach Themen von Antonín Dvořák

Slawischer Tanz op. 72 Nr. 2

 

Johannes Brahms (1833–1897) / arr. Fritz Kreisler
Ungarischer Tanz Nr. 17

 

Fritz Kreisler
La Gitana

Alt-Wiener Tanzweisen

I. Liebesfreud
II. Liebesleid
III. Schön Rosmarin

 

Marche miniature viennoise

Präludium und Allegro im Stil von Gaetano Pugnani

 

asset_imageFritz Kreisler (© Library of Congress, Washington D.C.)

Nostalgie und Virtuosität

Fritz Kreisler war ein Phänomen: als Geiger gefeiert wie ein Popstar, Komponist von Unterhaltungshits, geschäftiger Medienprofi. „Kreislers singender Ton, das Elastische seiner Phrasierung und des Rhythmusgebrauchs wurden zuallererst mit dem glaubwürdigen Charisma seiner Persönlichkeit verknüpft“, heißt es in der jüngsten Kreisler-Biografie. Yamen Saadis Hommage an den Jahrhundertgeiger spürt unterschiedlichen Facetten seines Werks nach.

Essay von Kerstin Schüssler-Bach

Nostalgie und Virtuosität
Hommage an Fritz Kreisler

Kerstin Schüssler-Bach


Fritz Kreisler war ein Phänomen: als Geiger gefeiert wie ein Popstar, Komponist von Unterhaltungshits, geschäftiger Medienprofi. Im 20. Jahrhundert sei er „für das Violinspiel bestimmend gewesen wie kein anderer“, bilanziert Joachim W. Hartnack in seinem Standardwerk Große Geiger unserer Zeit. Und Matthias Schmidt, Autor der jüngsten Kreisler-Biografie, erklärt: „Kreislers singender Ton, das Elastische seiner Phrasierung und des Rhythmusgebrauchs wurden zuallererst mit dem glaubwürdigen Charisma seiner Persönlichkeit verknüpft.“

Der gebürtige Wiener, Sohn eines assimilierten jüdischen Arztes und einer katholischen Mutter, war ein schöner Mann und eine elegante Erscheinung, zudem liebenswürdig und großzügig. Seine Ausstrahlung auf dem Podium muss geradezu elektrisierend gewesen sein. Hartnack erlebte Kreisler noch live: „Sein unverfälschter wienerischer Charme und die so eigenartig persönlich gefärbte Ansprache seines Tones, dessen Wohllaut durch das Instrument und durch das gespielte Werk hindurch einen direkten Blick auf das Herz dieses Mannes freizulegen schien, schufen stets einen so unmittelbaren Kontakt zwischen ihm und seinem Publikum, wie ich es bei keinem Künstler wieder erlebt habe.“

Wenn Kreisler in den 1920er Jahren in Berlin auftrat, waren die Konzerte sofort ausverkauft, und rund um die Alte Philharmonie in der Bernburger Straße stauten sich die Autos. In Amerika war er nicht weniger erfolgreich: Hier gab er schon als 13-Jähriger sein Debüt. Verheiratet mit der New Yorkerin Harriet Kreisler, die sich um das Management seiner Karriere kümmerte, lebte er abwechselnd in den USA und in Berlin. Nach 1933 trat er aus Solidarität mit verfolgten jüdischen Künstler:innen nicht mehr im „Reich“ auf und nahm erst die französische, dann die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Seine Villa in der Grunewalder Bismarckallee verließ er 1939 endgültig, sie wurde 1944 durch Bomben zerstört. In seiner Wahlheimat New York gab Kreisler 1947 sein letztes öffentliches Konzert. Gezeichnet durch einen Verkehrsunfall, litt er in seinen späteren Lebensjahren unter fast vollständigem Verlust des Gehörs und des Sehvermögens.

****

Kreisler hinterließ hunderte von Aufnahmen, die über fast fünf Jahrzehnte hinweg entstanden: Seine erste Berliner Phonographenaufzeichnung stammt von 1903, die letzte New Yorker Rundfunksendung aus dem Jahr 1950. Erst 1944 debütierte er im Rundfunk, doch das Medium der Schallplatte hatte er vor allem in den 1920er und 1930er Jahren schon intensiv genutzt. Mit seinen Aufnahmen verdiente er ein Vermögen, das er freilich durch Spiel und Spekulationen immer wieder einbüßte. Die Tondokumente offenbaren einen sinnlich-warmen Ton, ein charmantes Portamento, ausdrucksvolles Vibrato, einen kernigen Bogenstrich und einen freien Umgang mit Tempoübergängen. Unwillkürlich drängt sich das Bild der „guten alten Zeit“ auf, was auch mit dem eingespielten Repertoire zu tun hat. Häufiger als die Klassiker der Violinliteratur nahm Kreisler nämlich die selbstkomponierten oder arrangierten „Schmankerln“ auf, die auch heute noch als Zugabenstücke gerne gespielt werden. Sie verströmen einen goldenen Zauber, aber auch eine gewisse Nostalgie: Mit dem Klischee der wienerischen „Gemütlichkeit“ spielte Kreisler auch und gerade auf internationalem Parkett nur zu gerne.

Yamen Saadis Hommage an den eminenten Virtuosen bindet diese kleinen, aber feinen Perlen der Tonkunst in ein Programm ein, das Kreislers Können in allen Facetten nachspürt. Und selbst ein Echo von Kreislers Ton kommt heute Abend auf uns, denn Saadi spielt auf einer Violine, die dem Wiener Weltgeiger einst gehört hat: einer Stradivari von 1734, der „Ex Lord Amherst of Hackney, Ex Fritz Kreisler“. Unter den vielen Instrumenten, die Kreisler kaufte und wieder verkaufte, waren einige Guarneris und Stradivaris. Die „Ex Lord Amherst“ befand sich zwischen 1936 und 1944 in seinem Besitz.

****

Dass Saadi ein Werk von Nicolò Paganini aufs Programm gesetzt hat, beinhaltet ebenfalls eine Verbeugung vor Kreislers eindrucksvoller Instrumentensammlung: denn er besaß auch eine Kopie von Paganinis Lieblingsgeige, der „Cannone“-Guarneri aus den Händen des französischen Geigenbauers Jean-Baptiste Vuillaume. Die Werke des Teufelsgeigers waren selbstverständlicher Bestandteil von Kreislers Repertoire, wenngleich vor allem in Bearbeitungen. Den Capricen für Solovioline unterlegte Kreisler stützende Klavierbegleitungen – er war übrigens selbst ein „fixer Pianist“, wie der ältere Geigenpapst Joseph Joachim dem jungen Mann bescheinigt hatte. Paganinis Caprice Nr. 13, wegen ihrer chromatisch gleitenden Doppelgriffe auch „Teufelsgelächter“ genannt, spielte in Kreislers geschmeidigem Arrangement auch sein Kollege und Konkurrent Jascha Heifetz.

Als Herausgeber und Arrangeur brachte Kreisler außerdem selten gespielte Werke zurück ans Licht: Das Larghetto aus Carl Maria von Webers F-Dur-Violinsonate bearbeitete er, indem er das einschmeichelnde Thema nicht nur elegant phrasierte, sondern die Geigenstimme durch wesentliche Elemente des Klavierparts anreicherte und damit technisch und klanglich attraktiver machte.

Robert Schumanns Romanze op. 94 entstand 1849 als Weihnachtsgeschenk für seine Frau Clara in einer Fassung für Oboe und Klavier. Doch im Druck erschien schon damals eine alternative Solostimme für Klarinette oder Violine. In seinem Arrangement der balladenhaften Weise, die „einfach, innig“ zu spielen ist, beschränkte sich Kreisler vor allem auf Artikulationsvorgaben, veränderte aber die letzten Takte hin zur stärkeren Schlusswirkung. Clara Schumann gewidmet ist auch das fünfte Heft der „Lieder ohne Worte“ Felix Mendelssohn Bartholdys. Kreisler legte die Melodie der Nr. 1 auf die besonders warm klingende G-Saite, die tiefste der Violine.

****

Von Johannes Brahms’ Ungarischen Tänzen, original für Klavier zu vier Händen gesetzt, erschienen schon zu Lebzeiten des Komponisten zahlreiche Bearbeitungen. Kreisler transponierte die Nr. 17 von fis-moll nach f-moll und brachte die Themen wieder zurück auf die Geige – so, wie sie Brahms in seiner Jugend durch den ungarischen Geiger Eduard Reményi kennengelernt hatte. Kreisler war in Wien quasi in Brahms’ Schatten aufgewachsen: Er ist ihm wohl mehrfach persönlich begegnet, ob als Gast des Künstler-Stammtisches im Café Griensteindl oder als Interpret im Wiener Tonkünstlerverein. (Auch wenn Kreisler in der Ausschmückung biografischer Fakten mitunter recht erfinderisch war, darf man annehmen, dass er als Wunderkind, das mit sieben Jahren schon am Wiener Konservatorium studierte, tatsächlich früher oder später dem berühmten Wahlwiener vorgestellt wurde.)

Ebenso beliebt wie Brahms’ Ungarische Tänze waren Antonín Dvořáks Slawische Tänze. Über das reine Arrangieren ging Kreisler hinaus, als er Motive und Themen Dvořáks zu einer Slawischen Fantasie verarbeitete. Das erste Thema in betörend melancholischer Süße geht zurück auf das Lied „Als die alte Mutter“ aus Dvořáks Zyklus Zigeunermelodien.

Mit Bearbeitungen spanischer Tänze erweiterte Kreisler sein Repertoire an kurzen Charakterstücken um eine mediterrane Note. Unter dem Titel Danse espagnole veröffentlichte er seine Transkription des Zwischenspiels aus dem zweiten Akt der Oper La vida breve von Manuel de Falla. Der schnelle Wechsel vom gestrichenen Ton zum Pizzicato – als Imitation der Gitarre – macht hier besonderen Effekt. Aus Isaac Albéniz’ Klavierzyklus España wählte Kreisler die beiden Sätze „Tango“ und „Malagueña“ und verband aufreizende Rhythmen mit blühendem melodischen Duft. Dass er diese musikalische Sprache auch selbst zu sprechen wusste, zeigt seine iberisch beeinflusste Eigenkomposition La Gitana.

****

Das einzige Werk des heutigen Programms, an dem Kreisler weder als Komponist noch als Arrangeur beteiligt ist, stammt von Eugène Ysaÿe. Dessen Solosonate op. 27 Nr. 4 aus dem Jahr 1923 ist allerdings dem Kollegen gewidmet. Der belgische Geiger war nicht nur künstlerisches Idol des jungen Kreisler, er hat ihn auch gefördert. (Als der 24-Jährige bei seinem Debüt mit den Berliner Philharmonikern unter Arthur Nikisch das Violinkonzert von Mendelssohn spielte, saß Ysaÿe im Publikum.) Der franko-belgischen Geigerschule war Kreisler verbunden, seit er nach dem Studium bei Joseph Hellmesberger jr. 1885 zu Joseph Lambert Massart nach Paris gewechselt war.

Ein besonderer Fall im Kreisler’schen Œuvre sind seine 1910 veröffentlichten „Klassischen Manuskripte“: Er behauptete, durch einen Zufallsfund in einem Kloster auf unbekannte Preziosen des 18. Jahrhunderts gestoßen zu sein, die angeblich von Komponisten wie Couperin, Tartini oder Boccherini hinterlassen worden waren. Tatsächlich stammten sie aus Kreislers eigener Feder. Zu ihnen zählt auch das majestätische Präludium und Allegro im Stil von Gaetano Pugnani. Erst 1935 enttarnte der amerikanische Musikjournalist Olin Downes diese beliebten „Bearbeitungen“ als Eigenkompositionen ihres Interpreten. Kreislers Fans war der „Skandal“ jedoch ganz egal, und der Schöpfer selbst gab seinen musikalischen Schwindel sofort zu. Schon 1911 hatte Max Kalbeck zu den „Klassischen Manuskripten“ eine gelassene Meinung geäußert: „Mag der Historiker dazu sagen was er will, wenn nur der Aesthetiker einverstanden ist.“

****

Den unwiderstehlichen musikalischen Charme Fritz Kreislers lernt man am besten durch seine eigenen Wiener Miniaturen kennen: Liebesleid, Liebesfreud und Schön Rosmarin erschienen als Alt-Wiener Tanzweisen ebenfalls in der Sammlung der „Klassischen Manuskripte“. Mit ihnen stellt sich Kreisler in die Wiener Geigentradition des Schubert-Freundes Ignaz Schuppanzigh und seines Lehrers Hellmesberger und setzt seine eigene „klangliche Lebenswirklichkeit zwischen Musikverein, Revuetheater und Heurigenlokal“ (Matthias Schmidt) fort. Sentiment und Ländlerseligkeit, aber auch ein raffiniertes Spiel von Spannung und Entspannung bestimmen diese kleinen und klangvollen Werke. Auf den Pfaden von Johann Strauß wandelt Kreisler in der Marche miniature viennoise, während die Berceuse romantique mit französischem Parfum überrascht. Das Recitativo und Scherzo-caprice für Violine solo ist eines der technisch und musikalisch anspruchsvollsten Werke Kreislers und seinem Mentor Ysaÿe gewidmet. Einem schwerblütigen Rezitativ mit Trillerketten, linke-Hand-Pizzicato und Flageoletts folgt ein leichtfüßiges Scherzo, in dem gebrochene Akkorde und Läufe im Spiccato (mit geworfenem Bogen) einander jagen.

Nach Alt-Wien geht es noch einmal mit einem Arrangement aus Richard Heubergers Operette Der Opernball. Das Walzerduett „Geh’n wir ins Chambre séparée“ bearbeitete Kreisler unter dem Titel Midnight Bells so entzückend für Violine und Klavier, dass es schnell auch andere Geiger wie Carl Flesch auf Platte aufnahmen. Von Kreislers Petite Valse existiert eine Klavierrolle für mechanische Instrumente der Firma Ampico, auf der der Komponist selbst seine lässige Tempo-Elastizität demonstriert hat. Das Caprice viennois schließlich, komponiert 1910 – kurz vor der Uraufführung von Richard Strauss’ Rosenkavalier –, verbreitet mit seiner Terzenseligkeit im Walzertakt pure Wien-Nostalgie. Kreisler wusste, womit er seine Fangemeinde rund um den Erdball glücklich machen konnte.


Dr. Kerstin Schüssler-Bach arbeitete als Opern- und Konzertdramaturgin in Köln, Essen und Hamburg und hatte Lehraufträge an der Musikhochschule Hamburg und der Universität Köln inne. Beim Musikverlag Boosey & Hawkes in Berlin ist sie als Head of Composer Management tätig. Sie schreibt regelmäßig für die Berliner Philharmoniker, die Elbphilharmonie Hamburg, das Lucerne Festival und das Gewandhausorchester Leipzig. 2022 erschien ihre Monographie über die Dirigentin Simone Young.

Nostalgie und Virtuosität
Hommage an Fritz Kreisler

Kerstin Schüssler-Bach


Fritz Kreisler war ein Phänomen: als Geiger gefeiert wie ein Popstar, Komponist von Unterhaltungshits, geschäftiger Medienprofi. Im 20. Jahrhundert sei er „für das Violinspiel bestimmend gewesen wie kein anderer“, bilanziert Joachim W. Hartnack in seinem Standardwerk Große Geiger unserer Zeit. Und Matthias Schmidt, Autor der jüngsten Kreisler-Biografie, erklärt: „Kreislers singender Ton, das Elastische seiner Phrasierung und des Rhythmusgebrauchs wurden zuallererst mit dem glaubwürdigen Charisma seiner Persönlichkeit verknüpft.“

Der gebürtige Wiener, Sohn eines assimilierten jüdischen Arztes und einer katholischen Mutter, war ein schöner Mann und eine elegante Erscheinung, zudem liebenswürdig und großzügig. Seine Ausstrahlung auf dem Podium muss geradezu elektrisierend gewesen sein. Hartnack erlebte Kreisler noch live: „Sein unverfälschter wienerischer Charme und die so eigenartig persönlich gefärbte Ansprache seines Tones, dessen Wohllaut durch das Instrument und durch das gespielte Werk hindurch einen direkten Blick auf das Herz dieses Mannes freizulegen schien, schufen stets einen so unmittelbaren Kontakt zwischen ihm und seinem Publikum, wie ich es bei keinem Künstler wieder erlebt habe.“

Wenn Kreisler in den 1920er Jahren in Berlin auftrat, waren die Konzerte sofort ausverkauft, und rund um die Alte Philharmonie in der Bernburger Straße stauten sich die Autos. In Amerika war er nicht weniger erfolgreich: Hier gab er schon als 13-Jähriger sein Debüt. Verheiratet mit der New Yorkerin Harriet Kreisler, die sich um das Management seiner Karriere kümmerte, lebte er abwechselnd in den USA und in Berlin. Nach 1933 trat er aus Solidarität mit verfolgten jüdischen Künstler:innen nicht mehr im „Reich“ auf und nahm erst die französische, dann die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Seine Villa in der Grunewalder Bismarckallee verließ er 1939 endgültig, sie wurde 1944 durch Bomben zerstört. In seiner Wahlheimat New York gab Kreisler 1947 sein letztes öffentliches Konzert. Gezeichnet durch einen Verkehrsunfall, litt er in seinen späteren Lebensjahren unter fast vollständigem Verlust des Gehörs und des Sehvermögens.

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Kreisler hinterließ hunderte von Aufnahmen, die über fast fünf Jahrzehnte hinweg entstanden: Seine erste Berliner Phonographenaufzeichnung stammt von 1903, die letzte New Yorker Rundfunksendung aus dem Jahr 1950. Erst 1944 debütierte er im Rundfunk, doch das Medium der Schallplatte hatte er vor allem in den 1920er und 1930er Jahren schon intensiv genutzt. Mit seinen Aufnahmen verdiente er ein Vermögen, das er freilich durch Spiel und Spekulationen immer wieder einbüßte. Die Tondokumente offenbaren einen sinnlich-warmen Ton, ein charmantes Portamento, ausdrucksvolles Vibrato, einen kernigen Bogenstrich und einen freien Umgang mit Tempoübergängen. Unwillkürlich drängt sich das Bild der „guten alten Zeit“ auf, was auch mit dem eingespielten Repertoire zu tun hat. Häufiger als die Klassiker der Violinliteratur nahm Kreisler nämlich die selbstkomponierten oder arrangierten „Schmankerln“ auf, die auch heute noch als Zugabenstücke gerne gespielt werden. Sie verströmen einen goldenen Zauber, aber auch eine gewisse Nostalgie: Mit dem Klischee der wienerischen „Gemütlichkeit“ spielte Kreisler auch und gerade auf internationalem Parkett nur zu gerne.

Yamen Saadis Hommage an den eminenten Virtuosen bindet diese kleinen, aber feinen Perlen der Tonkunst in ein Programm ein, das Kreislers Können in allen Facetten nachspürt. Und selbst ein Echo von Kreislers Ton kommt heute Abend auf uns, denn Saadi spielt auf einer Violine, die dem Wiener Weltgeiger einst gehört hat: einer Stradivari von 1734, der „Ex Lord Amherst of Hackney, Ex Fritz Kreisler“. Unter den vielen Instrumenten, die Kreisler kaufte und wieder verkaufte, waren einige Guarneris und Stradivaris. Die „Ex Lord Amherst“ befand sich zwischen 1936 und 1944 in seinem Besitz.

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Dass Saadi ein Werk von Nicolò Paganini aufs Programm gesetzt hat, beinhaltet ebenfalls eine Verbeugung vor Kreislers eindrucksvoller Instrumentensammlung: denn er besaß auch eine Kopie von Paganinis Lieblingsgeige, der „Cannone“-Guarneri aus den Händen des französischen Geigenbauers Jean-Baptiste Vuillaume. Die Werke des Teufelsgeigers waren selbstverständlicher Bestandteil von Kreislers Repertoire, wenngleich vor allem in Bearbeitungen. Den Capricen für Solovioline unterlegte Kreisler stützende Klavierbegleitungen – er war übrigens selbst ein „fixer Pianist“, wie der ältere Geigenpapst Joseph Joachim dem jungen Mann bescheinigt hatte. Paganinis Caprice Nr. 13, wegen ihrer chromatisch gleitenden Doppelgriffe auch „Teufelsgelächter“ genannt, spielte in Kreislers geschmeidigem Arrangement auch sein Kollege und Konkurrent Jascha Heifetz.

Als Herausgeber und Arrangeur brachte Kreisler außerdem selten gespielte Werke zurück ans Licht: Das Larghetto aus Carl Maria von Webers F-Dur-Violinsonate bearbeitete er, indem er das einschmeichelnde Thema nicht nur elegant phrasierte, sondern die Geigenstimme durch wesentliche Elemente des Klavierparts anreicherte und damit technisch und klanglich attraktiver machte.

Robert Schumanns Romanze op. 94 entstand 1849 als Weihnachtsgeschenk für seine Frau Clara in einer Fassung für Oboe und Klavier. Doch im Druck erschien schon damals eine alternative Solostimme für Klarinette oder Violine. In seinem Arrangement der balladenhaften Weise, die „einfach, innig“ zu spielen ist, beschränkte sich Kreisler vor allem auf Artikulationsvorgaben, veränderte aber die letzten Takte hin zur stärkeren Schlusswirkung. Clara Schumann gewidmet ist auch das fünfte Heft der „Lieder ohne Worte“ Felix Mendelssohn Bartholdys. Kreisler legte die Melodie der Nr. 1 auf die besonders warm klingende G-Saite, die tiefste der Violine.

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Von Johannes Brahms’ Ungarischen Tänzen, original für Klavier zu vier Händen gesetzt, erschienen schon zu Lebzeiten des Komponisten zahlreiche Bearbeitungen. Kreisler transponierte die Nr. 17 von fis-moll nach f-moll und brachte die Themen wieder zurück auf die Geige – so, wie sie Brahms in seiner Jugend durch den ungarischen Geiger Eduard Reményi kennengelernt hatte. Kreisler war in Wien quasi in Brahms’ Schatten aufgewachsen: Er ist ihm wohl mehrfach persönlich begegnet, ob als Gast des Künstler-Stammtisches im Café Griensteindl oder als Interpret im Wiener Tonkünstlerverein. (Auch wenn Kreisler in der Ausschmückung biografischer Fakten mitunter recht erfinderisch war, darf man annehmen, dass er als Wunderkind, das mit sieben Jahren schon am Wiener Konservatorium studierte, tatsächlich früher oder später dem berühmten Wahlwiener vorgestellt wurde.)

Ebenso beliebt wie Brahms’ Ungarische Tänze waren Antonín Dvořáks Slawische Tänze. Über das reine Arrangieren ging Kreisler hinaus, als er Motive und Themen Dvořáks zu einer Slawischen Fantasie verarbeitete. Das erste Thema in betörend melancholischer Süße geht zurück auf das Lied „Als die alte Mutter“ aus Dvořáks Zyklus Zigeunermelodien.

Mit Bearbeitungen spanischer Tänze erweiterte Kreisler sein Repertoire an kurzen Charakterstücken um eine mediterrane Note. Unter dem Titel Danse espagnole veröffentlichte er seine Transkription des Zwischenspiels aus dem zweiten Akt der Oper La vida breve von Manuel de Falla. Der schnelle Wechsel vom gestrichenen Ton zum Pizzicato – als Imitation der Gitarre – macht hier besonderen Effekt. Aus Isaac Albéniz’ Klavierzyklus España wählte Kreisler die beiden Sätze „Tango“ und „Malagueña“ und verband aufreizende Rhythmen mit blühendem melodischen Duft. Dass er diese musikalische Sprache auch selbst zu sprechen wusste, zeigt seine iberisch beeinflusste Eigenkomposition La Gitana.

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Das einzige Werk des heutigen Programms, an dem Kreisler weder als Komponist noch als Arrangeur beteiligt ist, stammt von Eugène Ysaÿe. Dessen Solosonate op. 27 Nr. 4 aus dem Jahr 1923 ist allerdings dem Kollegen gewidmet. Der belgische Geiger war nicht nur künstlerisches Idol des jungen Kreisler, er hat ihn auch gefördert. (Als der 24-Jährige bei seinem Debüt mit den Berliner Philharmonikern unter Arthur Nikisch das Violinkonzert von Mendelssohn spielte, saß Ysaÿe im Publikum.) Der franko-belgischen Geigerschule war Kreisler verbunden, seit er nach dem Studium bei Joseph Hellmesberger jr. 1885 zu Joseph Lambert Massart nach Paris gewechselt war.

Ein besonderer Fall im Kreisler’schen Œuvre sind seine 1910 veröffentlichten „Klassischen Manuskripte“: Er behauptete, durch einen Zufallsfund in einem Kloster auf unbekannte Preziosen des 18. Jahrhunderts gestoßen zu sein, die angeblich von Komponisten wie Couperin, Tartini oder Boccherini hinterlassen worden waren. Tatsächlich stammten sie aus Kreislers eigener Feder. Zu ihnen zählt auch das majestätische Präludium und Allegro im Stil von Gaetano Pugnani. Erst 1935 enttarnte der amerikanische Musikjournalist Olin Downes diese beliebten „Bearbeitungen“ als Eigenkompositionen ihres Interpreten. Kreislers Fans war der „Skandal“ jedoch ganz egal, und der Schöpfer selbst gab seinen musikalischen Schwindel sofort zu. Schon 1911 hatte Max Kalbeck zu den „Klassischen Manuskripten“ eine gelassene Meinung geäußert: „Mag der Historiker dazu sagen was er will, wenn nur der Aesthetiker einverstanden ist.“

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Den unwiderstehlichen musikalischen Charme Fritz Kreislers lernt man am besten durch seine eigenen Wiener Miniaturen kennen: Liebesleid, Liebesfreud und Schön Rosmarin erschienen als Alt-Wiener Tanzweisen ebenfalls in der Sammlung der „Klassischen Manuskripte“. Mit ihnen stellt sich Kreisler in die Wiener Geigentradition des Schubert-Freundes Ignaz Schuppanzigh und seines Lehrers Hellmesberger und setzt seine eigene „klangliche Lebenswirklichkeit zwischen Musikverein, Revuetheater und Heurigenlokal“ (Matthias Schmidt) fort. Sentiment und Ländlerseligkeit, aber auch ein raffiniertes Spiel von Spannung und Entspannung bestimmen diese kleinen und klangvollen Werke. Auf den Pfaden von Johann Strauß wandelt Kreisler in der Marche miniature viennoise, während die Berceuse romantique mit französischem Parfum überrascht. Das Recitativo und Scherzo-caprice für Violine solo ist eines der technisch und musikalisch anspruchsvollsten Werke Kreislers und seinem Mentor Ysaÿe gewidmet. Einem schwerblütigen Rezitativ mit Trillerketten, linke-Hand-Pizzicato und Flageoletts folgt ein leichtfüßiges Scherzo, in dem gebrochene Akkorde und Läufe im Spiccato (mit geworfenem Bogen) einander jagen.

Nach Alt-Wien geht es noch einmal mit einem Arrangement aus Richard Heubergers Operette Der Opernball. Das Walzerduett „Geh’n wir ins Chambre séparée“ bearbeitete Kreisler unter dem Titel Midnight Bells so entzückend für Violine und Klavier, dass es schnell auch andere Geiger wie Carl Flesch auf Platte aufnahmen. Von Kreislers Petite Valse existiert eine Klavierrolle für mechanische Instrumente der Firma Ampico, auf der der Komponist selbst seine lässige Tempo-Elastizität demonstriert hat. Das Caprice viennois schließlich, komponiert 1910 – kurz vor der Uraufführung von Richard Strauss’ Rosenkavalier –, verbreitet mit seiner Terzenseligkeit im Walzertakt pure Wien-Nostalgie. Kreisler wusste, womit er seine Fangemeinde rund um den Erdball glücklich machen konnte.


Dr. Kerstin Schüssler-Bach arbeitete als Opern- und Konzertdramaturgin in Köln, Essen und Hamburg und hatte Lehraufträge an der Musikhochschule Hamburg und der Universität Köln inne. Beim Musikverlag Boosey & Hawkes in Berlin ist sie als Head of Composer Management tätig. Sie schreibt regelmäßig für die Berliner Philharmoniker, die Elbphilharmonie Hamburg, das Lucerne Festival und das Gewandhausorchester Leipzig. 2022 erschien ihre Monographie über die Dirigentin Simone Young.

asset_imageFritz Kreisler, 1917 (© Library of Congress, Washington D.C.)

“A Cosmic Cry of the Soul”

Fritz Kreisler has been a major influence on generations of violinists, including Yamen Saadi, who plays a 1734 Stradivari once owned by Kreisler and seeks to emulate what he calls the inimitable “sweetness” of Kreisler’s “sound and expression.” Together with pianist Julien Quentin, he celebrates Kreisler with a program of his rarely heard original compositions and his famous violin arrangements.

Program Note by Harry Haskell

“A Cosmic Cry of the Soul”
Yamen Saadi and Julien Quentin Celebrate Fritz Kreisler

Harry Haskell


Born less than a generation apart, Fritz Kreisler and Eugène Ysaÿe epitomized the cult of virtuosity that surrounded the concert-hall idols of the Romantic era. The two violinists were celebrated for the effortlessness of their technique and the warmth and purity of the tone they drew from their instruments. Historically, these qualities have long been associated with the Franco-Belgian school of violin playing; Kreisler’s vibrant, richly colored sound has been attributed in part to his so-called “French vibrato.” Kreisler had no formal instruction beyond age 12, and throughout his life he took a relaxed attitude toward practicing, sometimes setting his violin aside for months or even years at a time. Although Ysaÿe’s performing career was curtailed by physical ailments in the 1920s, he and Kreisler remained active on the concert stage into their 70s. And despite their shared aversion to shallow virtuosity, both men considered technical display part of the musician’s essential toolkit. As the composer-pianist Franz Liszt put it, “Virtuosity, far from being a monstrous excrescence, is an indispensable element of musical composition.”

In the realm of composition, Ysaÿe was the more significant figure of the two. Indeed, few performers have left a more lasting mark on the repertory for their instrument. Dozens of composers, chiefly French and Belgian, were inspired by Ysaÿe’s formidable technique, impeccable musicianship, and adventurous taste. By contrast, only a single major work, Edward Elgar’s monumental Violin Concerto in B minor, was dedicated to Kreisler. (He considered the Englishman the greatest living composer and the peer of his “idols,” Beethoven and Brahms.) Instead, he was chiefly influential as a role model for generations of violinists. Among them is Yamen Saadi, who plays a 1734 Stradivarius violin once owned by Kreisler and seeks to emulate what he calls the inimitable “sweetness” of Kreisler’s “sound and expression.” Although Kreisler’s technique grew increasingly erratic in later years, he remained a paragon of taste and elegance, revered, in the words of the violinist Mischa Elman, for “the life he put into every note he played.” Nor is his circle of admirers confined to violinists. “I have heard many musicians, but no music has moved me so fundamentally as Kreisler’s playing,” wrote the Hindu poet Rabindranath Tagore. “It is something more than marvelous execution, it is something more than exquisite tone; it is something more than perfect music—it is, in fact, a cosmic cry of the Soul from the realm of the External.”


Violinist and Composer

A child prodigy, Kreisler entered the Vienna Conservatory at age seven and graduated three years later with top honors. “The prodigy is pale, plain, but looks pretty intelligent,” Sigmund Freud wrote to his fiancée in the fall of 1885 from Paris, where young Fritz was continuing his studies at the Conservatoire under his mother’s watchful eye. The psychiatrist—who had heard about the ten-year-old wunderkind from Kreisler’s father, the Freuds’ family physician in Vienna—took a dim view of such arrangements. “Just imagine the expense, the separation, the dispersal of the household! Needless to say the poor woman, who is giving up everything for the boy, is bored to tears. Little wonder that parents grow vain about their children, and even less that such children grow vain themselves.” Contrary to Freud’s off-the-cuff analysis, Kreisler grew up to be anything but vain or self-centered. Out of respect for his father’s wishes, he put his budding musical career on hold for a full six years to pursue a well-rounded gymnasium education, followed by obligatory service in the Austrian army. Not until his early 20s did he pick up the violin again, making the long-deferred debuts with the Vienna and Berlin Philharmonics that launched his international career at the turn of the 20th century.

The Caprice viennois and Recitativo and Scherzo-Caprice are typical of the many short salon pieces that Kreisler composed to play as encores on his recitals. (He also wrote a handful of works in longer forms, including a string quartet and a frothy English-language operetta called Apple Blossoms, which ran for 256 performances on Broadway in 1919–20.) Caprice viennois, a tenderly lilting waltz for violin and piano drenched in Viennese sentiment, dates from 1910, the same year in which Kreisler premiered the concerto that Elgar had composed for him in London. The music showcases his famously luscious vibrato and sustained, evenly scaled double-stops. More overtly bravura in character is the unaccompanied Recitativo and Scherzo-Caprice of 1911, which Kreisler dedicated to Ysaÿe. Although the Belgian violinist famously opposed virtuosity for its own sake, the work’s sharply contrasting expressive modes—a dark, rhapsodic introduction followed by a playfully scintillating scherzo—was tailor-made for his pyrotechnical prowess. A year later Ysaÿe gave the Berlin premiere of Elgar’s Concerto in the presence of Kreisler and other leading violinists of the day.


Homage to Kreisler—and Bach 

Ysaÿe returned Kreisler’s compliment a decade later by dedicating his unaccompanied Sonata in E minor to his younger colleague. Born into a musical family in Liège in 1858, Ysaÿe was a protégé of the great violinists Henryk Wieniawski and Henry Vieuxtemps. By the end of the century, he had taken Europe and America by storm; among the major works written for or dedicated to him are string quartets by Debussy, Saint-Saëns, and d’Indy; Chausson’s Poème; sonatas by Franck and Lekeu; and Fauré’s Piano Quintet No. 1. Dvořák praised the “tremendous power and incomparable purity” of his playing, which can still be heard on the recordings he made late in life. Although Ysaÿe blazed a new path in violin technique, he fell out of sympathy with the direction music took in the early 20th century. “All my life I have been a rebel,” he remarked, “yet modern composition strikes me as chaotic.” Despite such reservations, he introduced American audiences to a number of modernist scores as conductor of the Cincinnati Symphony from 1918 to 1922. Ysaÿe’s own compositions were firmly rooted in the soil of late Romanticism. Most of his music features the solo violin, but his oeuvre also includes chamber and orchestral works, as well as an opera that was staged in Brussels shortly before his death in 1931.

It was the experience of hearing the Hungarian virtuoso Joseph Szigeti play one of Bach’s unaccompanied violin works after World War I that inspired Ysaÿe to write his Op. 27 Sonatas in the early 1920s. Each of the six solos bears a dedication to one of Ysaÿe’s fellow virtuosos, while paying homage to the Baroque master in its intricate passagework, contrapuntal textures, and cleverly simulated polyphony. The Sonata No. 4 alludes to the 18th century in the titles of its first two movements as well; the majestic Allemande and solemn Sarabande are thematically linked by a four-note motto that runs throughout the musical fabric like a thread, rising and falling stepwise. Even Ysaÿe’s tonal harmonies are mostly straight out of Bach’s book, despite the occasional chromatic passage hinting at a more up-to-date sensibility. The brilliant finale, a torrent of cascading scales and broken-chord figurations, is interrupted by a dance-like triple-time section in G major marked giocosamente (playfully). In its blend of Baroque elegance and pyrotechnical bravura, the E-minor Sonata exemplifies Ysaÿe’s goal of “combining musical interest with virtuosity on a large scale.”


Arranger and Mimic 

As a creative artist, Kreisler’s strong suit was his ability to evoke, and sometimes mimic, the styles of other composers without completely submerging his own voice. Berceuse romantique, for instance, is essentially an updating of a 19th-century character piece: a tranquil lullaby alternates with shorter episodes of a more impassioned, impulsive character. The Prelude and Allegro in the Style of Gaetano Pugnani reflects a different aspect of his persona. Years before most of his fellow violinists rediscovered the pre-Classical repertoire, Kreisler had been in the habit of featuring in his concerts a group of short pieces purportedly written by 17th- and 18th-century composers. Critics and even a few scholars applauded his modest contribution to the early music revival, little suspecting that more than a dozen of these pieces by sundry “old masters” had been penned by the violinist himself. Kreisler made little attempt to mask his fraudulent identities and readily pleaded guilty when a critic for the New York Times stumbled onto the secret in 1935. (Several of his musician friends had apparently been in on it for years.) He explained that he had needed pieces to fill out his recitals as a young man and adopted various pseudonyms because he considered it “impudent and tactless to repeat my name endlessly on the programs.”

Throughout his career Kreisler also made straightforward arrangements of other composers’ music, like those heard at the end of tonight’s program, and advertised them as such. But the pseudo-Pugnani Prelude and Allegro and other not-so-innocent deceptions were another kettle of fish. Kreisler was both amused and aghast to find his bogus compositions accepted at face value by people who should have known better, especially in view of his frank admission that he had “made no endeavor to stick closely to the style of the period to which they were alleged to date.” Far from apologizing for his hoax, he claimed that he had done the musical world a service, for “who ever had heard a work by Pugnani, Cartier, Francoeur, Porpora, Louis Couperin, Padre Martini or Stamitz before I began to compose in their names? They lived exclusively as paragraphs in musical reference books, and their work, when existing and authenticated, lay moldering in monasteries and old libraries.” It is a testament to Kreisler’s skill as both composer and mimic that the brilliant Prelude and Allegro became one of the most popular and widely taught works in the violin repertory.


A former performing arts editor for Yale University Press, Harry Haskell is a program annotator for Carnegie Hall in New York, the Brighton Festival in England, and other venues, and the author of several books, including The Early Music Revival: A History, winner of the 2014 Prix des Muses awarded by the Fondation Singer-Polignac.

 

“A Cosmic Cry of the Soul”
Yamen Saadi and Julien Quentin Celebrate Fritz Kreisler

Harry Haskell


Born less than a generation apart, Fritz Kreisler and Eugène Ysaÿe epitomized the cult of virtuosity that surrounded the concert-hall idols of the Romantic era. The two violinists were celebrated for the effortlessness of their technique and the warmth and purity of the tone they drew from their instruments. Historically, these qualities have long been associated with the Franco-Belgian school of violin playing; Kreisler’s vibrant, richly colored sound has been attributed in part to his so-called “French vibrato.” Kreisler had no formal instruction beyond age 12, and throughout his life he took a relaxed attitude toward practicing, sometimes setting his violin aside for months or even years at a time. Although Ysaÿe’s performing career was curtailed by physical ailments in the 1920s, he and Kreisler remained active on the concert stage into their 70s. And despite their shared aversion to shallow virtuosity, both men considered technical display part of the musician’s essential toolkit. As the composer-pianist Franz Liszt put it, “Virtuosity, far from being a monstrous excrescence, is an indispensable element of musical composition.”

In the realm of composition, Ysaÿe was the more significant figure of the two. Indeed, few performers have left a more lasting mark on the repertory for their instrument. Dozens of composers, chiefly French and Belgian, were inspired by Ysaÿe’s formidable technique, impeccable musicianship, and adventurous taste. By contrast, only a single major work, Edward Elgar’s monumental Violin Concerto in B minor, was dedicated to Kreisler. (He considered the Englishman the greatest living composer and the peer of his “idols,” Beethoven and Brahms.) Instead, he was chiefly influential as a role model for generations of violinists. Among them is Yamen Saadi, who plays a 1734 Stradivarius violin once owned by Kreisler and seeks to emulate what he calls the inimitable “sweetness” of Kreisler’s “sound and expression.” Although Kreisler’s technique grew increasingly erratic in later years, he remained a paragon of taste and elegance, revered, in the words of the violinist Mischa Elman, for “the life he put into every note he played.” Nor is his circle of admirers confined to violinists. “I have heard many musicians, but no music has moved me so fundamentally as Kreisler’s playing,” wrote the Hindu poet Rabindranath Tagore. “It is something more than marvelous execution, it is something more than exquisite tone; it is something more than perfect music—it is, in fact, a cosmic cry of the Soul from the realm of the External.”


Violinist and Composer

A child prodigy, Kreisler entered the Vienna Conservatory at age seven and graduated three years later with top honors. “The prodigy is pale, plain, but looks pretty intelligent,” Sigmund Freud wrote to his fiancée in the fall of 1885 from Paris, where young Fritz was continuing his studies at the Conservatoire under his mother’s watchful eye. The psychiatrist—who had heard about the ten-year-old wunderkind from Kreisler’s father, the Freuds’ family physician in Vienna—took a dim view of such arrangements. “Just imagine the expense, the separation, the dispersal of the household! Needless to say the poor woman, who is giving up everything for the boy, is bored to tears. Little wonder that parents grow vain about their children, and even less that such children grow vain themselves.” Contrary to Freud’s off-the-cuff analysis, Kreisler grew up to be anything but vain or self-centered. Out of respect for his father’s wishes, he put his budding musical career on hold for a full six years to pursue a well-rounded gymnasium education, followed by obligatory service in the Austrian army. Not until his early 20s did he pick up the violin again, making the long-deferred debuts with the Vienna and Berlin Philharmonics that launched his international career at the turn of the 20th century.

The Caprice viennois and Recitativo and Scherzo-Caprice are typical of the many short salon pieces that Kreisler composed to play as encores on his recitals. (He also wrote a handful of works in longer forms, including a string quartet and a frothy English-language operetta called Apple Blossoms, which ran for 256 performances on Broadway in 1919–20.) Caprice viennois, a tenderly lilting waltz for violin and piano drenched in Viennese sentiment, dates from 1910, the same year in which Kreisler premiered the concerto that Elgar had composed for him in London. The music showcases his famously luscious vibrato and sustained, evenly scaled double-stops. More overtly bravura in character is the unaccompanied Recitativo and Scherzo-Caprice of 1911, which Kreisler dedicated to Ysaÿe. Although the Belgian violinist famously opposed virtuosity for its own sake, the work’s sharply contrasting expressive modes—a dark, rhapsodic introduction followed by a playfully scintillating scherzo—was tailor-made for his pyrotechnical prowess. A year later Ysaÿe gave the Berlin premiere of Elgar’s Concerto in the presence of Kreisler and other leading violinists of the day.


Homage to Kreisler—and Bach 

Ysaÿe returned Kreisler’s compliment a decade later by dedicating his unaccompanied Sonata in E minor to his younger colleague. Born into a musical family in Liège in 1858, Ysaÿe was a protégé of the great violinists Henryk Wieniawski and Henry Vieuxtemps. By the end of the century, he had taken Europe and America by storm; among the major works written for or dedicated to him are string quartets by Debussy, Saint-Saëns, and d’Indy; Chausson’s Poème; sonatas by Franck and Lekeu; and Fauré’s Piano Quintet No. 1. Dvořák praised the “tremendous power and incomparable purity” of his playing, which can still be heard on the recordings he made late in life. Although Ysaÿe blazed a new path in violin technique, he fell out of sympathy with the direction music took in the early 20th century. “All my life I have been a rebel,” he remarked, “yet modern composition strikes me as chaotic.” Despite such reservations, he introduced American audiences to a number of modernist scores as conductor of the Cincinnati Symphony from 1918 to 1922. Ysaÿe’s own compositions were firmly rooted in the soil of late Romanticism. Most of his music features the solo violin, but his oeuvre also includes chamber and orchestral works, as well as an opera that was staged in Brussels shortly before his death in 1931.

It was the experience of hearing the Hungarian virtuoso Joseph Szigeti play one of Bach’s unaccompanied violin works after World War I that inspired Ysaÿe to write his Op. 27 Sonatas in the early 1920s. Each of the six solos bears a dedication to one of Ysaÿe’s fellow virtuosos, while paying homage to the Baroque master in its intricate passagework, contrapuntal textures, and cleverly simulated polyphony. The Sonata No. 4 alludes to the 18th century in the titles of its first two movements as well; the majestic Allemande and solemn Sarabande are thematically linked by a four-note motto that runs throughout the musical fabric like a thread, rising and falling stepwise. Even Ysaÿe’s tonal harmonies are mostly straight out of Bach’s book, despite the occasional chromatic passage hinting at a more up-to-date sensibility. The brilliant finale, a torrent of cascading scales and broken-chord figurations, is interrupted by a dance-like triple-time section in G major marked giocosamente (playfully). In its blend of Baroque elegance and pyrotechnical bravura, the E-minor Sonata exemplifies Ysaÿe’s goal of “combining musical interest with virtuosity on a large scale.”


Arranger and Mimic 

As a creative artist, Kreisler’s strong suit was his ability to evoke, and sometimes mimic, the styles of other composers without completely submerging his own voice. Berceuse romantique, for instance, is essentially an updating of a 19th-century character piece: a tranquil lullaby alternates with shorter episodes of a more impassioned, impulsive character. The Prelude and Allegro in the Style of Gaetano Pugnani reflects a different aspect of his persona. Years before most of his fellow violinists rediscovered the pre-Classical repertoire, Kreisler had been in the habit of featuring in his concerts a group of short pieces purportedly written by 17th- and 18th-century composers. Critics and even a few scholars applauded his modest contribution to the early music revival, little suspecting that more than a dozen of these pieces by sundry “old masters” had been penned by the violinist himself. Kreisler made little attempt to mask his fraudulent identities and readily pleaded guilty when a critic for the New York Times stumbled onto the secret in 1935. (Several of his musician friends had apparently been in on it for years.) He explained that he had needed pieces to fill out his recitals as a young man and adopted various pseudonyms because he considered it “impudent and tactless to repeat my name endlessly on the programs.”

Throughout his career Kreisler also made straightforward arrangements of other composers’ music, like those heard at the end of tonight’s program, and advertised them as such. But the pseudo-Pugnani Prelude and Allegro and other not-so-innocent deceptions were another kettle of fish. Kreisler was both amused and aghast to find his bogus compositions accepted at face value by people who should have known better, especially in view of his frank admission that he had “made no endeavor to stick closely to the style of the period to which they were alleged to date.” Far from apologizing for his hoax, he claimed that he had done the musical world a service, for “who ever had heard a work by Pugnani, Cartier, Francoeur, Porpora, Louis Couperin, Padre Martini or Stamitz before I began to compose in their names? They lived exclusively as paragraphs in musical reference books, and their work, when existing and authenticated, lay moldering in monasteries and old libraries.” It is a testament to Kreisler’s skill as both composer and mimic that the brilliant Prelude and Allegro became one of the most popular and widely taught works in the violin repertory.


A former performing arts editor for Yale University Press, Harry Haskell is a program annotator for Carnegie Hall in New York, the Brighton Festival in England, and other venues, and the author of several books, including The Early Music Revival: A History, winner of the 2014 Prix des Muses awarded by the Fondation Singer-Polignac.

 

Die Künstler

Yamen Saadi
Violine

Yamen Saadi wurde 1997 in Nazareth geboren und begann dort seine musikalische Ausbildung am Barenboim-Said Conservatory. Später setzte er sein Studium bei Chaim Taub, dem Konzertmeister des Israel Philharmonic Orchestra, fort. Seinen Bachelorabschluss erhielt er 2019 an der Barenboim-Said Akademie, darauf folgte das Masterexamen bei Mihaela Martin an der Kronberg Academy. Bereits im Alter von 11 Jahren wurde er von Daniel Barenboim ins West-Eastern Divan Orchestra aufgenommen. Mit 17 wurde er Konzertmeister des Orchesters, zu dessen 25-jährigen Jubiläum er vor wenigen Tagen als Solist in Mendelssohns Violinkonzert in der Philharmonie Berlin auftrat. Als Solist gastierte er daneben u.a. bei der Staatskapelle Berlin, dem Chamber Orchestra of Europe, dem Israel Philharmonic Orchestra, dem Symphonieorchester des Polnischen Rundfunks und dem Orquesta de Valencia und arbeitete dabei neben Daniel Barenboim mit Dirigenten wie Lionel Bringuier, Lawrence Foster, Leonidas Kavakos, Christoph Poppen und Lahav Shani zusammen. Er war in der New Yorker Carnegie Hall und der Elbphilharmonie in Hamburg sowie bei den Festivals im Rheingau, in Schleswig-Holstein und in Schloss Elmau zu hören. 2022 erschien sein erstes Album Voices from Paris mit Werken von Poulenc, Fauré und Ysaÿe, das er gemeinsam mit der Pianistin Nathalia Milstein einspielte. Yamen Saadi spielt die „Lord Amherst of Hackney“-Stradivari von 1734, die sich ehemals im Besitz von Fritz Kreisler befand, und einen Bogen von Jacob Eury, beides großzügige Leihgaben von Stephan Jansen im Namen eines Mitglieds der Stretton Society. Seit Herbst 2022 ist Yamen Saadi Konzertmeister des Orchesters der Wiener Staatsoper.

April 2024


Julien Quentin
Klavier

Der aus Paris stammende Julien Quentin absolvierte sein Studium bei Alexis Golovine am Konservatorium in Genf, bei Emile Naoumoff an der Indiana University und bei György Sándor an der New Yorker Juilliard School. Außerdem besuchte er Meisterkurse bei Paul Badura-Skoda, Nikita Magaloff, György Sebők und Earl Wild. Konzerte führten ihn u.a. ins Concertgebouw Amsterdam, in die Salle Cortot in Paris, die Londoner Wigmore Hall, ins Gewandhaus Leipzig, in die Berliner Philharmonie und die Carnegie Hall in New York. Als Solist war er mit den Symphonieorchestern von Wrocław, Qatar und Córdoba zu erleben. Außerdem gastierte er bei zahlreichen internationalen Festivals, darunter das Verbier Festival, das Lucerne Festival, die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern, das Beethovenfest Bonn, das Ravinia Festival und Mostly Mozart am New Yorker Lincoln Center. Als begeisterter Kammermusiker stand Julien Quentin, der auch als Cembalist aktiv ist, u.a. zusammen mit Nicolas Altstaedt, Emanuel Ax, Lisa Batiashvili, Gautier Capuçon, Sol Gabetta und Angelika Kirchschlager auf der Bühne. Für den Pianosalon Christophori in Berlin, wo Julien Quentin lebt und arbeitet, kuratiert er die Konzertreihe Musica Litoralis.

April 2024

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